EU-Umweltausschuss stimmt für neue Verpackungsregeln
Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat soeben (24.10.) für eine Reform der europäischen Verpackungsabfallregeln gestimmt. Damit sollen schädliche Chemikalien begrenzt, Mindestmengen an recyceltem Inhalt vorgegeben, der Verbrauch von leichten Plastiktragetaschen eingeschränkt und Zielvorgaben für die Reduzierung von Verpackungen eingeführt werden. Das Plenum des EU-Parlaments wird voraussichtlich im November über die Verordnung abstimmen.
Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten und Chefverhandlerin der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament:
„Mit der Reform der EU-Verpackungsregeln können wir einiges zur Reduzierung von Verpackungsmüll, für verbessertes Recycling und mehr Verbraucherschutz erreichen. Die wachsenden Verpackungsmüllberge sind nicht nur ein großes Umweltproblem in Europa, sondern gelichzeitig auch ‚Big Business‘ für die Herstellenden. Die Verpackungsindustrie in der EU macht jährliche Umsätze von 355 Milliarden Euro. Es ist daher wenig überraschend, dass insbesondere die Maßnahmen zur Verpackungsreduzierung unter enormen Druck der Verpackungslobby standen, die einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Verpackungsmaterial zu verhindern versuchten. Von der Wellpappe, über Marmeladengläser, zu Versandhäusern und Fastfood-Ketten – zu keinem anderen Gesetzesvorschlag habe ich jemals so viele Anfragen und Zusendungen von Interessenverbänden erhalten.
Verringerung unseres Verpackungsverbrauchs muss im Mittelpunkt der neuen Verpackungsregeln stehen. Erstmals wird es europaweite Vorgaben für mehr Mehrweg im Getränkehandel geben. Was in Deutschland bereits gängige Praxis ist, wird nun in ganz Europa zum Standard. Außerdem wird es eine Mehrwegangebotspflicht für To-Go-Getränke nach deutschem Vorbild geben. Wegwerfverpackungen, die leicht durch wiederverwendbare Verpackungen ersetzt werden können oder schlicht unnötig sind, werden wir in der EU verbieten. In Fastfood-Restaurants werden wir künftig unser Essen nicht mehr inmitten großer Papier- und Plastikverpackungsbergen verspeisen müssen. Große Gaststättenbetriebe werden künftig Getränke und Speisen nur noch auf wiederverwendbaren Geschirr anbieten dürfen.
Wir machen Verpackungsmüll, der sich nicht vermeiden lässt, nachhaltiger. Alle Verpackungen müssen recyclebar sein. Außerdem werden Plastikverpackungen zu einem gewissen Anteil aus recyceltem Material hergestellt werden müssen, um so den Bedarf nach immer neuem Plastik zu senken.
Hinzu kommt mehr Klarheit für Verbraucher*innen, wie Verpackungen zu entsorgen sind. Jede Verpackung soll ein Label tragen, auf dem deutlich angezeigt wird, wie und wo sie zu entsorgen ist. Mülltüten und öffentliche Mülleimer werden diese Label ebenfalls tragen, damit die Sortierung einfacher fällt.“
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament
Ambitionslos und verwässert: Deutsche Umwelthilfe kritisiert EU-Verpackungsverordnung und fordert verbindliche Mehrwegquoten
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die heute vom Umweltausschuss des EU-Parlaments verabschiedete Position zur EU-Verpackungsverordnung als ambitionslos und enttäuschend. Insbesondere die Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegverpackungen bleiben weit hinter den Vorschlägen der EU-Kommission zurück. So sehen die geplanten Änderungen vor, Mehrwegquoten für Takeaway-Verpackungen zu streichen und öffnen außerdem weitere Schlupflöcher für Einweg-Papierverpackungen. Dies könnte zu mehr Papierverpackungen führen, die ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen mit sich bringen. Auch EU-weite Ziele zur getrennten Sammlung von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen für ein besseres Recycling wurden abgeschwächt. Die DUH fordert die Abgeordneten des EU-Parlaments auf, bei der anstehenden Plenarabstimmung Ende November ein weiteres Aufweichen der EU-Verpackungsverordnung zu verhindern. Neueste Eurostat-Zahlen belegen das immense Verpackungsmüllproblem der EU: 2021 fielen 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle pro Einwohner an, das sind fast 11 Kilogramm mehr als 2020 und entspricht dem größten Anstieg in den letzten zehn Jahren. Für weniger Verpackungsmüll müssen deshalb endlich die Weichen für eine ambitionierte Mehrwegförderung gestellt werden.
