Bundesgesetzgeber sollte aktiv werden
Kontaktdaten, die zum Zweck der behördlichen Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten erhoben werden sollen, werden zusehends durch die Polizei zum Zweck der Verfolgung von Straftaten verwendet. Die Möglichkeit, dass Strafverfolgungsbehörden diese Daten zu eigenen Zwecken nutzen, wird durch die Strafprozessordnung und das Bundesdatenschutzgesetz weitgehend unbeschränkt zugelassen.
Zwar muss eine entsprechende Datenverarbeitung, soweit sie zur Ermittlung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erfolgt, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Dies ist jedoch stets eine Frage des konkreten Falles und bedarf insoweit einer Einzelabwägung, die einen Einschätzungsspielraum eröffnet und auch häufig vom Vorverständnis des Rechtsanwenders getragen ist.
Das führt dazu, dass die eigentlich zu Infektionszwecken erhobenen Daten, die vor dem Besuch von insbesondere Gaststätten, Beherbergungsbetrieben, Freizeiteinrichtungen oder von Veranstaltungen und Konzerten von den Betroffenen anzugeben sind, bei Bedarf in vielen Fällen im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen genutzt werden. Das Vertrauen der Betroffenen, ihre Daten würden zur Infektionsbekämpfung und nicht zu anderweitigen Zwecken genutzt, wird so deutlich in Frage gestellt. Eine Kontrolle der Fälle, in denen die massenhaft auf Vorrat anfallenden Daten als willkommene Hilfe für die Aufgabenerfüllung der Strafverfolgungsbehörden genutzt werden, ist durch die örtlichen Datenschutzbehörden regelmäßig nicht möglich, da es oft schon an der Kenntnis über die Fälle der Zweckänderung fehlt.
Hierzu Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Eine Lösung dieser unbefriedigenden und rechtlich unsicheren Situation liegt in der Hand des Bundesgesetzgebers. Er allein kann den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden, der durch Bundesgesetz geregelt ist, begrenzen. Der Rechtsstaat wird keinen Schaden erleiden, wenn nicht bei jedem Bagatelldelikt der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die erfassten Daten von Kunden, Gästen oder anderweitigen Besuchern eröffnet ist. Hier sollte ein legislatives Maßhalten dem Grundsatz nach gelten und überlegt werden, einen Zugriff auf Fälle von Straftaten mit zumindest erheblicher Bedeutung zu beschränken. Anderenfalls werden die Akzeptanz der Datenerfassung und die Ehrlichkeit bei der Angabe des Namens durch Bürgerinnen und Bürger untergraben. Negative Folgen für den eigentlichen Zweck der Datenerhebung, die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten, sind programmiert.“
Pressemitteilung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit