Der Hamburger Klimaplan gibt zur Zielerreichung im Bereich der Wohngebäude als ersten großen Schritt eine umsetzungsorientierte Machbarkeitsstudie vor. Die Ergebnisse liegen jetzt vor, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) entwickelt nun Instrumente und Maßnahmen zur energetischen Ertüchtigung von Wohngebäuden, um Klimaneutralität für Wohngebäude bis 2045 zu erreichen.
Unser Ziel ist es, eine möglichst hohe Sanierungsrate und -tiefe zu erreichen, damit unsere Klimaziele umgesetzt werden können. Gleichzeitig müssen aber auch die Wirtschaftlichkeit und insbesondere auch die Sozialverträglichkeit der angestrebten Maßnahmen in Hinblick auf die Wohnfolgekosten gewährleistet werden. Auch dies ist ein wichtiges Ziel der ersten Fortschreibung des Hamburger Klimaplans 2019. Denn auch mit Sanierungsmaßnahmen für den Klimaschutz muss Wohnen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt bezahlbar bleiben.
Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: „Hamburgs Wohngebäude sollen bis 2045 klimaneutral werden. Das ist ein großes Vorhaben und wichtiges Ziel. Zu erreichen ist dies nur, wenn wir gemeinsam mit allen verantwortlichen Kräften, insbesondere den Partnern im Bündnis für das Wohnen in Hamburg und den Mietervereinen an einem Strang ziehen – eine Aufgabe für die gesamte Stadt. Die dafür notwendigen Maßnahmen leiten sich aus der vorliegenden Machbarkeitsstudie ab. So wollen wir die Fördermittel deutlich ausweiten und in den kommenden vier Jahren zusätzlich 210 Mio. Euro zur Verfügung stellen. Für die Umsetzung unserer Klimaschutzziele ist das ein bedeutender Schritt.“
Die Machbarkeitsstudie besteht aus fünf Einzelstudien mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunktsetzungen. Mit der Zusammenführung der einzelnen Ergebnisse ermöglichen die Gutachter uns, die komplexen Zusammenhänge umfassend zu berücksichtigen, Konsequenzen abzuschätzen und entsprechend strategisch sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln. Kein anderes Land hat bisher vergleichbare Kenntnisse über den eigenen Gebäudebestand, über potenzielle Sanierungsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf Kosten, Energieverbrauch und CO2-Emissionen. Die Machbarkeitsstudie ist damit in Deutschland einzigartig. Sie liefert folgende Erkenntnisse für Hamburg:
-Der Hamburger Wohngebäudebestand konnte in zwölf verschiedene Gebäudeklassen unterteilt werden, und es existieren nun dezidierte Datenblätter, in denen die Auswirkungen einzelner Sanierungsmaßnahmen auf die Kosten und die CO2-Emissionen in Kombination mit unterschiedlichen Formen der Wärmeversorgung hinterlegt sind.
-Mehrfamilienhäuser verursachen ca. 2/3 aller CO2-Emissionen der Hamburger Wohngebäude und verbrauchen ca. 2/3 der gesamten Endenergie im Wohnsektor. Insgesamt sind ca. 1/3 dieser Gebäude nicht oder nur gering saniert, d. h. ca. 87.000 Hamburger Wohngebäude müssen in jedem Fall bis 2045 energetisch saniert werden. Ein weiteres Drittel ist nur teilweise saniert. Durch die Studie konnte nun eine Sanierungsabfolge für die energetische Sanierung entwickelt werden.
-Der Anteil der Wohngebäude bis einschließlich 1986, die eine besonderes erhaltenswerte Bausubstanz haben, beträgt ca. 40 %. Gebäude, bei denen aus stadtgestalterischen Gründen keine Fassadendämmung möglich ist, machen ca. 12 % des Bestands aus. Hier muss mit anderen Sanierungsmaßnahmen angesetzt werden.
-Potenziale für Quartiersansätze und den Fernwärmeausbau sind bei der Wärmeversorgung nun bekannt.
-Es steht jetzt ein detailliertes Vollfinanzierungstool zur Verfügung, welches sämtliche Investitionskosten für die energetische Sanierung ermittelt.
Die Gutachter haben Vorschläge zur Zielerreichung erarbeitet, ihre wichtigsten Empfehlungen lauten:
-Maßnahmen mit der größten Hebelwirkung sollten vorrangig umgesetzt werden. Dies betrifft zum einen die energetische Sanierung von Wohngebäuden der Baualtersklassen von 1949 bis 1978. Zum anderen ermöglichen geringinvestive Maßnahmen wie ein hydraulischer Abgleich oder der Einsatz von Hocheffizienzpumpen bereits bis zu 20 % an Einsparungen von Heizenergie und erzielen damit eine große Wirkung mit vergleichsweise geringem Aufwand. Die Sanierung von Bestandsgebäuden steht da-mit an erster Stelle.
-Es wurde ein CO2-Entwicklungspfad zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2045 für den Hamburger Wohngebäudebestand entwickelt, bei dem eine Sanierungsrate von 1,7 % als ambitioniert, aber leistbar eingestuft wird. Damit einhergehend wurde auch die daraus resultierende Reduktion des Endenergieverbrauchs prognostiziert.
-Bauteile sollten bevorzugt erst dann ersetzt und energetisch saniert werden, wenn sie nicht mehr einsatzfähig sind. Dies spart nicht nur CO2-Emissionen, sondern verursacht auch geringere Kosten für Mieterinnen und Mieter, da es sich dann um nicht umlagefähige Instandhaltungskosten handelt.
Die BSW hat nun vier zentrale Strategien entwickelt, um das Ziel von klimaneutralem Wohnen bis 2045 in Hamburg zu erreichen:
-Die IFB-Modernisierungsförderung wird neu aufgestellt: Ein neues Förderprogramm für geringinvestive Maßnahmen mit hoher Effektivität zur Heizungsoptimierung ist geplant, ebenso wie ein Programm zur Erstellung von Sanierungsfahrplänen für ganze Wohngebäudeportfolios sowie ein neues Programm zur Modernisierung von Mietwohnungen mit höherer Einkommens- und Mietpreiskappungsgrenze als bisher, das breitere Bestände und Bevölkerungsgruppen adressiert. Zudem prüfen wir die Anhebung von bestehenden Förderhöhen. Wir wollen über zielgerichtete Anreize in der Förderung die Sanierungstiefe weiter steigern, als von den Gutachtern prognostiziert, um so den Energieverbrauch schneller zu senken.
-Die BSW wird weiterhin eng mit zentralen Stakeholdern zusammenarbeiten, insbesondere mit dem Bündnis für das Wohnen in Hamburg.
-Für 2023 ist die Umsetzung einer gezielten Kommunikationskampagne geplant, um Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer sowie die Wohnungswirtschaft von der Dringlichkeit und Wichtigkeit der energetischen Sanierung zu überzeugen und Möglichkeiten dafür aufzuzeigen.
-Im Branchendialog zwischen der Bauwirtschaft und der BSW wird eine Fachkräftestrategie und der Kapazitätsausbau zur Umsetzung der anstehenden Sanierungen entwickelt.
Die momentan volatile Bundesförderung sowie die Herausforderungen auf dem Finanzmarkt und in der Bauwirtschaft erschweren die Anstrengungen für klimaneutrales Wohnen maßgeblich. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Stadt Hamburg durch diese Maßnahmen nun einen klaren Weg und Fahrplan zur Zielerreichung aufzeigt.
Pressemitteilung Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
BUND zur Machbarkeitsstudie Gebäudesanierung: Gesetzliche Vorgaben fehlen komplett
Konzept zur Umsetzung unzureichend / BUND fordert schnelle Umsetzung des „Teil-Warmmieten-Modells“ aus dem Ampel-Koalitionsvertrag
Aus Sicht des BUND Hamburg offenbart die heute von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt vorgestellte Machbarkeitsstudie zur Gebäudesanierung die politischen Defizite in diesem für den Klimaschutz zentralen Bereich. Es fehle weiterhin ein schlüssiges Umsetzungskonzept, um die angestrebte Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Ein großer Teil der CO2-Einsparungen sei ohnehin nur ein Mitnahmeeffekt, der auf die zunehmende Dekarbonisierung des deutschen Energiesektors setze.
„Die Machbarkeitsstudie liefert mäßig ambitionierte Wünsche für Sanierungsraten. Wie diese jedoch erreicht werden sollen, bleibt eklatant offen“, kritisiert Lucas Schäfer, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Insbesondere bleibe unklar, mit welchem Personal die nötigen Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden können, wenn weiterhin ein großer Teil der Ressourcen des Handwerks für das aus Sicht des BUND überzogene Neubauprogramm des Hamburger Senats benötigt werde.
Ein weiterer Kritikpunkt des BUND ist, dass das Sanierungsprogramm der Stadtentwicklungssenatorin explizit auf Freiwilligkeit setzt, wo doch bereits deutlich niedrigere Fördertöpfe in der Vergangenheit bei weitem nicht ausgeschöpft wurden.
„Im Politikstil des vorletzten Jahrzehnts setzt Senatorin Stapelfeldt auf den guten Willen der Vermieterseite, angebotene Sanierungsanreize anzunehmen. Eine verantwortungsvolle Klimapolitik braucht aber klare politische Vorgaben, zumal der Gebäudesektor für rund
30 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich ist“, so Schäfer.
Damit das Kostenrisiko schlecht gedämmter Wohnungen oder hoher Renovierungskosten nicht auf der Mieterseite bleibt, fordert der BUND eine schnelle Umsetzung des im Koalitionsvertrag der Bundesregierung genannten Teilwarmmieten-Konzepts. Danach orientiert sich die zu zahlende (Teil-)Warmmiete an einer durchschnittlichen Raumtemperatur und am Gebäudezustand des Objekts. Verbrauchen die Mieter*innen mehr, tragen sie die Kosten – steigen die Heizkosten bei gleichbleibendem Verbrauch, zahlt die Vermieterseite. Vermieter haben damit einen hohen Anreiz, mit Renovierungsmaßnahmen oder alternativen Energieformen wie etwa Wärmepumpen dafür sorgen, dass die Heizkosten niedrig bleiben und ihre Mieteinnahmen steigen.
Pressemitteilung BUND Hamburg