“Kohleausstieg anpacken und mit Steuermitteln decken”

Tschüss Kohle fordert Grüne, SPD und den Umweltsenator dazu auf, schnell die Möglichkeiten für weniger Kohle in der Fernwärme zu prüfen und umzusetzen sowie den Kohleausstieg gegebenenfalls mit Steuermitteln zu unterstützen.

 

Die ehemaligen Vertrauenspersonen der Volksinitiative Tschüss Kohle, Wiebke Hansen, Ulrike Eder und Dr. Ulf Skirke, haben den Fraktionsvertretern Dirk Kienscherf von der SPD und Anjes Tjarks von den Grünen sowie dem amtierenden Senator für Umwelt und Energie und Aufsichtsratsvorsitzenden der Wärme Hamburg, Jens Kerstan, heute aus Anlass der Koalitionsverhandlungen ihre Forderungen für einen zügigen Kohleausstieg in Hamburg übermittelt.

Anlass der Forderungen ist, dass einige vielversprechende Ansätze, wie in den Kraftwerken der Wärme Hamburg kurzfristig weniger Kohle verbrannt werden kann, bislang nicht weiter von der Behörde für Umwelt und Energie oder der Wärme Hamburg geprüft wurden. (Erläuterung weiter unten)

Grüne und SPD sollen der Wärme Hamburg nun im Koalitionsvertrag vorgeben, den Betrieb der Kraftwerke Wedel und Tiefstack unverzüglich auf das nur für die Wärmeversorgung notwendige Maß zu reduzieren und in der Wärmeversorgung möglichst viel Kohle kurzfristig durch bereits vorhandene Alternativen zu ersetzen. So hat beispielsweise der Münchener Stadtrat seinen Stadtwerken vorgegeben, den Betrieb des stadteigenen Kohlekraftwerks ganzjährig zu reduzieren.

Die Behörde für Umwelt und Energie und die Wärme Hamburg müssen die Ansätze zur Vermeidung der Kohleverbrennung zügig und transparent prüfen und umsetzen und so ihrer gesetzlichen Pflicht aus dem Hamburger Kohleausstiegsgesetz nachkommen. Dafür muss nun dringend das zwischen Rotgrün und Volksinitiative vereinbarte „Beteiligungsgremium Tiefstack“ eingesetzt werden und seine Arbeit aufnehmen.

Die ehemaligen Vertrauenspersonen der Volksinitiative Tschüss Kohle fordern Grüne und SPD weiterhin auf, notfalls auch Steuermittel freizugeben, um die Wärme Hamburg punktuell bei der Finanzierung der Kohleverminderung zu unterstützen. Die CO2-Vermeidungskosten dürften laut Gutachten des Öko-Instituts vom Februar 2020 im Vergleich zu anderen städtischen Maßnahmen des Klimaplans günstig ausfallen. Erfreulicherweise hat die Bürgerschaft bei der Neufassung des Hamburger Klimaschutzgesetzes anlässlich des Klimaplans auch die Maßgaben zur Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen geändert, sodass die Verwendung von Steuergeldern für den Kohleausstieg jetzt ganz im Sinne des Klimaschutzgesetzes sein sollte. (§2, Abs. 4, HmbKliSchG)

„Wir halten den Einsatz von Steuermitteln für den Kohleausstieg für gerechtfertigt, um die wichtige Preisgarantie für die Fernwärmekunden zu halten und gleichzeitig den Klimaschutz nicht auszubremsen. Der Kohleausstieg ist kein Privatvergnügen der Fernwärmekunden, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein schneller Kohleausstieg geht mit hohen regionalen und nachhaltigen Investitionen einher und erfüllt damit auch das Gebot der Stunde: die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit der Lösung der Klimakrise zu bewältigen“, so Wiebke Hansen, Sprecherin von Tschüss Kohle.

Weiterhin muss die Wärme Hamburg dringend den Auswurf der stark ätzenden Aschepartikel aus dem Schornstein des Kohlekraftwerks Wedel beenden. Sie sollte sich im Übrigen ohnehin darauf einstellen, das Kraftwerk Wedel zügig abschalten zu können, wenn die Bürger*innen in Wedel und Rissen dies gerichtlich durchsetzen, um sich vor den ätzenden Partikeln zu schützen.

