Das EU-Parlament hat sich heute gegen eine Verordnung zur Nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation, Abk. SUR) ausgesprochen. Der vorliegende Entwurf sah unter anderem eine verbindliche Reduktion des Einsatzes und des Risikos von Pflanzenschutzmittel auf EU-Ebene um 50 Prozent vor.
“Eine ambitionierte SUR wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine nachhaltiger Landnutzung gewesen. Noch immer werden in Deutschland und Europa insgesamt zu häufig und zu schädliche Pflanzenschutzmittel eingesetzt und daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich etwas geändert. Heute wurde eine Riesenchance auf eine Trendwende verspielt“, sagt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Die SUR wurde im Juni 2022 von der EU-Kommission vorgeschlagen und ist seitdem Gegenstand hitziger Debatten zwischen Umwelt- und Bauernverbänden, Parteien und der Agrarindustrie gewesen. Insbesondere der Umfang der ökologisch sensiblen Gebiete, zu denen anfangs auch Landschaftsschutzgebiete zählen sollten sowie eine starke Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln in diesen Gebieten wird seitens der Bauernverbände stark kritisiert. Landwirte und Landwirtinnen mit Flächen in diesen Gebieten würden so zu stark eingeschränkt bei mangelnder finanzieller Kompensation und könnten dadurch nicht mehr angemessen Landwirtschaft betreiben.
“Die SUR ist ein wichtiger Teil des Green Deal gewesen und sollte dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmittel auf die Umwelt zu reduzieren. Dies wäre auch ein Akt der Fairness gewesen gegenüber viele Landwirtinnen und Landwirte, die heute schon freiwillig mit gutem Beispiel voran gehen. Langfristig sind widerstandsfähige und artenreiche Ökosysteme mit bestäubenden Insekten und einem vielfältigen Bodenleben essenziell für die Sicherung unserer Ernährung“, beklagt NABU-Pestizidexperte Maximilian Wulfheide.
Der NABU fordert nun die Bundesregierung auf eine nationale Pestizidreduktionsstrategie vorzulegen, welche zügig umgesetzt werden muss.
Hintergrund:
Die SUR sollte die Fehler der SUD-Richtlinie 2009/128/EG ausbessern. Diese beinhaltet nur vage Definitionen und zu wenig verbindliche Vorgaben, weshalb sie so gut wie keinen Effekt auf den Pflanzenschutzmitteleinsatz hatte und dass, obwohl in Deutschland der integrierte Pflanzenschutz seit 2014 vorgeschrieben ist. Die SUR sollte diese Mängel beseitigen, unter anderem durch konkretere und verbindlichere Ziele wie kulturspezifische Regeln für die fünf größten Kulturen oder eine kostenlose Beratung zum integrierten Pflanzenschutz für Landwirtinnen und Landwirte.
Pressemitteilung NABU
SUR Abstimmung im EP: Katastrophales Signal für Umwelt und Gesundheit
Das EU Parlament hat eine wichtige Gesetzgebung zum Einsatz von Pestiziden in der EU zu Fall gebracht. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kommentiert das Ergebnis:
„Für alle, die an dem Schutz der Natur, von Gewässern und Böden und an der menschliche Gesundheit interessiert sind, ist dies ein schwarzer Tag. Die EU Kommission hatte vorgeschlagen, den Einsatz von Pestiziden in der EU um 50 Prozent zu reduzieren. Eine konservative Mehrheit, unter anderem angeführt von CDU/CSU, hat diesen Entwurf heute soweit entkernt, dass nur noch eine leere Hülle stehen bliebt. Am Ende lehnte eine Mehrheit den kläglichen Rest des Vorschlags komplett ab. Übrig bleibt ein Scherbenhaufen und die Verlierer sind Mensch und Natur, sowie die Ernährungssicherheit.
Pestiziden gefährden Ökosysteme und natürliche Ressourcen, von denen unsere Ernährungssicherheit abhängt. Nach dem die Verlängerung von Glyphosat nicht verhindert werden konnte, ist dies ein ein weiterer Rückschlag. Für eine echte Pestizidreduktion gibt es in der EU momentan keine parlamentarische Mehrheit. Das muss ein Weckruf für alle sein, die an dem Schutz unserer Lebensgrundlagen interessiert sind. Die Europawahl nächstes Jahr muss dieses Thema wieder auf die Agenda setzen.“
Pressemitteilung BUND
EU-Parlament lässt Pestizid-Verordnung scheitern
Heute (Mittwoch, 22. November) hat das Europäische Parlament zur Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Regulation on the Sustainable Use of Plant Protection Products, SUR) keine Position gefunden. Der Antrag, den Vorschlag an den Umweltausschuss zurückzuweisen, wurde auch abgelehnt. Im Ergebnis können die Trilog-Verhandlungen nicht beginnen und es wird keine Pestizid-Verordnung geben.
