Hamburg stärkt den Wohnungsbau und ermöglicht als eines der ersten Länder innovatives und vielfältiges Bauen mit Holz
Am 1. Mai ist die am 23. Januar von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene, umfassende Änderung der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) in Kraft getreten. Neben der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sollen die vorgesehenen Gesetzesänderungen vor allem den Wohnungsbau erleichtern.
Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt: „Mit der jetzt in Kraft getretenen Novelle der Hamburgischen Bauordnung erhält der Wohnungsbau neue Impulse. Nach intensiver Diskussion schaffen wir zusätzliche Anreize für das Bauen im Bestand – etwa durch den Ausbau von Dachgeschossen oder durch Aufstockungen. Dabei freut es mich besonders, dass Hamburg das zweite Land ist, das eine fortschrittliche Regelung für das Bauen mit Holz geschaffen hat und dadurch den Einsatz von Holz für größere Bauvorhaben vor allem im Wohnungsbau enorm erleichtert.“
Als eines der ersten Länder schafft Hamburg neue Möglichkeiten für vielfältiges und innovatives Bauen mit Holz: So darf Holz zukünftig auch für Bauvorhaben mit einer Höhe von bis zu 22 Metern – das entspricht etwa 6 bis 7 Stockwerken – genutzt werden. Bisher war dies nur bei Gebäuden mit bis zu drei Stockwerken möglich. Durch den Einsatz von Holz können Bauteile vorgefertigt werden. Dies beschleunigt den Bauprozess und senkt in vielen Fällen die Baukosten, insbesondere im Geschosswohnungsbau. Auch Bauvorhaben im Bestand, wie zum Beispiel nachträgliche Dachaufstockungen, können von der Zulassung der Holzbauweise profitieren: Im Hinblick auf die statischen Nachweise der vorhandenen Bauteile bietet die Holzbauweise gegenüber schwereren Konstruktionssystemen Vorteile.
Bei Aufstockungsmaßnahmen erwies sich bisher insbesondere die Pflicht zum Einbau von Aufzügen in Gebäuden oberhalb einer Höhe von 13 Metern als Kostentreiber. Die geschätzten Baukosten für den Aufzug selbst und notwendige Umbaumaßnahmen im Treppenraum liegen bei etwa 70.000 bis 100.000 Euro pro Gebäude. Um dem entgegenzuwirken, erlaubt es eine weitere geänderte Regelung der Hamburgischen Bauordnung, auf neue Aufzüge oder das Erweitern einer bestehenden Aufzugsanlage zu verzichten, wenn durch Dachausbauten oder Aufstockungen neuer Wohnraum entsteht.
Damit nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsgebäuden nicht an der fehlenden Zustimmung der betroffenen Nachbarn scheitert, ist § 6 (Abstandsflächen) geändert sowie ein neuer § 74 a (nachträgliche Wärmedämmung) eingeführt worden. Durch diese Änderung werden innerhalb eines vertretbaren Rahmens nachträgliche Wärmedämmmaßnahmen an Bestandsgebäuden auch bei Unterschreiten der Mindestabstandsflächen sowie bei der Überbauung der Grundstücksgrenze ermöglicht, ohne dass es einer Zustimmung des betroffenen Nachbarn bedarf.
Des Weiteren schafft Hamburg durch veränderte Vorschriften zur Grundstückserschließung die Möglichkeit, Bauvorhaben in größerem Umfang als bisher zu realisieren. Vorhaben, die nicht durch einen öffentlichen Weg erschlossen sind und nur mit großem Aufwand zu erschließen wären, profitieren von dieser Änderung. Dies betrifft sowohl Einzelhäuser als auch den Geschosswohnungsbau.
Auch im Bereich der Barrierefreiheit wirken sich die Änderungen der neuen HBauO aus. So war es bisher erforderlich, alle barrierefreien Wohnungen eines Gebäudes im selben Geschoss zu bauen. Zukünftig können die Wohnungen auch über mehrere Geschosse verteilt werden. Bauherren erhalten dadurch größere Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Vorhaben. In vielen Fällen kann dies darüber hinaus zu einer Kostensenkung führen. Einschränkungen bezüglich der Barrierefreiheit sind mit der neuen Regelung nicht verbunden.
Im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens werden in Zukunft auch die Belange des Baumschutzes geprüft. Diese Änderung stellt sicher, dass genehmigte Bauvorhaben nicht mehr daran scheitern oder nur zeitlich verzögert realisiert werden können, weil es an einer Fällgenehmigung für Bäume auf dem Baugrundstück fehlt.
Weitere Änderungen dienen der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Hier schafft Hamburg eine neue Grundlage für den Einsatz von Bauprodukten. Darüber hinaus wird das Baugenehmigungsverfahren zur Umsetzung der europäischen Seveso III Richtlinie um eine Öffentlichkeitsbeteiligung ergänzt, soweit sich ein Bauvorhaben im Einzugsbereich eines Störfallbetriebs befindet.
