Umweltorganisationen fordern ein Ende des Greenwashings und volle Transparenz zu den Plänen / CO2-freie Alternativen müssen offen diskutiert werden
Die Umweltorganisationen NABU Hamburg, BUND Hamburg, ROBIN WOOD, Deutsche Umwelthilfe (DUH), NaturFreunde Hamburg und Biofuelwatch sehen sich nach dem „Zukunftsdialog“ der Hamburger Energiewerke (HEnW) am Donnerstagabend in ihrer Ablehnung der Pläne zur Holzverbrennung im Steinkohlekraftwerk Tiefstack bestärkt. Die HEnW-Vertreter bestätigten die Befürchtungen, dass importierte Holzpellets zweifelhafter Herkunft zum Einsatz kommen könnten.
Lucas Schäfer, Geschäftsführer des BUND Hamburg, der die Umweltverbände bei der digitalen Diskussionsrunde auf dem Podium vertrat, kommentiert: „Im Prinzip sind die Hamburger Energiewerke auf dem richtigen Weg. Flusswärmepumpen, die Nutzung von industrieller Abwärme und große Wärmespeicher sind zukunftsweisend. Die Umrüstung auf Holz und Gas wäre jedoch ein fataler Fehler. Allein die Investitionen dafür würden eine Festlegung auf verbrennungsbasierte Fernwärme über Jahrzehnte bedeuten. Es braucht dringend eine auf Hamburg bezogene Analyse aller Einsparmöglichkeiten sowie ehrliche Aussagen darüber, was technisch möglich ist und welche Entscheidungen auf rein wirtschaftlichen Überlegungen basieren.”
Der Vorsitzende des NABU Hamburg, Malte Siegert, betont: „Wir sehen bei den HEnW leider eine deutliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Mit dem offenbar für die in Tiefstack verbrannte Holzbiomasse angestrebten Zertifikat des „Sustainable Biomass Programs” sind auch Holzpellets versehen, welche aus ganzen Bäumen durch Kahlschläge in den USA, Kanada oder Estland gewonnen werden – auf Kosten von Wäldern, Biodiversität und Klima. Das steht im krassen Gegensatz zu den Aussagen des Geschäftsführers, man wolle auf gar keinen Fall Frischholz verheizen. Im Biomassekodex sind weder Importe noch Kahlschlagpellets aus ganzen Bäumen ausgeschlossen. Wir fordern hier dringend Klarheit zu den Plänen.”
Jana Ballenthien von ROBIN WOOD ergänzt: „Vitale Wälder sind als CO2-Senken unersetzlich für den Klimaschutz. Angesichts der dramatischen Klimakrise müssen CO2-Emissionen schnell reduziert werden, aber Holz stößt pro Energieeinheit nicht weniger CO2 aus als Steinkohle. Die HEnW treiben ein gefährliches Spiel mit dem Feuer und zugleich kennen sie offenbar nicht mal den Stand der Forschung zur Holzverbrennung. Zudem fehlt eine umfassende Information der Öffentlichkeit, z.B. über die HenW-Aufsichtsratsbeschlüsse. Die Einbindung der Zivilgesellschaft läuft bislang ungenügend.”
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH kritisiert: „Hamburg braucht ein erneuerbares Wärmesystem, das ohne die Verbrennung von CO2-emittierenden Energieträgern auskommt. Zunächst auf fossiles Gas oder importierte Holzpellets in einem umgerüsteten Kohlekraftwerk zu setzen, darf keine Option sein. Wir fordern, dass die zwei großen Flusswärmepumpen deutlich schneller kommen als bislang geplant und der Öffentlichkeit endlich alle Informationen über den Energiepark Tiefstack zur Verfügung gestellt werden.“
Bereits kurz vor der Vorstellung des Konzepts zum „Energiepark Tiefstack“ am 16. Juni 2022 hatten sich über 30 deutsche sowie internationale Umweltorganisationen mit einer gemeinsamen Stellungnahme ablehnend zu den Plänen einer Umrüstung auf Holz und Erdgas geäußert. Anfang September 2022, kurz vor der Abstimmung im EU-Parlament zur Frage, ob die Verbrennung von Primärholz weiter als „erneuerbar” gelten soll, fand eine spektakuläre Protestaktion am Kraftwerk Tiefstack in Hamburg statt.
Hintergrund:
Die Stadt Hamburg will bis 2030 vollständig auf die Kohleverfeuerung zur Wärmeerzeugung verzichten. Dafür ist geplant, Abwärme aus Industrieanlagen, Großwärmepumpen sowie andere Technologien zu nutzen sowie das Steinkohlekraftwerk Tiefstack auf Gas- und Holzbiomasse umzurüsten.
Wie viel Holz wird benötigt?
Verbrannt werden sollen nach Aussagen der HEnW bis zu 400.000 t. Holz im Jahr. Die wirklich benötigte Menge ist aber schwer abzuschätzen. Kleine Anfragen an den Senat, um detailliertere Informationen zu bekommen, liefen bisher ins Leere. Die Entscheidung, ob jeweils Gas oder Biomasse eingesetzt wird, soll laut HEnW auf Basis von betriebswirtschaftlichen Überlegungen getroffen werden. Entscheidend ist auch die Anzahl der Betriebsstunden sowie die Flexibilität des Kraftwerks. Außerdem ist die Menge stark davon abhängig, wann und ob die großen Flusswärmepumpen in Betrieb gehen sollen.
Was für Holz soll verbrannt werden?
Von den HEnW wird stets betont, dass keinesfalls „Frischholz” oder „ganze Bäume” verbrannt werden sollen, stattdessen möchten sie ausschließlich „Rest- und Schadholz” einsetzen. Dafür soll laut dem Biomassekodex der HEnW unter anderem ein Zertifizierungssystem wie das Sustainable Biomass Program (SBP) sorgen. Dieses hat Carsten Huljus beim gestrigen Zukunftsdialog vertreten. Allerdings gehören zu den durch das SBP zertifizierten Unternehmen unter anderem Graanul Invest, Enviva und Drax. Bei all diesen Pelletherstellern wurde mehrfach nachgewiesen, dass sie erhebliche Mengen an Rundholz/Frischholz aus gerodeten Wäldern zur Pelletproduktion verwenden (siehe u.a. Report zum Baltikum, BBC zu Drax, Recherche zu Enviva). Solche hochwertigen Frischholzpellets müssten auch im umgerüsteten Kohlekraftwerk Tiefstack zum Einsatz kommen, da aufgrund des hohen Rindenanteils bei vielen Sägeresten sowie bei Waldrestholz Korrosionsgefahr besteht. Dies wurde beim Zukunftsdialog von den HEnW bestätigt.
Mehr Informationen zum SBP stehen in diesem Briefing von Biofuelwatch.
Wäre die Verbrennung von „Rest- und Schadholz” unproblematisch?
Per Definition sind „Rest- und Schadholz” sogenanntes Primärholz/Frischholz – in Abgrenzung zu Sägeresten, welche als Sekundärholz bezeichnet werden. Sowohl für Primär-, als auch für Sekundärholz gibt es eine Vielzahl von stofflichen Nutzungsmöglichkeiten: Schadholz (also z.B. von Bäumen, die vom Borkenkäfer geschädigt wurden) ist ohne große Einschränkungen als Bauholz oder in der Holzwerkstoffindustrie nutzbar. Es ist außerdem sehr wichtig, abgestorbenes Material teilweise im Wald zu belassen. Totholz ist wichtiger Lebensraum, Wasserspeicher und Schattenspender, schützt vor Bodenerosion und ermöglicht die Wiederbewaldung.
Ist die Verbrennung von Holz klimaneutral?
Holzverbrennung produziert neben Feinstaubemissionen CO2- und andere klimarelevante Emissionen wie Methan. Aufgrund des geringen Heizwertes von Holz sind die CO2-Emissionen pro Energieeinheit sogar meistens höher als bei fossilen Energieträgern wie Steinkohle oder Gas. Bis die Kohlenstoffemissionen aus der Holzverbrennung wieder von nachwachsenden Wäldern eingefangen sind, vergehen Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Diese Zeiträume sind aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit für die CO2-Reduktion in der Atmosphäre zu lang, zumal das Nachwachsen von Wäldern in Zeiten der fortschreitenden Klimakrise mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Heizen mit Holz ist unter Betrachtung dieser Faktoren nicht klimaneutral. Statt kohlenstoffreiche Wälder durch eine zunehmende Nachfrage nach Energieholz zu schwächen, ist dem Klima mehr geholfen, wenn Wälder wachsen und entnommenes Holz lange stofflich genutzt wird. Nur wenn die Wälder zukünftig mehr Kohlenstoff speichern als heute, haben wir eine Chance, die Klimaziele zu erreichen.
Gemeinsame Pressemitteilung BUND Hamburg, ROBIN WOOD, Deutsche Umwelthilfe und NABU Hamburg