NABU fordert Beendigung des Biozid-Verkaufs bei Aldi Nord

Der NABU Hamburg kritisiert den Verkauf von Insektengiften bei Aldi Nord, nachdem Mitglieder der NABU-Fachgruppe Baumschutz jetzt entsprechende Mittel in Aldi-Filialen gefunden haben. Zum einen würden sie nicht ausreichend (vor Kinderhänden) gesichert gelagert, zum anderen bewirbt Aldi Nord die Biozide fälschlicherweise als Bekämpfungsmittel gegen Insekten.

 

Der NABU befürchtet durch die unsachgemäße Anwendung Schäden für Mensch und Natur.

„Die gefundenen Biozide bestehen aus einer Kombination von zwei hochgefährlichen Pestiziden, dem natürlichen Pyrethrum und die davon abgeleiteten wirkungsstärkeren synthetischen Pyrethroide wie Permethrin, Cyperpermethrin, und Tetramethrin“, erklärt Gabriele König von der NABU-Fachgruppe Baumschutz. „Permethrinhaltige Produkte sind als Pflanzenschutzmittel, d.h. als Pestizide in Deutschland aber nicht mehr zugelassen.“ Während zugelassene Pestizide nur in verschlossenen Vitrinen aufbewahrt und nach sachkundiger Beratung veräußert werden dürfen, gilt dies nicht für Biozide, selbst wenn sie die gleichen Wirkstoffe enthalten. „Diese Gesetzeslücke nutzt Aldi Nord aus. Die Biozide stehen direkt neben Lebensmitteln und sind für jeden Kunden, einschließlich Kindern für einen Schnäppchenpreis erhältlich“, ist König empört. „Unserer Ansicht nach haben weder Pestizide noch Biozide in Lebensmittelgeschäften etwas zu suchen.“

Darüber hinaus dürften, so der NABU weiter, die Biozide entgegen der anderslautenden Aldi-Werbung nicht allgemein gegen Insekten eingesetzt werden, sondern nur gegen Schädlinge oder Schadinsekten, die ein Problem für den Materialschutz (Holzindustrie, Teppiche und Textilien), die Hygiene oder die Gesundheit (Verwendung in der Tiermedizin, Humanmedizin) darstellen. Ebenso sei der Einsatz der Biozide gegen Pflanzenschädlinge im Garten, auf dem Balkon und im Wohnraum verboten. „Durch die verwirrende Werbung von Aldi wird der Verbraucher über die korrekte Anwendung des Biozids und über die Gefährlichkeit dieser Gifte im Unklaren gelassen“, wirft NABU-Mitglied König dem Discounter vor. „Damit animiert Aldi indirekt die Kunden zum falschen Gebrauch der Biozide.“ Der NABU fordert daher Aldi auf, den Giftverkauf sofort zu beenden!

HINTERGRUND

Wirkungsweise bei den Insekten: Die Nervengifte Pyrethroide und das Pyrethrum gehören zu den Kontaktgiften. Die neurotoxische Wirkung führt zu einem langsamen Tod der Schädlinge. Bei einer zu geringen Dosis des Giftes kann das Insekt sich mit Hilfe eines Enzymes entgiften. Deshalb setzt die Industrie Synergisten wie Piperonylbutoxid ein, um diesen enzymatischen Abbau zu verhindern. Die Wirkung wird beim Insekt verstärkt. Die Wirkungsdauer der Pyrethroide beträgt 2Wochen bis 5 Monate.

Gesundheitsschädigende Nebenwirkungen der Pyrethroide bei Tieren und Menschen: Die Anwendung sollte immer mit Handschuhen, Mundschutz und am besten noch mit Schutzbrille erfolgen. Bei unsachgemäßer Handhabung und wiederholter Anwendung oder wenn das Gift mit einer schon vorgeschädigten Haut in Kontakt kommt, kann es sowohl beim Tier als auch beim Menschen zu einer akuten Vergiftung mit neurotoxischen Symptomen kommen. Die Symptome sind je nach Schweregrad der Vergiftung Übererregbarkeit, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen, Krampfanfällen, Muskellähmungen, Augenreizungen und Missempfindungen der Haut. Die Pyrethroide können sich im Fettgewebe anreichern und so zu einer chronischen Vergiftung beitragen. Allergien können ausgelöst werden. Bekannt sind weiterhin die reproduktionstoxischen Effekte. Die Pyrethroide stehen unter Verdacht krebserregend zu sein und das Hormonsystem zu schädigen.

Umweltgefährlichkeit: Im Boden binden sich die Pyrethroide an Tonmineralien und Humusbestandteile. Ihre Halbwertszeit beträgt 30 Tage, an Pflanzenoberflächen 10 Tage. Pyrethroide dürfen nicht in Gewässer gelangen! Diese sind hochgiftig für aquatische Organismen. Pyrethroide werden durch Sonnenlicht relativ schnell abgebaut. Menschen sind dem Gift in UV-lichtarmen Innenräumen viel länger ausgesetzt aufgrund des verlangsamten Abbaus der Pyrethroide. Bei unkontrolliertem Verbrauch werden schützenswerte nicht Zielorganismen unter starken Schmerzen langsam getötet: Für Bienen, Wespen, Spinnen, Fliegen, Fische, Amphibien, Reptilien und Katzen ist diese Giftgruppe hochgiftig bis tödlich!

HISTORIE

Am 21.04.2015 hatte das Pestizid Aktions-Netzwerk Germany zusammen mit der Organisation Rettet den Regenwald eine erfolgreiche Kampagne gegen den Verkauf und die verharmlosende Bewerbung von Insektengift auf dem Grabbeltisch in den Geschäften von Aldi Nord geführt. Am 14.08.2015 findet die NABU-Fachgruppe Baumschutz – trotz erfolgreicher Kampagne – erneut literweise als Biozid verkauftes Insektengift auf dem Grabbeltisch von Aldi Nord: Ameisen Powerspray 750ml (Firma Solution Glöckner, als Angebot ab 23.07.2015), Ameisen Streu- und Gießmittel 250 Gramm (Gejo GmbH, als Angebot ab 13.08.2015) weitere Produkte: Insekten Spray 400ml und Wespenspray 400ml (beides der Firma Hast GmbH). Am 31.08.2015 fand der NABU in zwei Aldi-Filialen immer noch Biozide für den Einsatz gegen Ameisen, Wespen und andere Insekten, z.T. stark reduziert.
Pressemitteilung NABU Hamburg

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