Deutsche Umwelthilfe, Aktivisten von Fridays for Future und Akteure der Klima- und Rechtswissenschaften kritisieren auch den mangelhaften Austausch mit der Zivilgesellschaft
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert gemeinsam mit Akteuren der Zivilgesellschaft alle Bundestagsabgeordneten auf, gegen die geplante Entkernung des Klimaschutzgesetzes zu stimmen.
Da das Parlament und insbesondere die Ampel-Parteien bislang jegliche öffentliche Debatte über diese richtungsweisende Entscheidung für die deutsche Klimapolitik vermieden haben, hatte die DUH alle Bundestagsabgeordneten der demokratischen Parteien zum Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern von Fridays for Future sowie der Klima- und Rechtswissenschaften eingeladen. Von den insgesamt 653 eingeladenen Abgeordneten erschien lediglich eine Abgeordnete der Grünen-Fraktion.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Dass nur eine Abgeordnete sich der Diskussion zu der geplanten Schwächung des Klimaschutzgesetzes stellt, ist ein Offenbarungseid, insbesondere für die Regierungsfraktionen. Es geht hier nicht um irgendeine Regelung, sondern um das Herzstück der deutschen Klimapolitik und die einzige gesetzliche Grundlage, die die Einhaltung des völkerrechtlich verpflichtenden Pariser Klimaschutzabkommens sicherstellt. Statt die gesetzlichen Vorgaben durch ambitionierten Klimaschutz in allen Sektoren zu erreichen, sollen die wiederholten Rechtsverstöße insbesondere in den Sektoren Gebäude und Verkehr durch eine Aufweichung des Klimaschutzgesetzes legalisiert werden. Wir fordern die demokratischen Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag und vor allem die Unionsfraktion, die das Klimaschutzgesetz in der vergangenen Wahlperiode mitbeschlossen hat auf, sich entschlossen für dessen Erhalt einzusetzen.“
Linus Steinmetz, Aktivist von Fridays for Future und Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde, die zum historischen Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geführt hatte: „Als wir vor zwei Jahren den historischen Klima-Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten haben, versprachen die heutigen Regierungsspitzen eine deutliche Verschärfung des Klimaschutzgesetzes. Auch im Wahlkampf haben sich noch alle Regierungsfraktionen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze verpflichtet. Statt nun alles für die Einhaltung dieser Versprechen zu tun, müssen wir erleben, wie das Klimaschutzgesetz rückabgewickelt wird. Das Klimaschutzgesetz müsste verschärft und nicht abgeschwächt werden. Denn klar ist auch: Auch das aktuelle Klimaschutzgesetz ist nicht annähernd 1,5-Grad-kompatibel.“
Kathleen A. Mar, wissenschaftliche Leiterin am Research Institute for Sustainability – Helmholtz Centre Potsdam (RIFS) betont: „Durch die globalen Extremwetterereignisse müssen wir leider hautnah erfahren, wie sich die Klimakrise zunehmend verschärft. Um überhaupt noch eine Chance zu haben, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, müssen wir jetzt massiv die CO2-Emissionen senken. Das CO2-Budget, das Deutschland dabei zur Verfügung steht, ist bereits verschwindend gering. Die Politik wäre gut beraten, diesen klimawissenschaftlichen Realitäten ins Gesicht zu schauen und ihr Handeln dementsprechend auszurichten.“
Der Rechtsanwalt diverser Klimaklagen der DUH und Experte für Verfassungs- und Umweltrecht, Remo Klinger, ergänzt: „Durch die Bestimmungen der geplanten Novelle des Klimaschutzgesetzes wird die Reduktion der CO2-Emissionen de facto immer weiter aufgeschoben. Dadurch wird die grundrechtlich geschützte Freiheit zukünftiger Generationen immer weiter eingeschränkt werden, was klar gegen den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verstößt. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist ein scharfes Klimaschutzgesetz notwendig, das ausreichenden Entwicklungsdruck und die zeitnahe Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sicherstellt.“
Hintergrund:
Die Streichung zwingender und verbindlicher Beiträge der einzelnen Sektoren, der direkten Pflicht zur jährlichen Nachbesserung bei Nichterreichung eines Zwischenziels in jedem einzelnen Sektor durch ein Klimaschutzsofortprogramm, die Änderung der Systematik einer ex post Auswertung auf eine reine Prognose-Bewertung sowie die nicht mehr jährliche Nachbesserungsverpflichtung führen absehbar zu einer Nichterreichung der jährlichen Klimaziele, damit einhergehend einer immer größeren Aufstauung der Emissionsreduktionen und einer in keinem Fall akzeptablen Reduktion des zur Verfügung stehenden Restbudgets an Treibhausgasemissionen für die Jahre 2030 und 2040.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe