NABU Hamburg fordert Erhalt des „Wilden Waldes“

Waldrodung für den Wohnungsbau schadet dem Klima gleich doppelt
Die Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, der der NABU angehört, reicht heute im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme zum B-Plan Entwurf Wilhelmsburg 102 ein. Der Bebauungsplan sieht die Rodung von über acht Hektar geschützter Waldflächen am Ernst-August-Kanal vor.

 

Der seit der Sturmflut 1962 aufgewachsene Wald bietet im dicht besiedelten Reiherstiegviertel einen unersetzbaren Rückzugsort für Mensch und Natur. Der NABU Hamburg lehnt die mit der geplanten Bebauung einhergehende Waldrodung ab.

„In Zeiten von Klimakrise und Biodiversitätsschwund ist es generell unverantwortlich und unzeitgemäß, Wälder als Kohlenstoffsenken und vielfältige Lebensräume zu Gunsten von Wohnungsbau- oder Infrastrukturvorhaben in Anspruch zu nehmen. Die rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass bis 2025 in jedem Bezirk mindestens eine neue Waldfläche entstehen soll, findet dafür aber nirgendwo geeignete Flächen. In Wilhelmsburg sollen jetzt gleich acht Hektar gerodet werden. Das ist vollkommen absurd und hat wenig mit umsichtiger und nachhaltiger Stadtentwicklungspolitik zu tun“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg.

Im Sinne des Klimaschutzes ist das Vorhaben gleich doppelt schädlich: Während die vielen Bäume für die Kompensation von CO2 wegfallen, ist der Bau von Wohnungen durch die sogenannte „graue Energie“ gleichzeitig sehr emissionsintensiv. Graue Energie beschreibt die Energiemenge, die für die Gewinnung, den Transport und die Verarbeitung von Rohstoffen notwendig ist. Sie ist die in Gebäuden gebündelte Energie, die für den Bau, die Herstellung und den Transport aufgewendet wurde und wird gegenwärtig noch nicht in die Klimabilanz der Hansestadt eingerechnet.

„In einem stark verdichteten Stadtteil wie Wilhelmsburg braucht es natürliche Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen. Das Waldstück ist die letzte naturnahe Fläche im Wilhelmsburger Norden. Ein natürlich aufgewachsener Wald ist zudem, ganz anders als eine Parkanlage oder Straßenbegleitgrün, ein wichtiger Lernort für Kinder, die in einem stark überformten und verdichteten Stadtteil sonst kaum Möglichkeiten haben, mit Natur in Berührung zu kommen“, sagt Frederik Schawaller, aus dem Leitungsteam der ehrenamtlichen NABU-Gruppe Süd.

Pressemitteilung NABU Hamburg


Keine Bebauung im Spreehafenviertel
BUND fordert Erhalt vom Wilden Wald
Für das Bauvorhaben „Neues Wohnen und Gewerbe“ im Spreehafenviertel sollen 8,5 ha Wald gerodet werden. Der BUND positioniert sich heute entschieden gegen das Bauvorhaben und reicht gemeinsam mit der AG Naturschutz eine Stellungnahme zum B-Plan Entwurf Wilhelmsburg 102 ein.

„Aus Klimaschutzsicht ist das Bauvorhaben eine Katastrophe und läuft komplett konträr zu den Hamburger Klimaschutzzielen. Neben dem offensichtlichen Verlust von Naturraum wird hier ein Neubaugebiet geplant, das völlig aus der Zeit gefallen ist. Es wird nicht einmal versucht, die Potentiale für klimagerechtes Bauen auszuschöpfen“, sagt Gisela Bertram, Biologin und stellvertretende Vorsitzende des BUND Hamburg.

Der BUND kritisiert vier entscheidende Punkte:

Klimaschutz:

„Unsere Waldgebiete sind von den Folgen der Klimakrise betroffen, dabei brauchen wir sie mehr denn je für den Klimaschutz. Wir müssen deshalb alles dafür tun, sie zu schützen,“ so Bertram. Ein neues Wohngebiet auf Kosten dieser Waldfläche zu bauen, sei unverantwortlich.

Auch die Klimabilanz gehe aus dem Bebauungsplan nicht hervor. Aus Sicht des BUND enthalten die Planunterlagen keinerlei Informationen zu den Treibhausgasemissionen, die das Neubauquartier während des Baus sowie nach der Fertigstellung verursachen wird. Katharina Thelosen, Referentin für Flächenschutz beim BUND Hamburg dazu: „Wir sehen hier einen Mangel in den Planunterlagen (Abwägungsmangel nach §214 BauGB) und sind der Meinung, dass der Bebauungsplan so nicht genehmigt werden kann.“

Energie

Die Chance, innovative Wege im Bereich Energie zu gehen, wird vertan: Die geplante Bauweise nach KfW 55 entspräche nur dem gängigen Standard von Neubauten. Auch für die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern macht der Bebauungsplan keine Vorgaben, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen.