Sarah Wiener, Grünen/EFA-Mitglied und Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für die Pestizid-Verordnung im federführenden Umweltausschuss, kommentiert:
„Die starke Lobby der Pestizidindustrie und ihre konservative-rechte Vertretung im EU-Parlament feiert heute einen Sieg. Die Verlierer sind die Umwelt, die fruchtbaren Böden und die Bestäuber, sowie die Gesundheit der Menschen in der EU, aber auch die Bäuerinnen und Bauern Die Landwirtschaft ist in der teuren Abhängigkeit von wenigen agroindustriellen Großkonzernen nicht zukunftsfähig.
Bevor sie komplett auseinandergenommen wurde, war die Pestizid-Verordnung eine echte Chance, unsere Landwirtschaft vielfältiger, nachhaltiger und krisenfester zu gestalten. In der heutigen Plenarabstimmung wurde die Verordnung allerdings bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Die bindenden Regeln für Integrierten Pflanzenschutz wurden gestrichen, die finanzielle Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern gelöscht und die Einschränkung von Pestiziden rund um Schulen, in Wohngebieten und in Nationalparks fallen weg. Es war nicht möglich, das Ergebnis der Abstimmungen mit gutem Gewissen zu unterstützen.
Eine unheilige Allianz aus Rechtsextremen und Konservativen hat gemeinsam mit Mitgliedern der Liberalen gegen die Rücküberweisung an den Ausschuss gestimmt, so dass das EU-Parlament nun keine Position hat.”
Hintergrund:
Rund 80 Prozent der Böden in der EU sind mit Pestiziden belastet, jede zehnte Bienenart ist vom Aussterben bedroht und große Summen werden in die Aufbereitung von Rückständen im Trinkwasser investiert. Die neueste EU-Bürgerinitiative (EBI) „Rettet die Bienen und die Landwirte“ wurde von mehr als einer Million Bürgerinnen und Bürgern der EU unterzeichnet und weist darauf hin, dass der Schutz der biologischen Vielfalt mit dem Schutz der Gesundheit der Landwirtinnen und Landwirte Hand in Hand geht.
Pressemitteilung Grüne im EU-Parlament
Herber Schlag für die Umwelt und unsere Gesundheit
EU-Parlament lehnt Vorschlag zur Pestizid-Verminderung ab
Nach langwierigen Verhandlungen um eine neue Pestizid-Verordnung hat eine Mehrheit im Europäischen Parlament gegen eine nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln gestimmt. Damit hat das Parlament die erste Lesung dieses Gesetzesvorhabens abgeschlossen, ohne sich auf eine gemeinsame Position zu einigen.
Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten:
„Das Scheitern der EU-Pestizidverordnung ist ein herber Schlag für die Umwelt und unser aller Gesundheit. Die Konservativen haben im Europäischen Parlament mal wieder den Green Deal sabotiert. Mit ihren Änderungsanträgen haben CDU/CSU und ihre EVP-Fraktion die EU-Pestizidverordnung zu einem zahnlosen Tiger gemacht.
Wenn es nach der rechten Mehrheit ginge, würden die EU-Ziele auf 2035 verschoben, die Mitgliedsstaaten nicht verantwortlich gemacht und umweltschonende Alternativen zu giftigen Pestiziden und Herbiziden nicht gefördert.
Der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft ist einer der Haupttreiber des Artensterbens in der EU und eine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Wir brauchen wirkungsvolle Maßnahmen zur Pestizidverringerung. Wir haben pragmatische Vorschläge vorgelegt, die die Ambitionen für den Umweltschutz hochgehalten und den Mitgliedstaaten viele Freiräume für die nationale Umsetzung gegeben hätten.
Es ist eine Schande, dass die EVP-Fraktion dieses Angebot nicht angenommen hat und den Green Deal weiter zu einer leeren Worthülse macht.“
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament