Flughafen-Erbbaurechtsvertrag zu Lasten Dritter?

Für die heutige (1.10.) Landespressekonferenz wollen Finanzsenator Dr. Andreas Dressel, Wirtschaftssenator Michael Westhagemann und Umweltsenator Jens Kerstan erstmals die Öffentlichkeit über den neuen Erbbaurechtsvertrag für die Flughafen Hamburg GmbH informieren. Ziel des Vertrages soll vor allem eine langfristige Standortsicherung sowie zusätzlich lärmschutzpolitische Vereinbarungen sein.

 

Der im Mehrheitsbesitz der Stadt Hamburg befindliche kommerzielle Betreiber des Hamburger Verkehrsflughafens, die Flughafen Hamburg GmbH (FHG), verfügt über einen Erbbaurechtsvertrag aus dem Jahr 1970, dessen Laufzeit nach 50 Jahren im kommenden Jahr endet. Zu den damaligen Konditionen werden aufgrund von vorgeschobenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen selbst nach einem halben Jahrhundert keine inhaltlichen Angaben gemacht. Im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 25. September 2018 wurde vom Senat über einen neuen Erbbaurechtsvertrag mit dem Flughafen Hamburg berichtet. Auch zu diesen Verhandlungen drang bisher nichts an die Öffentlichkeit.

Welche Erwartungen an eine mess- und spürbare Belastungsreduzierung (Fluglärm und Flugdreck) sind mit dem neuen Erbbaurechtsvertrag verbunden?

Hierzu äußert Martin Mosel, Sprecher der Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) seine massiven Bedenken: „Es ist zu erwarten, dass die Stadt Hamburg als Flughafen-Haupteigentümerin mit der kommerziellen Betreibergesellschaft einen Deal zu Lasten Dritter, d.h. den vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürgern schließt. Die FHG ist schlau und die FHH-Vertreter willig genug, nur einseitig wirksame Vereinbarungen zu treffen. Die FHG wird nichts von ihren Besitzständen abgeben. Wenn die FHG etwas ‚anbietet‘, ist zu 100 Prozent davon auszugehen, dass es sich hierbei um Sowieso-Maßnahmen handelt. Beispielsweise die angebliche CO2-Neutralität am Boden, die rechnerische Lärmreduktion pro transportiertem Passagier oder eine bessere Berücksichtigung, nicht jedoch Beachtung, der Nachtflugbeschränkungen und Bahnbenutzungsregeln. Ebenso kann ich mir ein Einfrieren oder bestenfalls marginales Abschmelzen des völlig überhöhten Lärmkontingentes vorstellen. Dieses beinhaltet jedoch bereits heute eine Flugbewegungsreserve von zirka 30.000 Starts und Landungen pro Jahr. Es ist somit nichts zu erwarten, was zu einer mess- oder spürbaren Belastungsreduzierung führt.“

„Unsere Forderung an den Hamburger Senat ist, dass endlich auch beim hauseigenen Flughafenbetreiber Vorgaben des Cross Compliance (d.h. die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, regulatorischer Standards und die Erfüllung weiterer wesentlicher ethischer Standards sowie fachlicher Anforderungen) sowie der Corporate Responsibility (d.h. dem Einwirken des öffentlichen Sektors auf die Verbreitung von unternehmerischer Nachhaltigkeit) auf transparente Art und Weise erfolgt. In diesem Zusammenhang fordern wir eine direkte Vertretung der Belange der vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den Gremien und Organen der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV), Hamburg Marketing GmbH (HMG) sowie Flughafen Hamburg GmbH (FHG). Die Zeiten, in denen in Hinterzimmern ohne Öffentlichkeitsbeteiligung über derart weit in die Rechte Dritter eingreifende Verträge verhandelt wird, sind zu Ende!
Die bestehenden Flughafenprivilegien müssen endlich durchbrochen werden“, ergänzt Mosel vehement.

Pressemitteilung BAW (Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein)


Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages zwischen der Flughafen Hamburg GmbH und der Freien und Hansestadt Hamburg

Langfristige Standortsicherung unter Wahrung der klima- und lärmschutzpolitischen Interessen der Stadt

Der Senat hat heute beschlossen, den aus dem Jahr 1970 stammenden Erbbaurechtsvertrag zwischen der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) und der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) um 60 Jahre bis zum 31.12.2080 zu verlängern. Mit der langfristigen Standortsicherung sind erstmals auch gesonderte Verpflichtungen zum Lärm- und Klimaschutz verbunden.

So verpflichtet sich die FHG zu Ausgleichszahlungen für Fluglärm zu entrichten, wenn bestimmte Grenzwerte innerhalb einer sogenannten Lärmkontur überschritten werden. Die Lärmausgleichszahlung ist mit einer Progression versehen. Bei erheblicher Überschreitung der Grenzwerte steigt die Ausgleichszahlung überproportional. Konkret bedeutet dies: Wenn in einem Kalenderjahr die Lärmkontur mit einer vereinbarten Größe von 15,39 qkm („Grenzwert“) überschritten wird, zahlt die FHG rückwirkend an den Erbbaurechtsgeber (LIG) für das Kalenderjahr der Überschreitung einen Betrag von 500.000 Euro je angefangenem qkm Überschreitung des Grenzwerts zum Ausgleich. Die Lärmausgleichszahlung wird mit folgender Progression versehen: Bei einer Überschreitung von 19,39 qkm werden 3 Mio. Euro fällig (statt 2,5 Mio. Euro) und ab einer Überschreitung von 20,00 qkm 4 Mio. Euro. Zudem werden die Mittel für passivem Lärmschutz von der FHG als freiwillige Leistung um jährlich 250.000 Euro ab dem Jahr 2021 aufgestockt.

Um die klimaschutzpolitischen Interessen der Stadt zu wahren, verpflichtet sich die FHG ferner, bis zum Jahr 2021 klimaneutral zu werden: Alle vom Flughafenbetrieb ausgehenden CO2-Emissionen, die von der FHG zu beeinflussen sind, sollen bis zum Jahr 2021 vollständig reduziert beziehungsweise kompensiert werden. Außerdem wird die FHG gemeinsam mit ihren Partnern darauf hinarbeiten, dass so zügig wie möglich ein möglichst hoher Anteil an synthetischem Kerosin zur Verfügung gestellt werden kann.

Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator: „Der Flughafen Hamburg ist für die Metropolregion Hamburg von immenser Bedeutung. Knapp 10 Millionen Menschen leben im erweiterten Einzugsbereich des Flughafens und nutzen das Angebot. Mit der Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages um 60 Jahre schaffen wir jetzt eine langfristige Standortsicherung und eine verlässliche Planungssicherheit für den Flughafen. Es ist zudem ein Kernanliegen dieses Senats, dass der Betrieb als großer innerstädtischer Flughafen den Lärmschutz-Interessen der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern, aber auch den aktuellen Anforderungen beim Klimaschutz in besonderer Weise Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund freut es mich besonders, dass es uns gemeinsam gelungen ist, mit der Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages auch klare klima- und lärmschutzpolitische Vereinbarungen zu treffen. Damit setzen wir ebenso positive wie nachhaltige Impulse im Sinne unserer Klima- und Lärmschutzziele in Hamburg.“

Jens Kerstan, Senator für Umwelt und Energie: „Erstmals seit Ende der 1990er Jahre wird das Messer beim Lärmteppich angelegt. Bisher liegt der maximale Lärmteppich bei 20,39 Quadratkilometern, künftig greift ab 15,39 Quadratkilometer ein Strafzahlungsmechanismus. Bei einer Überschreitung würden hohe jährliche Summen als Ausgleich fällig. Es ist davon auszugehen, dass der Flughafen alles tun wird, um diese Strafzahlungen zu vermeiden. Der Flughafen kann also nur noch wachsen, wenn er nicht lauter wird. Insofern ist dieser Mechanismus de facto eine Wachstumsbremse für den Fluglärm. Zu begrüßen ist außerdem, dass der Flughafen bis 2021 im Bodenbetrieb klimaneutral werden will – das macht zwar nur einen kleineren Teil der CO2-Emissionen aus, ist aber ein wichtiger Schritt. Außerdem haben wir für den Flughafen das Ziel vorgegeben, in Zukunft mehr und mehr auf synthetisches Kerosin zu setzen – dies muss am Markt allerdings erstmal verfügbar sein.“

Michael Westhagemann, Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation: „Die Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags zwischen Stadt und Flughafen ist eine runde Sache. Sie zeigt, dass wir in Hamburg beides im Blick haben: die Bedeutung des Flughafens für die Region und unsere Stadt im Hinblick auf Mobilität, Wirtschaft und Arbeitsplätze ebenso wie die Herausforderungen des Klima- und Lärmschutzes. Der Flughafen erhält so eine nachhaltige Wachstumsperspektive. “

