NABU Hamburg zieht Zwischenbilanz nach zwei Jahren rot-grüner Regierung: Mehr Druck auf Hamburgs Grün/ Neue Autobahn /Hafenluft zu dreckig /Positiv: Pflegerückstau im Naturschutz verringert
Der NABU zieht nach zwei Jahren rot-grüner Regierung eine kritische Zwischenbilanz der Senatspolitik in Hamburg. „In den ersten zwei Jahren ist der Druck beim Grünflächen-Verbrauch noch einmal angestiegen“, stellt Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg, fest. „Auch die Hafenluft ist noch viel zu dreckig. Und wer jetzt noch neue Autobahnen durch Hamburg plant, der lebt noch in der Wertewelt der siebziger Jahre“, kritisiert Porschke und ergänzt: „Zum Glück gibt es wenigstens Lichtblicke bei Pflege und Unterhaltung von Hamburgs Naturschätzen.“
Mit Blick auf den Natur- und Umweltschutz in Hamburg muss der Senat nach Ansicht des NABU bei folgenden Punkten noch deutlich nachbessern:
Bündnis für das Wohnen
Beim Wohnungsbau lässt sich eine bedrohliche Entwicklung feststellen. Mehr Grün soll dem Bauboom weichen. Der Senat will Bauprojekte sprießen lassen: in Landschaftsschutzgebieten, in Landschaftsachsen und in stadtklimatisch wichtigen Grünachsen – auf Flächen also, die sogar nach dem Koalitionsvertrag schützenswert sind. Mit dem „Bündnis für das Wohnen“ hat man festgeschrieben, dass für Wohnungsbau jährlich 67 ha Flächen genutzt werden sollen. Ein Flächenfraß, der Hamburg jedes Jahr grauer werden lässt. Wenn das so weiter geht, sind die im Flächennutzungsplan der Siedlungsentwicklung gewidmeten Teile der Stadt in zehn Jahren verbraucht, stellt der NABU fest.
Hafenpassage (ehemals Hafenquerspange)
Der Rot-Grüne Senat will die ca. eine Milliarde Euro teure Autobahn A26 Ost bauen. Abgesehen von einem mangelnden Bedarf handelt es sich bei der geplanten südlichen Querung zwischen A7 und A1 durch den Raum Moorburg um die naturfeindlichste Trasse. Dass dabei wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen zubetoniert und Steuergelder für eine doppelte Infrastruktur (durch den anstehenden Neubau der Köhlbrandbrücke) verschwendet werden, trifft beim Senat auf taube Ohren. Und ein Autobahnbau, der zur Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Straße führt, passt ganz sicher nicht zu den verkündeten Klimaschutzzielen.
Saubere Hafenluft
Im Schneckentempo kommt beim Senat das Thema Luftreinheit im Hafen voran, obwohl gerade die Hafenluft besonders dreckig ist. Positiv zu bewerten sei zwar, dass jetzt unter dem Dach der HPA ein zentral organisiertes Flottenmanagement für Behördenschiffe unterschiedlicher Zuständigkeiten wie Wasserschutzpolizei, Feuerwehr oder der HPA-eigenen Schiffe entstanden ist. Dadurch würden zunehmend mehr Abgasnachbehandlungstechnik wie Partikelfilter oder Katalysatoren verbaut werden. Auch die Betankung der Flotte mit dem saubereren Bio-Kraftstoff „Gas-to-Liquid“ sei ein Schritt in die richtige Richtung. Jedoch stoße die große Mehrheit der Fahrgastschiffe, HADAG-Fähren und Schlepper noch immer gesundheitsgefährdende Abgase aus – wie eh und je. Bei neuen Konzessionen oder Verträgen, zum Beispiel mit Schlepper-Firmen, sollten saubere Abgastechnik und besserer Kraftstoff verpflichtend vorgeschrieben werden. Auch die neue Landstromanlage am Kreuzfahrtterminal Altona hätte das Potential, viel zur Luftreinheit beizutragen. Sie müsste allerdings auch genutzt werden. Hierzu dürfte der Senat aber nicht nur die wirtschaftliche Bestrebung verfolgen, immer mehr Kreuzfahrtschiffe nach Hamburg zu locken, sondern müsste auch dafür sorgen, dass die Schiffe zum Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger diese Anlage verbindlich nutzen.
Elbvertiefung
Bürgermeister Scholz und Senator Horch wollen die Elbe ausbaggern und setzen alles daran, die Elbe ein neuntes Mal zu vertiefen. Und dass, obwohl der Containerumschlag seit rund neun Jahren unter 10 Mio. TEU geblieben ist und auch die größten Schiffe den Hamburger Hafen anlaufen. Die Auswirkungen der Elbvertiefung für die Natur werden unterschätzt, kleingeredet oder ignoriert. Und sogar bei gesetzlich vorgeschriebenen Kompensationsmaßnahmen musste das Bundesverwaltungsgericht Etikettenschwindel feststellen. Der Bürgermeister will sich aber vom „Baggerkurs“ nicht abbringen lassen, koste es, was es wolle.
Naturcent
Nach vielen Diskussionen und handfestem Koalitionskrach hat sich der Senat dazu durchgerungen einen Naturcent einzuführen. Der Druck auf den Naturhaushalt durch die zusätzliche Bebauung soll durch ökologische Aufwertungsmaßnahmen abgemildert werden. Grundsätzlich ist dieser Schritt zu begrüßen. Mit drei Millionen Euro pro Jahr in den nächsten drei Jahren kann einiges für Naturschutzgebiete und das öffentliche Grün getan werden. Wermutstropfen ist hier, dass dauerhaft fließendes Geld mit dauerhaft verschwundenen Grünflächen erkauft wird. Jetzt kommt es darauf an zu verhindern, dass die Mittel für andere Ziele zweckentfremdet oder andere Haushaltsmittel für den Naturschutz gestrichen werden.
Naturschutzgebiet Allermöher Wiesen
Mit der rechtlichen Ausweisung des Naturschutzgebietes Allermöher Wiesen hat der rot-grüne Senat die dort entstandenen neuen Lebensräume für bedrohte Wiesenvögel gesichert. Bleibt zu hoffen, dass dem Senat sein Vorzeigeprojekt wirklich am Herzen liegt und es nicht nur ausgewiesen hat, sondern auch langfristig schützt und entwickelt. Gleich angrenzend wird gerade ein Gleisdreieck für bis zu 3.000 Menschen bebaut und daneben soll der neue Stadtteil Oberbillwerder mit bis zu 7.000 Wohnungen entstehen. Wie dieses Nebeneinander von Natur- und Siedlungsraum funktionieren soll, ist die nächste große Aufgabe, die es zu lösen gilt.
Umweltverträgliche Windenergie
Der Senat setzt auf Windkraftenergie und hat bereits zahlreiche Flächen für den Bau von neuen Windkraftanlagen ausgewiesen. Grundsätzlich unterstützt auch der NABU alternative Energiegewinnung nur naturverträglich muss sie sein. Dieser Aspekt hat sich beim rot-grünen Senat noch nicht ausreichend verankert. Zum Beispiel konnte der NABU erst durch ein Widerspruchverfahren erreichen, dass Auflagen zum Uhu-Schutz in ein Genehmigungsverfahren aufgenommen wurden.
Neuerdings werden außerdem Baugenehmigungen für Storchen-Nisthilfen gefordert. So entsteht eine ernsthafte Behinderung des Storchenschutzes, der bisher ohne diese bürokratischen Behinderungen wiederholt mit Fototerminen des Bürgermeisters beworben wurde.
Baumschutz und -ersatz
Vor gut einem Jahr verkündete der Senat mehr Geld für Straßenbäume zur Verfügung zu stellen. Ein guter Anfang, um Grün im Stadtbild zu erhalten, aber noch unzureichend, wenn die Stadt langfristig nicht grauer werden soll: Dem Senatsversprechen „Mehr Straßenbäume für Hamburg“ standen in der Baumfäll-Saison 2016/2017 mehr als 2.500 gefällte Bäume gegenüber – viele davon gingen durch Baumaßnahmen verloren. Für nur knapp 30% sind Nachpflanzungen geplant. Das bereitgestellte Budget zeigt, dass der Senat eine Notwendigkeit sieht, die Straßenbäume in der Stadt zu erhalten. Dennoch wird deutlich mehr gefällt als gepflanzt.
„Umweltpolitische Zielvorgaben und Grenzwerte zu Luftreinhaltung, Gewässer- oder Klimaschutz scheinen Bürgermeister und Wirtschaftssenator als eher unverbindlich anzusehen. Dann müssen sie sich nicht wundern, wenn sie wiederholt vor Gericht abgemahnt werden“, meint Alexander Porschke abschließend. „Drei Jahre hat der amtierende Senat noch Zeit, mehr Verantwortung für Natur- und Umweltschutz zu übernehmen.“
Pressemitteilung NABU Hamburg