Krüger: Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft umsetzen und Tierwohlabgabe einführen
Infolge der Bauernproteste treffen sich die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen heute zu Gesprächen mit den Vorsitzenden der Landwirtschaftsverbände. Zu diesem Anlass appelliert der NABU an die Ampelkoalition, die verbleibende Regierungszeit zu nutzen, um die Weichen für einen echten Wandel in der Agrarpolitik zu stellen.
Konkret fordert er Maßnahmen gegen die Klimakrise und den Verlust von Arten und Lebensräumen, wie sie im Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) festgehalten sind.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Der Frust ist groß. Landwirtschaft und Naturschutz kritisieren seit Jahren die fehlende Zukunftsorientierung der Agrarpolitik und die überbordende Bürokratie. Während die Situation für Natur und Klima und auf den Höfen immer schwieriger wird, verweigern Bundes- und Landesregierungen die Arbeit am langfristigen Wandel in der Landwirtschaft. Ziel muss es sein, Landwirtinnen und Landwirte für ihre Leistungen für Tierwohl, Klima, Umwelt und Natur zu honorieren, wo dies der Markt nicht tut. Wege dahin haben Vertreterinnen und Vertreter aus Naturschutz, Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft im Schulterschluss der Zukunftskommission Landwirtschaft aufgezeigt. Es ist endlich an der Zeit, ihren Abschlussbericht aus der Schublade zu holen und an der Umsetzung der Empfehlungen zu arbeiten.”
Wie von der ZKL vorgesehen, sollen sich öffentliche Gelder konsequent und vollständig an Gemeinwohlleistungen wie dem Naturschutz ausrichten und diese Leistungen der Landwirtschaft betriebswirtschaftlich attraktiv honorieren – etwa für die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, die Wiedervernässung von Mooren oder die Anlage von Flächen für den Schutz der Artenvielfalt. Zusätzlich spricht sich der NABU auch für die Einführung einer Tierwohlabgabe aus, um den Umbau der Tierhaltung angemessen und gesichert zu finanzieren. Diese würde Tierhaltern echte Perspektiven bieten, ihre Existenzgrundlage zu sichern und ihren Betrieb klima- und umweltschonend weiterzuentwickeln.
Mit einem Appell wendet sich Krüger direkt an die Ampelkoalition: “In ihrem Koalitionsprogramm haben Sie sich einst vorgenommen, „mehr Fortschritt“ zu wagen. Ihr Zeitfenster für echte Veränderungen wird enger. Wir appellieren an Sie: Bringen Sie den nötigen Mut und Gestaltungswillen auf und machen Sie die Landwirtschaft ökologisch wie ökonomisch zukunftsfähig.“
Hintergrund
Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist ein Beratungsgremium mit mit Vertreterinnen und -vertretern aus Landwirtschaft, Naturschutz, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Bunderegierung hat sie im Juli 2020 mit dem Auftrag ins Leben gerufen, „Empfehlungen und Vorschläge zu erarbeiten, um eine nachhaltige, das heißt ökologisch und ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland auch in Zukunft zu ermöglichen“. Die ZKL trat im September 2020 zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Im September 2022 bat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Mitglieder, ihre Arbeit fortzusetzen.
Die Tierwohlabgabe ist eine Abgabe für Verbraucherinnen und Verbraucher auf tierische Produkte wie Fleisch, Wurst und Milch. Sie soll den Umbau hin zu einer artgerechteren Tierhaltung finanzieren und landwirtschaftliche Betriebe bei der klima- und umweltschonenden Weiterentwicklung ihres Betriebs unterstützen.
Pressemitteilung NABU
Höchste Zeit für mehr Tierwohl!
„Nutztiere – Mehr als eine Frage der Haltung“ – Buchvorstellung zum Umbau der Tierhaltung
Tierhaltung und Tierwohl – geht das überhaupt zusammen? Eine Frage, die auch im Rahmen der Grünen Woche wieder heiß diskutiert werden wird. Und eine Frage, die Bernward Geier, Stefanie Pöpken und Renate Künast mit dem von ihnen herausgegebenen Buch „Nutztiere – Mehr als eine Frage der Haltung“ eindeutig bejahen. Die Argumente und Belege, wie das gelingen kann, haben sie heute bei der Buchvorstellung beim NABU in Berlin zusammen mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Ophelia Nick dargelegt.
