Naturschutz bleibt Nebensache

NABU Hamburg zum Koalitionsvertrag von SPD und Grünen
Der NABU Hamburg hat den Koalitionsvertrag mittlerweile eingehender geprüft und zeigt sich aus ökologischer Perspektive insgesamt enttäuscht von der rund 150-seitigen Arbeitsgrundlage der Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen. „Während frühere Verträge der Bedeutung von Natur- und Artenschutz noch Raum gaben, wird er diesmal kaum mehr als Randnotiz behandelt.

 

Es entspricht leider dem allgemeinen politischen, gesellschaftlichen und medialen Trend, Klima- und Naturschutz insgesamt deutlich weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist kurzsichtig und genau das macht es so gefährlich“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg. Statt eines Aufbruchs erlebe man einen Rückschritt bei gleichzeitiger Abwicklung ökologischer Verantwortung – scheibchenweise und stillschweigend.

Zwar enthält der Koalitionsvertrag einige positive Ansätze – wie etwa das Stadtbaumkonzept, die Priorisierung der Innen- vor der Außenentwicklung und Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr. Doch insgesamt fällt die ökologische Bilanz aus Sicht des NABU ernüchternd aus. Während die Klimakrise erkannt und der Ausbau erneuerbarer Energien betont wird, bleibt der Naturschutz weitgehend ausgeklammert. Wichtige Strategien zum Erhalt der Biodiversität sowie zum Schutz von Mooren und Wäldern fehlen ebenso wie konkrete Ziele, verbindliche Zeitpläne oder Flächenvorgaben. Statt klarer Verpflichtungen enthält der Koalitionsvertrag überwiegend vage Formulierungen und Prüfaufträge ohne zeitliche oder inhaltliche Substanz. Schlüsselinstrumente wie eine Biodiversitäts- oder Moorschutzstrategie sucht man ebenso vergeblich, wie eine Positionierung von Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Wiederherstellungsverordnung.

Widersprüchlich ist zudem das Festhalten an ökologisch bedenklichen Großprojekten wie der A26 Ost oder neuen Baugebieten auf der grünen Wiese wie Oberbillwerder und den Fischbeker Reethen, wenn gleichzeitig ein erklärtes Ziel der schonende Umgang mit wertvoller Fläche sein soll. Auch das überholte Hafenentwicklungsgesetz, das ausschließlich hafenaffine Nutzung im Hafengebiet erlaubt, bleibt unangetastet, obwohl sich Bedeutung des Hamburger Hafens in mehrfacher Hinsicht fundamental verändert. Das veraltete Gesetz verhindere Wirtschaftsansiedlung dort, wo Fläche bereits verdichtet ist und begünstigt so Neuansiedlungen im Außenbereich – unbeachtet von der Öffentlichkeit und zulasten wertvoller Naturflächen.

Besonders kritisch sieht der NABU Hamburg die geplante „Planungsbeschleunigung“. „Wir befürworten schnellere Planungsverfahren. Doch was hier als Beschleunigung verkauft wird, ist in Wahrheit ein Abbau umweltrechtlicher Standards“, warnt Siegert. Vereinfachte Umweltprüfungen und die Schwächung des Verbandsklagerechts könnten langfristig gravierende Folgen für Hamburgs Natur haben. „Der Rückbau rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen öffnet Tür und Tor für Projekte ohne fundierte ökologische Bewertung – zulasten von Natur, Rechtsstaat und Gesellschaft“, so Siegert. Die Koalitionäre stellen damit nach Auffassung des NABU unter Beweis, dass sie weder den ethischen noch den ökonomischen Wert von Natur wirklich verstanden haben. Denn der Mensch könne sich zwar Klimaveränderungen anpassen, einen fortschreitenden Verlust von Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt- auch bei uns- kann die Menschheit jedoch nicht verkraften.

Für den NABU Hamburg ist der Koalitionsvertrag ein Dokument verpasster Chancen – visionslos, mutlos und ohne einen wirklich sichtbaren ökologischen Kompass. Er fordert die neue Koalition deswegen auf, noch während der Legislaturperiode deutlich nachzuschärfen.

Pressemitteilung NABU Hamburg

Dieser Beitrag wurde unter Klima / Energie / Umwelt, Natur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.