Mobilität:

Die geplante Anbindung des Neubauquartiers sei rückschrittlich. Das Auto erhalte mit 4-5 Stellplätzen je 10 Wohneinheiten wieder einmal Vorrang vor dem Fahrrad, welches lediglich 2-3 Stellplätze im öffentlichen Raum erhielte. Die direkte Anbindung an S- oder U-Bahn ist laut BUND nicht gegeben. „Zur S-Bahnstation Veddel sind es mindestens 17 Minuten Fußweg und die U4-Verlängerung in Richtung Wilhelmsburg, auf die sich das Mobilitätskonzept beruft, steht aktuell noch in den Sternen. Damit ist das Auto wieder das attraktivste Fortbewegungsmittel, was sowohl der Mobilitätswende als auch dem Klimaschutz entgegensteht.“, sagt Thelosen.

Artenschutz:

„Der Wilde Wald enthält wertvolle Lebensräume für viele Arten und steht in Beziehung zu umliegenden Ökosystemen“, sagt Bertram. Unmittelbar von der Rodung betroffen wären Brutvögel und Fledermäuse. Als Beispiel nennt Bertram jedoch die Erdkröten, die in den umliegenden Gewässern nachgewiesen wurden und auch an Land, direkt im Wilden Wald, leben. So würden die Kröten, die eigentlich häufig sein sollten, es aber nicht mehr ist, sprichwörtlich weiter den Wald unter ihren Füßen verlieren.

Pressemitteilung BUND Hamburg


Wilder Wald Wilhelmsburg – Pressemitteilung des Botanischen Vereins
Für eine umfangreiche Wohnbebauung sollen ca. 9 ha Wald im nördlichen Wilhelmsburg gerodet werden – der einzige wilde Wald im Bezirk Mitte. Der Botanische Verein hat am Montag (4.9.2023) gemeinsam mit der AG Naturschutz eine umfangreiche Stellungnahme für den Erhalt des einzigartigen Waldes abgegeben. Sie umfasst Aspekte vom Artenschutz bis zum Klimaschutz.
Als Botanischer Verein ist es uns besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass der Wald spontan aufgewachsen ist. Dadurch ist hohe genetische Vielfalt gegeben – jeder Baum ist einzigartig, weil er nicht aus Baumschulzucht kommt. Die genetische Vielfalt ist Voraussetzung für eine Anpassungsfähigkeit an Klimaextreme wie Sturm und Trockenheit. Weiterhin sind die gesunden Eschen im Wilden Wald wichtig. Sie sind aufgrund ihrer genetischen Vielfalt widerstandsfähiger gegen das Eschentriebsterben.
In Wilhelmsburg laufen zurzeit viele Planungen, die alle auf Naturverlust hinauslaufen. Mittlerweile müssen wir uns schon um die Arten Sorgen machen, die eigentlich häufig sein sollten. Denn sie sind es nicht mehr, weil ihre Lebensräume zerschnittenen und zerstört werden. Umso wichtiger ist es, noch vorhandene zusammenhängende Lebensräume wie den Wilden Wald zu erhalten.
Der Wilde Wald ist seit 1962 in natürlicher Sukzession entstanden, verschiedene Sukzessionsphasen sind erkennbar. Der Wilde Wald ist Wildnis in der Stadt – die für Pflanzen, Tiere und auch uns Menschen lebensnotwendig ist. Hans-Helmut Poppendieck schrieb in dem Buch Baumland eine Passage über den Vollhöfner Wald, die genau so auch für den Wilden Wald in Wilhelmsburg steht: Dieser Wald zeigt uns, „dass biologische Vielfalt, dass Eigenart und Schönheit keine Leistungen sind, die in Auftrag gegeben oder eingefordert werden können, sondern Geschenke, die uns unverdientermaßen in den Schoß gefallen sind. Wir können sie bewahren oder verspielen. Wir haben die Wahl.“

Der Botanische Verein fordert, den Wilden Wald in Wilhelmsburg unangetastet zu lassen. Wir brauchen ihn. Vorstand des Botanischen Vereins zu Hamburg Auf unserer Website https://www.botanischerverein.de/aktuelles/wilder-wald-wilhelmsburg-pressemitteilung-des-botanischen-vereins-sowie-mitglieder-des-bot-vereins-zum-thema-wilder-wald haben wir eine Sammlung von Gedanken, Positionen und Argumenten für den Erhalt des Wilden Waldes zusammengestellt.

Pressemitteilung Botanischer Verein zu Hamburg

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