LIG-Geschäftsführer Thomas Schuster: „Bei dem Haupterbbaurechtsvertrag mit der Flughafen Hamburg GmbH handelt es sich um den mit Abstand sowohl finanziell als auch flächenmäßig größten Erbbaurechtsvertrag der Freien und Hansestadt Hamburg. Ich freue mich, dass es unter der Federführung des Landesbetriebes Immobilienmanagement und Grundvermögen gelungen ist, einen für die FHH in mehrerlei Hinsicht positiven Vertrag auszuhandeln.“

Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport: „Ich freue mich sehr, dass wir mit der Stadt Hamburg einen neuen Erbbaurechtsvertrag schließen konnten und somit Planungssicherheit für die nächsten 60 Jahre haben. In dem Vertrag und den zugesagten Maßnahmen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, den Lärmschutz für die Anwohner weiter zu stärken und auch unser weitreichendes Engagement für den Klimaschutz noch auszubauen. Damit leisten wir unseren Beitrag zur Fortschreibung des Klimaplans und des Lärmaktionsplanes der Stadt.“

Pressemitteilung der Finanzbehörde, der Behörde für Umwelt und Energie und der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation


Fluglärmschutz – Tjarks: „Bremse für das Lärmwachstum am Flughafen“

Der rot-grüne Senat verlängert den auslaufenden Erbbaurechtsvertrag mit der Flughafen Hamburg GmbH und verändert dabei den möglichen Fluglärmteppich erstmals und deutlich.

Dazu Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Die Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages für den Hamburger Flughafen ist für uns Grüne ganz klar mit Verpflichtungen für mehr Lärmschutz verbunden. Das haben wir konsequent mit der erstmaligen und deutlichen Absenkung des Fluglärmteppichs um fünf Quadratkilometer durchgesetzt. Damit akzeptiert der Flughafen eine deutlich niedrigere Lärmkubatur, die dauerhaft eingehalten werden muss. Vorsorglich haben wir einen Sanktionsmechanismus im Vertrag verankert, der dafür sorgen wird, dass diese Vereinbarung auch unabhängig von der jeweils herrschenden Regierung eingehalten wird. Ansonsten drohen empfindliche Strafzahlungen. Auf diese Weise haben wir dafür gesorgt, dass der Flughafen praktisch nicht mehr lauter werden kann.“

Pressemitteilung der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion


Neue Regelung zum Fluglärm entpuppt sich als Luftnummer / Chance des „neuen Erbpachtvertrags“ nicht genutzt

Hamburger Flughafen darf lauter werden als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre

Der Hamburger Landesverband des BUND kritisiert, dass der heute vom Senat vorgestellte neue Erbbaurechtsvertrag mit der Flughafen GmbH keinerlei Verbesserungen für die vom Lärm gebeutelten Anwohnerinnen und Anwohner des Airports bringt.

Die in dem neuen Vertrag enthaltenen Vorgaben für mehr Klima- und Lärmschutz legen zwar Strafzahlungen für den Fall fest, dass der sogenannte Lärmteppich des Flughafens über 15,39 km² steigt. Dieser Wert wurde in den letzten zehn Jahren aber nicht ein einziges Mal erreicht, obwohl der Lärm seit rund fünf Jahren wieder deutlich mehr geworden ist (siehe dazu: https://www.hamburg-airport.de/media/Jahresstatistik_2018.pdf, Seite 12). Die neue Regelung erlaubt also sogar eine Ausweitung der bereits heute für die Menschen unerträglichen Lärmbelastung.

„Die neue Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Flughafen bringt für eine Lärmentlastung gar nichts. Im Gegenteil, der Flughafen darf sogar noch lauter werden ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das Ganze ist eine echte Luftnummer, die für die lärmgeplagten Menschen am Flughafen keine Verbesserung bringt“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Zum Thema Klimaschutz hat der Senat den Flughafen verpflichtet, den Bodenbetrieb bis 2021 klimaneutral zu gestalten. Aus Sicht des BUND ist dies zwar ein kleiner Baustein für mehr Klimaschutz in Hamburg, lenkt aber vom eigentlichen Problem des Flughafens und der Vielfliegerei ab. Der Bodenbetrieb verursacht lediglich etwa ein Prozent der vom Airport ausgehenden Klimabelastung. Diejenige aus den rund 170.000 Starts und Landungen liegt also rund hundert Mal höher. „Der Flughafen ist einer der größten Verursacher von CO2 in Hamburg, daran ändert auch die neue Vereinbarung nichts“, so Manfred Braasch.

Pressemitteilung BUND HH

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