Fluglärmbilanz 2024: Weniger Beschwerden bedeuten nicht weniger Belastung
Die heute vom Hamburger Senat präsentierte Fluglärmbilanz für 2024 zeichnet ein verzerrtes Bild der Situation rund um den Flughafen Hamburg. Zwar ist die Zahl der Fluglärmbeschwerden erneut gesunken, doch deutet dies nicht auf eine Verbesserung der Belastungssituation hin. Vielmehr zeigt sich eine zunehmende Resignation unter den Betroffenen, da Beschwerden ganz offensichtlich keine spürbaren Veränderungen bewirken.
Die Zahl der Nachtflüge hat sich weiter deutlich und unverhälntismäßig erhöht, was die Gesundheits- und Lebensqualität vieler Hamburgerinnen und Hamburger und von den Betroffenen im Umland massiv beeinträchtigt.
Rekordwerte bei verspäteten Nachtflügen und Ausnahmegenehmigungen
Martin Mosel, Vorsitzender von BIG Fluglärm in Hamburg und Mitglied der Hamburger Fluglärmschutzkommission, kommentiert: „Die sinkende Zahl der Beschwerden ist kein Grund zur Entwarnung. Vielmehr zeigt sie, dass viele Bürgerinnen und Bürger keinen Sinn mehr darin sehen, sich gegen den stetig wachsenden Fluglärm zur Wehr zu setzen. Besonders die Zunahme der Nachtflüge ist untragbar und widerspricht den berechtigten Ansprüchen der Menschen auf Ruhe und Gesundheit. Der Senat muss endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Fluglärmbelastung zu reduzieren, statt auf Resignation zu hoffen.“
Die heute veröffentlichte Fluglärmbilanz des Senats bestätigt klar die Ergebnisse der BIG-Bilanz zur Entwicklung des Fluglärms 2024, die letzte Woche vorgestellt wurde. Der Umweltverband dokumentiert darin eine deutliche Zunahme der Belastung durch die Nachtflüge, die vor allem in dicht besiedelten Stadtteilen Hamburgs und im Umland spürbare Auswirkungen auf die Gesundheits- und Lebensqualität hat. Laut BIG-Bilanz hat sich die Zahl der verspäteten Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht und 2024 ein neues Rekordniveau erreicht. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass auch nach 24 Uhr 42 Flugbewegungen verzeichnet wurden, ein unverhältnismäßiger Rekordwert zu den Vorjahren, der die Nachtruhe massiv beeinträchtigt. Diese Entwicklung zeigt klar auf, dass die bestehenden Regelungen zur Fluglärmminderung vollkommen unzureichend sind und die Versprechungen der Parteien und Behörden gebrochen werden.
Die BIG fordert den Hamburger Senat auf, die Probleme rund um den Fluglärm mit mehr Entschlossenheit anzugehen. Dazu gehören:
1.Sofortige Verschärfung der Verspätungsregelungen: Eine deutliche Einschränkung der Starts und Landungen in den Nachtstunden ist unabdingbar, um die Gesundheit der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Mittelfristig muss ein konsequentes Nachflugverbot von 22 bis 6 Uhr folgen.
2.Sanktionen für Fluggesellschaften bei Verspätungen: Fluggesellschaften, die systematisch verspätet starten oder landen, müssen empfindlich sanktioniert werden, um das Problem an der Wurzel zu bekämpfen.
3.Transparente Bearbeitung von Beschwerden: Es muss klar kommuniziert werden, wie Beschwerden bearbeitet und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Nur so können Vertrauen und Motivation der Betroffenen gestärkt werden.
„Die Zahlen des Senats und der BIG-Bericht zeigen deutlich, dass vor allem bestimmte Stadtteile und das Umland unverhältnismäßig belastet werden und mutwillig Gesundheitsschäden der Bevölkerung in Kauf genommen werden. Doch statt hier anzusetzen, wird die Verantwortung auf die Betroffenen abgewälzt. Wir fordern den Senat auf, endlich ernsthafte Schritte zur Verbesserung der Gesundheits- und Lebensqualität der Menschen in Hamburg und Umgebung einzuleiten“, so Martin Mosel abschließend.
Mehr Hintergründe und Studien unter: www.big-fluglaerm.de
Pressemitteilung Umweltverband BIG-Fluglärm in Hamburg
Verbände fordern „Roadmap klimaneutraler Flugverkehr“ von künftiger Bundesregierung
Das vergangene Jahr war das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, die Erderwärmung lag erstmals ganzjährig über 1,5 Grad. Der Flugverkehr trägt erheblich zu diesem Temperaturanstieg bei. Die Umweltverbände DNR (Deutscher Naturschutzring) und Germanwatch, der ökologische Verkehrsclub VCD sowie die Bundesvereinigung gegen Fluglärm und T&E (Transport&Environment Deutschland) fordern von der künftigen Bundesregierung eine „Roadmap für einen klimaneutralen Flugverkehr“ und Maßnahmen zur Reduzierung von Fluglärm und Luftverschmutzung.
Fliegen ist die klimaschädlichste Form des Reisens. Global trägt der Flugverkehr mit einem Anteil von mehr als sieben Prozent zur globalen Erwärmung bei. Die Passagierzahlen haben wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht und in den kommenden Jahren wird ohne Gegenmaßnahmen ein immer weiteres starkes Wachstum der Flugemissionen erwartet. Auch die Luftfahrt muss die nationalen Klimaziele bis 2045 und das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 einhalten. Darüber hinaus beeinträchtigt der Flugverkehr durch Lärm und Luftschadstoffe auch die Gesundheit von Menschen im Umfeld von Flughäfen.
Um die negativen Folgen des Fliegens zu verringern, braucht es nicht nur die Umstellung auf klimaneutrale Flugtreibstoffe, technische Maßnahmen an Flugzeugen oder optimierte Flugrouten. Auch die Verlagerung von Kurz- und Mittelstreckenflügen auf die Bahn und eine Reduktion der Flugleistung sind notwendig – nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil klimaneutrale Kraftstoffe begrenzt und teuer sind und technische Maßnahmen erst langfristig wirken.
Konkret fordern die Verbände von der künftigen Bundesregierung:
-Eine Roadmap klimaneutraler Luftverkehr, die die Maßnahmen skizziert, mit denen der Luftverkehr bis 2045 das Ziel der Klimaneutralität erreichen kann.
-Eine Strategie zur Reduzierung des Fluglärms mit dem Ziel, bis 2040 eine Minderung um mindestens 30 Prozent zu erreichen.
-Ein Handlungskonzept zur Verringerung der Luftverschmutzung im Umfeld von Flughäfen.
Die Politik muss den Ausbau von Kapazitäten für die Produktion strombasierter Flugtreibstoffe (E-Kerosin) vorantreiben. Dies muss auch durch entsprechende steuerliche Maßnahmen flankiert werden. Darum sind u.a. die Weiterentwicklung der nationalen Luftverkehrssteuer sowie des Europäischen Emissionshandels unverzichtbar. Dies trägt dazu bei, Anreize für einen schnellen Umstieg auf strombasierte Treibstoffe zu schaffen, das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 einzuhalten und Steuergerechtigkeit mit anderen Verkehrsträgern herzustellen. Darüber hinaus müssen Steuerprivilegien und Subventionen für den Flugverkehr schrittweise abgebaut werden. Dazu gehören insbesondere die Steuerfreiheit auf Kerosin und auf internationale Flugtickets und die Deckelung der Luftverkehrssteuer.
Um innerdeutsche Flüge sowie Flüge ins europäische Ausland auf die Bahn zu verlagern, sind attraktive Zugangebote nötig. Die künftige Regierung muss den notwendigen Rahmen für den Ausbau von Bahnverbindungen auf den Hauptflugrouten schaffen – mit attraktiven Tag- und Nachtzugverbindungen.
Darüber hinaus müssen auch die Lärmbelastung sowie der Ausstoß von Ultrafeinstaub durch Flugzeuge verringert werden. Dazu wird ein strengeres Fluglärmschutzgesetz benötigt, das die Anwohner*innen in der Nähe von Flughäfen besser schützt. Außerdem fordern die Verbände eine Initiative auf europäischer Ebene, um den Schwefel- und Aromaten-Gehalt von Kerosin zu begrenzen. Schwefelarmes Kerosin verringert nicht nur den Feinstaubausstoß, sondern auch die Nicht-CO2-Effekte vor allem durch verminderte Bildung von Kondensstreifen.
Statt die Herausforderungen anzugehen, jammert die Luftfahrtindustrie über angeblich hohe Kosten und fordert die Abschaffung der Luftverkehrsteuer. Dabei erhöht diese den Ticketpreis für europäische Flüge um gerade einmal drei Euro, was niemanden vom Fliegen abhält. Die Politik darf sich nicht zum Steigbügelhalter kurzsichtiger Profitinteressen der Luftfahrtbranche machen, sondern sollte mit einem klugen Gesamtkonzept den Weg für klimaneutrales Fliegen ebnen sowie die Lärm- und Abgasbelastung reduzieren. Anknüpfungspunkte hierfür liegen in den Wahlprogrammen der demokratischen Parteien vor.
Mehr Informationen: https://www.fluglaerm.de
Pressemitteilung Bundesvereinigung gegen Fluglärm / VCD