“Die Umsetzung des Tschüss-Kohle-Gesetzes muss jetzt endlich losgehen, angesichts des geringen CO2-Budgets, das uns bis zum Pariser 1,5-Grad-Ziel verbleibt“, so Wiebke Hansen weiter. „Die beiden stadteigenen Kohlekraftwerke in Wedel und Tiefstack laufen seit Abschluss der Vereinbarung unverändert und an den Ausstiegsplänen hat sich kaum etwas getan. Das Ersatzkonzept für Wedel zieht sich, während immer wieder stark ätzende Aschepartikel aus dem Schornstein des Kraftwerks auf die benachbarten Wohngebiete niederregnen. Grüne und SPD müssen den Stillstand beim Kohleausstieg jetzt beenden. Spätestens am Ende dieser Regierungszeit muss das Kohlekraftwerk Wedel stillstehen und im Kohlekraftwerk Tiefstack muss deutlich weniger Kohle verbrannt werden. Der Ausstiegspfad für Tiefstack, bestenfalls bis deutlich vor 2030, muss durchgeplant und entschieden sein.“

Im Juni 2019 hatte die rotgrüne Regierung das Hamburger Gesetz zum Kohleausstieg mit der Volksinitiative Tschüss Kohle vereinbart. Darin verpflichtet sich die Stadt u. a., den Kohleausstieg zu beschleunigen und in den eigenen Kraftwerken Wedel und Tiefstack die Potentiale zur Vermeidung der Kohleverbrennung so schnell und weitgehend wie möglich zu nutzen.

Mögliche Potentiale zur Vermeidung der Kohleverbrennung in den Kraftwerken der Wärme Hamburg im Einzelnen

Strom-optimierten Betrieb in den Kraftwerken Wedel und Tiefstack beenden und Sommerabschaltung prüfen:
Das im Februar 2020 veröffentlichte Gutachten des Öko-Instituts zum Sommerbetrieb des Heizkraftwerks Wedel, das von der EnergieNetz Hamburg eG beauftragt wurde, hat herausgearbeitet, dass das HKW außerhalb der Heizperiode fast durchgängig strom-optimiert gefahren wird. Die Gutachter*innen sehen daher einen kurzfristigen Ansatz zur Verringerung der eingesetzten Kohlemengen darin, das Wedel-Kraftwerk im Sommer mit reduzierter Leistung am technisch zumutbaren Minimum zu fahren. Diese Möglichkeit wurde im Februar 2020 von Vertretern der Wärme Hamburg auf einer öffentlichen Veranstaltung (10. Wärmedialog) bestätigt. Weiterhin betrachtet das Gutachten eine Komplettabschaltung des Kraftwerks während einiger Sommermonate.

Tschüss Kohle fordert, dass kurzfristig vertiefende Gutachten über beide Möglichkeiten durchgeführt werden. Dabei muss auch der Sommerbetrieb des Kohlekraftwerks Tiefstack auf den Prüfstand kommen, genauso wie der strom-optimierte Betrieb von Kraftwerksblöcken in beiden Kraftwerken, der über die Bedarfe der Wärmeproduktion hinausgeht in den anderen Monaten des Jahres.

Einsatzreihenfolge der bestehenden Anlagen ändern:
Wärme Hamburg soll transparent prüfen, wie andere klimafreundlichere Anlagen am Fernwärmenetz mehr Wärme einspeisen können, um weniger Kohle in Wedel und Tiefstack zu verbrennen. Ab sofort sollte für die sogenannte „Einsatzreihenfolge“ der Erzeugungsanlagen der Hamburger Fernwärme die Prämisse gelten, dass nicht mehr die billigsten Erzeugungsanlagen die meisten Einsatzstunden haben, sondern die klimafreundlichsten. Ein Beispiel ist ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk am Standort Tiefstack, das im Jahr viel weniger Stunden läuft als das Kohlekraftwerk direkt nebenan, oder das Gas-Heizwerk Haferweg, das im Westen Hamburgs Kohlewärme aus Wedel ersetzen könnte.

Planungsbeginn für Tiefstack-Ersatz noch 2020, Beteiligungsgremium Tiefstack zügig einsetzen:
Der Planungsprozess für die Umrüstung oder Abschaltung des Kohleheizkraftwerks Tiefstack muss noch dieses Jahr beginnen. Das Beteiligungsgremium Tiefstack, dass die Konzeption des frühzeitigen Wärmeersatzes für das Kohlekraftwerk Tiefstack kontrollieren und dazu beitragen soll, muss jetzt schnell auf den Weg gebracht werden. Wir erwarten, dass der Umweltausschuss in seiner ersten Sitzung der Legislatur der Besetzung des Gremiums zustimmt. Behörden und die Vertrauenspersonen der Volksinitiative haben dazu unter Einbeziehung der Fraktionen von SPD und Grünen einen einhelligen Vorschlag entwickelt. Zwischenzeitlich muss die Ausschreibung für die Organisationsentwickler*innen, die den Beteiligungsprozess begleiten, abgeschlossen und die erste konstituierende Sitzung des Gremiums noch vor dem Sommer geplant werden.

Hintergrund:
Ergebnis der Vereinbarung zwischen SPD, Grünen und der Volksinitiative Tschüss Kohle: Drs. 21/17287, Antrag von SPD und Grünen an die Bürgerschaft vom 21. Mai 2019, verabschiedet am 5. Juni 2019, mit Einleitung, Gesetzentwurf und Ersuchen der Bürgerschaft an den Senat u. a. zur Einsetzung des Beteiligungsgremiums Tiefstack.

Pressemitteilung Hamburger Volksnitiative Tschüss Kohle

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