Barbara Metz, DUH-Bundesgeschäftsführerin: „Ich bin entsetzt über die beispiellose Ambitionslosigkeit und Verwässerung des Gesetzesentwurfs. Offensichtlich hat der Lobbydruck der Einweg-Industrie auf die EU-Abgeordneten in den vergangenen Monaten Wirkung gezeigt. Mit fragwürdigen Studien, Werbekampagnen und sogar Plakatierungen in den Straßen von Brüssel hat die Einweg-Lobby alle Register gezogen, um Einweg grün zu waschen und verbindliche Mehrwegvorgaben zu verhindern. Mit Erfolg – Mehrwegquoten für Takeaway-Verpackungen wurden komplett gestrichen, vorgesehen ist lediglich eine Pflicht zum Mehrwegangebot für Getränke in der Gastronomie. Eine Maßnahme, die kaum Anreize für Gastronomiebetriebe und Verbraucherinnen und Verbraucher setzt. Und obwohl die Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen leicht angehoben wurden, soll nur der Handel verpflichtend Mehrweggetränke anbieten. Getränkeproduzenten müssen keine Mehrwegquoten erfüllen, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Dadurch wird die Chance verpasst, dass Getränkegiganten wie Coca-Cola, Red Bull, Nestlé und Co. von ihrer Einweg-Strategie abweichen und zwingend in Mehrweggetränkeflaschen abfüllen müssen. Wenn wir in der EU wirklich Verpackungsabfälle reduzieren wollen, muss das Plenum des EU-Parlaments deutlich gegensteuern.“
Aus Sicht der DUH macht der Umweltausschuss zudem das geplante Einweg-Verpackungsverbot für den Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie quasi unwirksam, indem ein Großteil der Gastronomiebetriebe ausgenommen werden soll. Auch die Vorgaben für mehr unverpacktes Obst und Gemüse in Supermärkten laufen mit den neuen Vorgaben an vielen Stellen ins Leere. Sie sollen nur für Plastik- und Verbundverpackungen, aber nicht für reine Papierverpackungen gelten.
Elena Schägg, Leiterin Verpackungen bei der DUH: „Der EU-Umweltausschuss scheint auf einem Auge blind zu sein. Statt die Einwegmüllflut konsequent einzudämmen, werden viele der geplanten Änderungen zwar Einweg-Plastikverpackungen beschränken, aber den Anstieg von Papierverpackungen zur Folge haben. Das ist keine gute Entwicklung, die europäischen Wälder stoßen aufgrund des gestiegenen Papierbedarfs bereits an ihre Grenzen, Brasilien ist inzwischen größter Zellstofflieferant für die EU. Schon heute wird 50 Prozent des gesamten Papierverbrauchs in der EU nur für Verpackungen verwendet, Tendenz steigend. Wir rufen den Rat der Umweltministerinnen und Umweltminister auf, diese Fehlentwicklungen in den Trilogverhandlungen mit EU-Parlament und Kommission zu verhindern. Umweltministerin Steffi Lemke muss durchsetzen, dass die Mehrwegquoten für Transportverpackungen auch für Papierverpackungen gelten.“
Die Ambitionen für ein verbessertes Recycling von Verpackungen wurden durch den Umweltausschuss ebenfalls gesenkt. So wurde für die EU-Länder das bis 2029 zu erfüllende Ziel für die Getrenntsammlung von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen von 90 auf 85 Prozent abgeschwächt. „Die 2019 beschlossene Einwegkunststoffrichtlinie sieht eine getrennte Sammlung von Einweg-Plastikflaschen von 90 Prozent bis 2029 vor. Wir sehen nun einen Widerspruch zur EU-Verpackungsverordnung, die lediglich 85 Prozent verlangt. Wie soll das vereinbar sein? Es ist enttäuschend, dass wir in 2023 scheinbar ambitionslosere Umweltpolitik aus der EU erwarten dürfen als noch vor vier Jahren“, kritisiert Elena Schägg.
Hintergrund:
Nach dem Umweltausschuss stimmt als nächstes das Plenum des EU-Parlaments voraussichtlich in der Woche vom 20. November über die EU-Verpackungsverordnung ab. Der Umweltrat der EU will im Dezember seine Position beschließen. Anschließend wird die Verordnung im Trilog aus EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Umweltrat verhandelt. Die Verordnung steht unter großem Zeitdruck, um noch in dieser Legislaturperiode des EU-Parlaments abgestimmt zu werden.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe