U-Bahn U5 und Autobahnen sind schlechte Beispiele für die Mobilitätswende /CO2-Emissionen für den Bau müssen im Hamburger Klimaplan ausgeglichen werden
Anlässlich der heute im umgebauten CCH beginnenden Mobilitätsmesse ITS (Intelligent Transport Systems) mit rund 7.000 erwarteten Gästen übt der BUND Hamburg massive Kritik an der Verkehrspolitik in der Hansestadt. Nach wie vor würden die Zulassungszahlen privater PKW in der Stadt ansteigen, Lärm und Flächenverbrauch gingen damit einher und mit dem Bau etwa der Autobahn A26-Ost und der Erweiterung der A1 würde die Stadt noch mehr Individualverkehr in und um Hamburg auslösen.
Auch der soeben ergangene Planfeststellungsbeschluss für den ersten Abschnitt der U-Bahnlinie U5 von Bramfeld in die City Nord ist aus Sicht des BUND kein gutes Beispiel für eine Mobilitätswende. Laut aktueller Gutachten aus Berlin und Hamburg ist der Energiebedarf für den Bau und damit die CO2-Belastung derart groß, dass es bis zu 100 Jahre dauern könnte, bis die positiven Effekte der U-Bahn diese Klimabelastung aufwiegen würden.
Dazu Lucas Schäfer, der neue Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg: „Wir brauchen nicht nur eine intelligente Mobilität, sondern auch eine intelligente Verkehrspolitik. Wer glaubt, dass es für den Klimaschutz ausreicht, wenn wir den Treibstoff von fossil auf elektrisch und die Verkehrssysteme in Richtung autonomes Fahren ändern, ist auf dem Holzweg. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir nur die Systeme umbauen, ohne den Autoverkehr massiv zu reduzieren, werden fossile Kraftwerke länger in Betrieb sein und wir verspielen die Chance auf einen schnell wirksamen Klimaschutz“, so Schäfer.
Die Kritik des BUND an der U-Bahn U5 ist nicht neu. Neben dem extrem hohen Energiebedarf für den Bau, der langjährigen Luft- und Lärmbelastung an den Baustellen und des Verlustes von rund 1.800 Bäumen hält der Umweltverband den Bau dieser U-Bahn-Linie für enorm fragwürdig. „Die CO2-Belastung insbesondere durch den Tunnelbau der U5 ist extrem. Es reicht nicht, am Ende nur das vermeintlich klimafreundliche Verkehrsmittel U-Bahn zu sehen. Wir fordern deshalb, dass die während der Bauphase entstehenden CO2-Belastungen im Klimaplan und im Klimaschutzgesetz berücksichtigt und im Sektor Verkehr ausgeglichen werden“, so Christiane Blömeke. Einen entsprechenden Antrag hat der BUND auf seiner Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag beschlossen.
PS: Lucas Schäfer leitet seit dem 1. Oktober die Landesgeschäftsstelle des BUND Hamburg als neuer Geschäftsführer und steht für Interviews zur ITS und zur Hamburger Verkehrspolitik gerne zur Verfügung.
Pressemitteilung BUND-Landesverband Hamburg e.V.
Fahrradclub fordert: ITS-Technologien müssen den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und dem Klimaschutz dienen
Auf dem 27. ITS-Weltkongress, der diese Woche in Hamburg stattfindet, werden die Projekte der Automobillobby für vernetztes und automatisiertes Fahren als angeblich nachhaltig verklärt, kritisiert der Fahrradclub.
Anlässlich des 27. Weltkongresses für „Intelligente Transport-Systeme“ (ITS) vom 11. bis 15. Oktober 2021 in Hamburg stellt der Senat den öffentlichen Stadtraum der Automobil- und IT-Industrie als „Reallabor“ zur Erprobung von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen zur Verfügung. Konzepte und Ideen, die nicht zu den Plänen der Automobillobby passen, sind auf dem Kongress dagegen nicht vorgesehen. „Wir hatten ein Diskussionsforum zu alternativen ITS-Strategien auf dem Kongress angeboten,“ sagt Stephan Dzialas, Sprecher der Projektgruppe ITS des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Hamburg, „aber der Veranstalter ERTICO lehnte ab.“
Obwohl der Radverkehr laut Senat bis 2030 dreißig Prozent des Gesamtverkehrs in Hamburg ausmachen und so entscheidend zum Erreichen der Klimaziele beitragen soll, werde er auf dem ITS-Kongress nur als Nebenaspekt behandelt, kritisiert Dzialas. Projekte wie die Smartphone-App „PrioBike-HH“ beispielweise seien Augenwischerei: Mit einer Priorisierung des Radverkehrs, wie der Name suggeriert, hat das Projekt nur wenig zu tun. Zwar können Radfahrende mit der App auf ihrem Smartphone sehen, wann die nächste Ampel grün zeigt, um dann entsprechend schneller oder langsamer zu fahren. Aber eine Priorisierung des Radverkehrs wird nicht durch Apps erreicht, sondern durch gute Infrastruktur fürs Fahrrad. Anstatt die Geschwindigkeiten der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer:innen durch verpflichtende Tempodrosseln zu harmonisieren und die Ampelschaltungen darauf abzustimmen, dienen ITS-Projekte wie PrioBike-HH dazu, alle Verkehrsteilnehmer:innen, ob motorisiert oder unmotorisiert, mit der Infrastruktur und untereinander zu vernetzen („Vehicle to Everything“, V2X). Dzialas: „Ist diese Vernetzung auch gut für die Menschen, oder erfüllt die Stadt damit nur den Wunsch ihrer Mobilitätspartner aus der Automobil- und IT-Branche, den öffentlichen Raum für die Bedürfnisse autonomer Autos vorzubereiten?“. Das bedeutete aber in letzter Konsequenz, dass sich im öffentlichen Raum Menschen nur dann sicher bewegen könnten, wenn sie von diesen Fahrzeugen leicht identifiziert werden würden.
Der ADFC fordert, Digitaltechnik auf sinnvolle Weise für eine menschen- und umweltfreundliche Mobilitätswende einzusetzen: „Etwa indem die Nutzung der bis zu 45 km/h schnellen Speedpedelecs, die sich auch für längere Strecken eignen, attraktiver und zur echten Alternative zu schweren E-Autos wird“, so Dzialas. „Beispielsweise durch eine Harmonisierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten: 45 km/h auf Hamburgs Magistralen und Tempo 30 km/h auf allen anderen Straßen.“ So würden riskante Überholmanöver vermieden und der Verkehr insgesamt flüssiger werden.
Weitere Möglichkeiten, Digitaltechnik in diesem Sinne intelligent und menschengerecht einzusetzen, seien die Ausweisung von Quartieren, in die nur Fahrzeuge mit automatischen Tempodrosseln und Abbiegeassistenten einfahren dürfen, oder auch die Legalisierung von Speedpedelecs mit gedrosseltem 25 km/h-Modus, damit sie auch Radwege benutzen dürfen. Zudem schlägt der ADFC vor, das StadtRAD-System konsequent durch E-Lastenräder und Pedelecs zu erweitern.
Dzialas: „Mehrspurige Leichtfahrzeuge wie das Pedilio könnten, wenn sie sich im Mischverkehr etablieren, auch für das autonome Fahren auf abgetrennten Bahnen jenseits des Mischverkehrs ausgestattet werden.“ In der Zukunft wären sogar architektonisch elegante, schlanke Hochbahnkonstruktionen für diese Art von Leichtfahrzeugen denkbar. „Solche Projekte sind einfacher umzusetzen als die vollständige Vernetzung von Menschen und Fahrzeugen im öffentlichen Raum“, so Dzialas. Sie wären zudem für eine Tür-zu-Tür-Mobilität effektiver und umweltfreundlicher als U-Bahnprojekte oder Lufttaxis.
Pressemitteilung ADFC Hamburg
>>siehe auch: /2021/10/zukunft-der-mobilitaet-autos-raus-leben-rein/