Neue Standards für ärztliche und pflegerische Versorgung

Hamburg legt Standarztards für mehr Patientensicherheit und gute ärztliche und pflegerische Versorgung bei komplizierten Operationen fest. Der Senat hat heute eine Rechtsverordnung beschlossen, wonach ab 01.07.2018 nur noch die Krankenhäuser eine Herz, Thorax- oder Gefäßchirurgie betreiben dürfen, die rund um die Uhr ausreichend Personal mit definierter hoher Qualifikation und Berufserfahrung und bestimmte medizinische Geräte vorhalten.

 

Außerdem müssen jederzeit bis zu acht weitere Fachdisziplinen zur Behandlung hinzugezogen werden können. Für die Neurochirurgie gelten entsprechende Vorgaben bereits seit 01.01.2018.

„Patientinnen und Patienten sollen sich in Hamburg jederzeit darauf verlassen können, dass bei ihrer Behandlung die hohen Anforderungen an Kompetenz und Sicherheit eingehalten werden, die medizinische Fachgesellschaften empfehlen. Deshalb machen wir diese Empfehlungen jetzt zum verbindlichen Standard“, so Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. „Immer mehr Patientinnen und Patienten aus dem Umland lassen sich in Hamburger Krankenhäusern behandeln, weil sie für hohe Qualität längere Wege in Kauf nehmen. Für die Herz-, Kinderherzchirurgie, Thorax- und Gefäßchirurgie wird diese Qualität nun gesichert.“

Für den Erfolg einer Behandlung ist nicht nur die gelungene Operation, sondern gleichermaßen die ärztliche Versorgung und pflegerische Pflege danach wichtig. Deshalb wird den Hamburger Krankenhäusern in einem Stufenplan beginnend mit der Herzchirurgie in der Pflege eine Mindest-Personalbesetzung der Intensivstationen vorgegeben. In der Herzchirurgie soll so ein Verhältnis von einer Pflegekraft auf maximal zwei Patienten erreicht werden. Durch das gestufte Vorgehen können die Kliniken das erforderliche Personal aufbauen. Senatorin Prüfer-Storcks: „Pflegekräfte haben den direkten und häufigsten Patientenkontakt. Deshalb hat eine Investition in die Pflege am Bett unmittelbare Auswirkungen auf die Patientensicherheit.“

Wegen der hohen Anziehungskraft der Hamburger Krankenhäuser und damit gestiegenen Auslastung der Fachabteilungen ist eine vorzeitige Aufstockung der Kapazitäten notwendig. Mit 361 zusätzlichen Betten und 40 teilstationären Behandlungsplätzen wird schon jetzt dem ursprünglich erst für 2020 prognostizierten Bedarf Rechnung getragen. Hamburg entwickelt sich damit gegen den Trend in anderen Bundesländern, die Kapazitäten

abbauen. Bereits 2016 ist die Zahl der in den Hamburger Plankrankenhäusern versorgten Fälle auf 508.515 gestiegen, in 2015 waren es noch 501.374 Fälle. Die durchschnittliche Verweildauer von Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern blieb dabei konstant bei 7,5 Tagen. Aufgrund dieser Entwicklung wurden mit der Zwischenfortschreibung des Krankenhausplans die vollstationären Kapazitäten in den Hamburger Plankrankenhäusern von 12.132 Betten auf eine Bettenzahl von 12.493 sowie die teilstationären Kapazitäten von 1.229 auf 1.269 Behandlungsplätze erhöht.

Zusätzlich wurden in 21 Versorgungsbereichen Zentren für besondere Aufgaben an 32 Standorten im Krankenhausplan ausgewiesen. Damit sollen die überregionale Bedeutung dieser „Leuchttürme“ und die besondere Expertise der Krankenhäuser herausgestellt und die Spezialisierung der Hamburger Hochleistungsmedizin gefördert werden.

Durch die Ausweisung im Krankenhausplan können die Krankenhäuser mit den Krankenkassen über Zuschläge verhandeln, mit denen z.B. spezielle Leistungen zusätzlich vergütet werden. Beispielhaft zu nennen sind Transplantationszentren, Herzzentren, Traumazentren oder altersmedizinische Zentren. Hamburg weist als erstes Land Zentren im Krankenhausplan aus.

Eine weitere Neuerung: Ab 2018 werden im Hamburger Krankenhausplan innerhalb der Fachgebiete „Innere Medizin“ und „Chirurgie und Orthopädie“ auch die entsprechenden Teilgebiete im Krankenhausplan ausgewiesen. Diese Ausweisung, wie z.B. der Gastroenterologie, der Rheumatologie, der Kardiologie soll zu einer verbesserten Orientierung der Patientinnen und Patienten und der einweisenden Ärzte über die Versorgungsangebote der Hamburger Plankrankenhäuser beitragen. Damit kann auch eine entsprechende Qualität und Spezialisierung besser gefördert werden.

Pressemitteilung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (20.2.)


Personelle Standards des Senats für Krankenhäuser: völlig unzureichend

Zur gestrigen Erklärung der Gesundheitssenatorin, für Komplexbehandlungen im Krankenhaus durch Rechtsverordnung personelle Standards festzulegen, erklärt das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus: „Es ist ein Fortschritt, dass Qualitätsvorgaben verbindlich geregelt werden sollen. Allerdings ist die Rechtsverordnung des Senats vollkommen unzureichend und fällt weit hinter die Empfehlungen von Fachgesellschaften zurück“.

Dazu der Sprecher des Bündnisses, Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Die Verordnung ist keine wirkliche Qualitätssicherung, sondern die Festschreibung von Gesundheitsgefahren für Patientinnen und Patienten. Sie als Erfolg zu feiern, hieße zuzugeben, dass die bisherige Realität zum Himmel schreit!“

Ralf Bröcker-Lindenau, Krankenpfleger der Asklepios Klinik Altona, erklärt dazu: „Die Vorgaben zu Pflege im Bereich Thorax- und Gefäß- sowie Neurochirurgie verändern nichts. Sie sind bei uns bereits umgesetzt, seit sie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung angemahnt hat, damit die Komplexbehandlungen überhaupt abgerechnet werden können. Das bedeutet nur, dass pro Schicht eine erfahrene oder weitergebildete Pflegekraft anwesend sein muss. Mit wie vielen und wie ausgebildeten weiteren Kräften diese Schicht dann besetzt ist, bleibt vollkommen unberücksichtigt. Die personelle Besetzung ist aber, neben der fachlichen Qualifikation, das entscheidende Kriterium, um Gefährdungen der Patienten ausschließen zu können.“

Meike Saerbeck, Krankenpflegerin der Asklepios Klinik St Georg, zu den personellen Vorgaben: „Selbst in der Herzchirurgie soll die Vorgabe zunächst nur eine Pflegekraft auf 2,5 Patienten festlegen. Eine Untersuchung der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom Sommer 2017 postuliert, in diesem Bereich komme derzeit durchschnittlich schon eine Pflegekraft auf 2,2 Patienten. Abgesehen davon, dass wir das für Hamburg nicht glauben und von so einer Besetzung nur träumen können, finde ich es krass, dass mit der Verordnung noch dahinter zurückgefallen werden soll.“

Christoph Kranich ergänzt: „Wenn es nur für einzelne Bereiche konkrete Regelungen gibt, wie hier die Herzchirurgie, führt das zu einem Verschiebebahnhof von Personal und kann die Situation in anderen Bereichen sogar noch verschlimmern.“
Weitere Kritikpunkte

Eine weitere Kritik des Bündnisses bezieht sich auf die Regelung durch Durchschnittszahlen in der Verordnung.

Christoph Kranich: „Dem Patienten, dessen Gesundheit durch personelle Unterbesetzung gefährdet ist, nutzt es gar nichts, wenn ihm gesagt wird: ‚Also im Durchschnitt hatten wir auf dieser Station übers Jahr gerechnet ausreichend Personal zur Verfügung‘. Wir brauchen verbindliche Regelungen, die jeden Behandlungstag im Krankenhaus abdecken und die auch festlegen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, wenn die Personalquote nicht eingehalten wird.“

Ralf Bröcker-Lindenau: „Auf der Herzchirurgischen Intensivstation werden häufig Patienten im Organersatz-Verfahren versorgt. Für diese Verfahren empfehlen die Fachgesellschaften eine 1:1-Betreuung. 1:2,5 im Durchschnitt bedeutet, dass regelmäßig auch drei oder sogar vier Patienten durch eine Pflegekraft versorgt werden. Das ist gefährlich! Was wir brauchen, sind verbindliche Pflegepersonal-Quoten für jede Schicht auf jeder Station.“

Pressemitteilung des Hamburger Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus (www.pflegenotstand-hamburg.de)

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