Immer wieder erreichen Informationen und Bilder von schlimmsten Zuständen und dies vor allem in industriell ausgerichteten landwirtschaftlichen Betrieben die Öffentlichkeit. Diese inakzeptable und tierquälerische Haltungsform darf und muss nicht sein, wenn sich die Tierhaltung konsequent am Tierwohl ausrichtet. In dem Buch „Nutztiere – Mehr als eine Frage der Haltung“ zeigen 13 renommierte Expertinnen und Experten anhand zahlreicher Alternativen insbesondere, aber nicht nur im biologischen Landbau, dass es auch anders geht: „Es ist überfällig, endlich konsequent die Nutztierhaltung von der Tierqual zu immer mehr Tierwohl zu transformieren. Die vielen Lösungen im Buch zeigen nicht nur, wie es geht, sondern motivieren auch, es zu tun“, so einer der Herausgeber Bernward Geier. Die Agrarwissenschaftlerin Stefanie Pöpken ergänzt: „Wir dürfen den Umbau der Tierhaltung hin zu höheren Tierwohlstandards nicht nur als alleinige Aufgabe der Landwirtschaft verstehen. Sie muss auch von der gesamten Gesellschaft mitgetragen werden.“
Für die Politik heißt das: vom Dilemma zu regulatorischen Lösungen. Renate Künast, ebenfalls eine der Herausgeberinnen: „Die gesellschaftliche ‚Betriebserlaubnis‘ für den Großteil der heutigen Tierhaltung ist faktisch beendet. Wir müssen den Umbau der Tierhaltung nun gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern meistern.“ Die längst überfälligen Transformationsschritte zum Wohle der landwirtschaftlichen Nutztiere müssen endlich in die Tat umgesetzt werden. Ophelia Nick, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, fordert: „Wir brauchen die Tierhaltung im Kreislauf. Aber man kann eben einen Unterschied machen, wie die Tiere in der Landwirtschaft gehalten werden. Ich freue mich, dass so viele schöne Beispiele in diesem Buch zusammengekommen sind. Sie zeigen: Es geht auch anders.“
Die Fehlentwicklungen in der Nutztierhaltung spiegeln sich anschaulich im Begriff Tierproduktion, was entlarvende Ehrlichkeit ist, denn praktiziert wird weitgehend nicht artgerechte Tierhaltung, sondern vor allem eine rein am kurzfristigen Profitinteresse ausgerichtete Produktion von Tieren bzw. präziser von Fleisch, Milch oder Eiern. Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Gastgebers NABU, betont die Verbindung von Tierhaltung und Naturschutz und führt dazu u.a. aus: „Besonders die Rinderbestände müssen an das vorhandene Grünland angepasst werden. Das bedeutet automatisch mehr Tierwohl, Natur- und Klimaschutz. Ein Umbau der Tierhaltung in der Breite erfordert auch neue Finanzierungslösungen. Eine Tierwohlabgabe, wie sie die Borchert-Kommission empfiehlt, wäre ein zukunftsweisender Schritt.“
Das Buch „Nutztiere“ erscheint am 15. Januar, liefert faktenbasierte Argumente für die dringende Transformation und zeigt viele praxisbewährte und ökonomisch erfolgreiche Wege auf, wie man mit konsequentem Tierwohl den Auswirkungen der fälschlicherweise „modern“ genannten Tierproduktion Einhalt gebietet. Mit Beiträgen von Udo Censkowsky, Angela Dinter, Rupert Ebner, Franz-Theo Gottwald, Martin Häusling, Edna Hillmann, Ophelia Nick, Gerold Rahmann, Christopher Schümann, Hartmut Vogtmann.
Pressemitteilung NABU
Siehe auch: /2023/12/buchtipp-es-braucht-mut-zum-wohl-der-nutztiere/