Die Hamburgische Bauordnung ist – wie das gesamte hamburgische Landesrecht – im Internet unter www.landesrecht-hamburg.de zugänglich.
Hintergrund: Hamburgische Bauordnung (HBauO)
Zum öffentlichen Baurecht zählen zwei große Rechtsbereiche: das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht. Während das Bauplanungsrecht festlegt, ob eine bestimmte Nutzung von Grund und Boden zulässig ist, regelt das Bauordnungsrecht die zur Gefahrenabwehr notwendigen Anforderungen an das einzelne Bauwerk und bezieht dabei seine engere Nachbarschaft ein. Das Bauordnungsrecht enthält alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die beim Errichten, Nutzen, Ändern und Abbrechen einzelner baulicher Anlagen beachtet werden müssen. So soll einer möglichen Gefährdung von Menschen und Sachgütern sowie der natürlichen Lebensgrundlagen vorgebeugt werden, unzumutbare Belästigungen vermieden und den sozialen und baupflegerischen Belangen genügt werden.
Im Gegensatz zum Bauplanungsrecht, welches der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt, stellt das Bauordnungsrecht einen der wichtigsten Rechtsbereiche dar, der in der Regelungskompetenz der Länder liegt. Die Regelungen des Bauordnungsrechts bestimmen wesentlich die konkrete Gestaltung baulicher Anlagen und damit das Stadt- und Ortsbild. Insofern betrifft das Bauordnungsrecht alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Weiterhin hat das Bauordnungsrecht eine hohe Bedeutung für alle Bauherren von Neubau- oder Modernisierungsvorhaben und für die am Baugeschehen Beteiligten, wie Architekten, Bauingenieure, Bauleiter und Bauunternehmer, aber auch für die mit der Herstellung von Bauprodukten befasste Industrie. Es ist schließlich für alldiejenigen von Interesse, die Grundstücke und bauliche Anlagen nutzen oder verwalten, insbesondere für die Grundeigentümer selbst.
In Hamburg ist das Bauordnungsrecht im Wesentlichen in der Hamburgischen Bauordnung vom 14. Dezember 2005 (mit späteren Änderungen) geregelt.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Holzbau – § 24 Absatz 3 HBauO (neu)
Bei Gebäuden mit einer Höhe nach § 2 Absatz 3 Satz 2 von bis zu 22 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 200 m² und Brandabschnitten von nicht mehr als 800 m² pro Geschoss sind abweichend von Absatz 2 Satz 3 tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hochfeuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, in massiver Holzbauweise zulässig, wenn die geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen wird.
Aufzüge – § 37 Absatz 4 HBauO (geändert)
Gebäude mit einer Höhe nach § 2 Absatz 3 Satz 2 von mehr als 13,0 m müssen Aufzüge in ausreichender Zahl haben; dies gilt nicht, soweit bei bestehenden Gebäuden zusätzlicher Wohnraum durch Änderung des Dachgeschosses oder durch Errichtung zusätzlicher Geschosse geschaffen wird. […]
Nachträgliche Wärmedämmung im Bestand – § 6 Absatz 6 (geändert) und § 74a HBauO (neu)
§ 6 Abstandsflächen
(6) Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben außer Betracht
1. … 2. … 3. nachträgliche Wärmeschutzmaßnahmen an bestehenden Gebäuden mit höchstens 0,20 m Dicke, wenn ein Abstand von mindestens 2,3 m zur Nachbargrenze erhalten bleibt….
§ 74a Nachträgliche Wärmedämmung
(1) Eigentümerinnen und Eigentümer, Erbbau- und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks haben zu dulden (zur Duldung Verpflichtete), dass eine Wärmedämmung, die nachträglich auf die Außenwand eines zulässigerweise an oder auf der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes aufgebracht wird, sowie die mit dieser in Zusammenhang stehenden untergeordneten Bauteile auf das Grundstück übergreifen, soweit beziehungsweise solange
1. die Überbauung die Grenze zum Nachbargrundstück in der Tiefe um nicht mehr als 0,20 m überschreitet,
2. die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig behindert wird,
3. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen,
4. eine vergleichbare Wärmedämmung nicht auf andere, die Belange der zur Duldung Verpflichteten weniger stark berührende Weise mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden kann und
5. die Anbringung einer vergleichbaren Wärmedämmung nicht bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes üblich war.
§ 7 Absatz 1 ist für nach Satz 1 zulässige Maßnahmen nicht anzuwenden. § 74 Absatz 1 gilt für die zur Duldung Verpflichteten entsprechend.
(2) Die Bauherrin oder der Bauherr hat der oder dem zur Duldung Verpflichteten eine Baumaßnahme nach Absatz 1 Satz 1 spätestens einen Monat vor Beginn der Arbeiten anzuzeigen. Aus der Anzeige müssen Art und Umfang der Baumaßnahme hervorgehen. Ist der Aufenthalt der oder des zur Duldung Verpflichteten mit zumutbarem Aufwand nicht zu ermitteln oder ist sie oder er bei einem Aufenthalt im Ausland nicht alsbald erreichbar und hat sie oder er keine Vertretung bestellt, so genügt statt der Anzeige an die zur Duldung Verpflichtete oder den zur Duldung Verpflichteten die Anzeige an die unmittelbare Besitzerin oder den unmittelbaren Besitzer. Mit der Baumaßnahme darf erst nach erfolgter Anzeige begonnen werden.
(3) Die oder der durch den Überbau Begünstigte ist gegenüber den zur Duldung Verpflichteten verpflichtet, die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand zu erhalten und die wärmegedämmte Wand baulich zu unterhalten. § 74 Absatz 1 gilt entsprechend.
(4) Eigentümerinnen und Eigentümern, Erbbau- und dinglich Nutzungsberechtigten eines Grundstücks ist ein angemessener Ausgleich in Geld zu leisten. Sofern nichts anderes vereinbart wird, gelten § 912 Absatz 2 und die §§ 913 und 914 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.
(5) Die Bauherrin oder der Bauherr hat der oder dem zur Duldung Verpflichteten auch ohne Verschulden den Schaden zu ersetzen, der durch einen Überbau nach Absatz 1 Satz 1 oder die mit seiner Errichtung verbundenen Arbeiten entsteht. Auf Verlangen ist in Höhe des voraussichtlich entstehenden Schadens Sicherheit zu leisten, die auch in einer Bankbürgschaft bestehen kann. In diesem Fall darf das Recht erst nach Leistung der Sicherheit ausgeübt werden. Eine Sicherheitsleistung kann nicht verlangt werden, wenn der voraussichtlich entstehende Schaden durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt ist.
(6) Die oder der zur Duldung Verpflichtete ist berechtigt, die Beseitigung der Wärmedämmung zu verlangen, soweit dadurch eine zulässige beabsichtigte Benutzung ihres oder seines Grundstücks nicht nur unwesentlich beeinträchtigt wird, insbesondere soweit sie oder er selbst zulässigerweise an die Grenzwand anbauen will.
Erschließung – § 4 Absatz 1 Satz 1 HBauO (geändert; Aufhebung der Begrenzung des gemeinsamen Zugangs auf 4 Grundstücke bzw. Hausgruppen bis 50 m)
Ein Grundstück darf nur bebaut werden, wenn es in ausreichender Breite von einem befahrbaren und nicht anbaufrei zu haltendem öffentlichen Weg aus unmittelbar oder durch Baulast gesichert über ein anderes Grundstück zugänglich ist.
Barrierefreiheit – § 52 Absatz 1 Satz 1 HBauO (geändert; Verteilung barrierefreier Wohnungen auf mehrere Geschosse möglich)
In Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in entsprechendem Umfang in mehreren Geschossen erfüllt werden.
Baumschutz – § 61 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 HBauO (geändert; Prüfumfang innerhalb des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens)
(2) Die Bauaufsichtsbehörde prüft…
2. die Einhaltung der Anforderungen der §§ 4, 6 und 10, des § 16 im Hinblick auf schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten im Sinne von § 2 des Bundesbodenschutzgesetzes vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert am 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474, 1491), in der jeweils geltenden Fassung, der §§ 52 und 68 sowie der Baumschutzverordnung vom 17. September 1948 (Sammlung des bereinigten hamburgischen Landesrechts I 791-i), zuletzt geändert am 11. Mai 2010 (HmbGVBl. S. 350, 359), in der jeweils geltenden Fassung.
Bauproduktenrecht
Rechtsgrundlage: Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) 305/2011, BPVO)
Link: http://eur-lex.europa.eu/
Regelungsgegenstand der BPVO: Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten
Ziel der Änderungen der HBauO: Herstellung der Übereinstimmung bauordnungsrechtlicher Regelungen mit den europarechtlichen Vorgaben der BPVO
Betroffene Vorschriften der HBauO: diverse
Störfallbetriebe und schutzwürdige Nutzungen
Rechtsgrundlage: Seveso III Richtlinie (2012/18/EU, Seveso III RL)
Link: http://eur-lex.europa.eu/
Regelungsgegenstand der Seveso III RL: Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen
Ziel der Änderungen der HBauO: Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung in Baugenehmigungsverfahren für Bauvorhaben im Einzugsbereich von Störfallbetrieben
Betroffene Vorschriften: § 59 HBauO (Änderung) sowie Erlass einer Ausführungsverordnung zur Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung
Pressemitteilung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen