Imhof: „Gerade jetzt müssen wir an die Wurzeln des Rechtsextremismus gehen“
Heute stellt die Hamburgische Bürgerschaft gemeinsam mit einer interdisziplinären Forschungsgruppe die nächsten Schritte zur Erforschung des NSU-Komplexes in Hamburg vor. Im Zentrum der Studie stehen unter anderem die damaligen Ermittlungsansätze, Handeln und Kommunikation der zuständigen Institutionen, aber auch die Erforschung der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sich der rechtsextreme Terror vollzog.
Die groß angelegte Studie geht maßgeblich auf die politische Initiative der Grünen Fraktion Hamburg zurück, die das Projekt als Teil des parlamentarischen Beirats der Bürgerschaft aktiv begleiten wird.
Dazu Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion und Mitglied im Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“: „Der NSU ermordete Menschen, die aus der menschenfeindlichen Weltsicht der Rechtsterroristen nicht zu Deutschland gehören. Auch in Hamburg: Am 27. Juni 2001 wurde Süleyman Taşköprü in seinem Geschäft in Bahrenfeld vom NSU erschossen. Das rechtsextreme Denken und entsprechende Netzwerke haben seitdem nicht an Zugkraft verloren, ganz im Gegenteil. Immer mehr Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft leben in Angst vor rechter Gewalt und Ausgrenzung. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir verstehen, wie rechter Terror entsteht und wie rechtsextreme Netzwerke funktionieren. Deshalb haben wir Grüne uns aktiv für eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Taten des NSU und dahinterstehender Netzwerke eingesetzt. Dass es nun losgeht und die Forschungsgruppe mit ihrer wichtigen Arbeit beginnt, ist gerade in dieser Zeit des erstarkenden Rechtsextremismus sehr wichtig. Wir müssen an die Wurzeln des rechten Terrors gehen. Wir müssen verstehen, unter welchen Bedingungen er entstand, wie sich die Ermittlungen vollzogen und wie die Täter*innen so lange unentdeckt bleiben konnten, aber auch welche Folgen er für die Hinterbliebenen, die Familie Tösküprü, hatte. Nur wenn wir kritisch durchleuchten, was damals passiert ist, können wir künftig Menschen besser vor rechter Gewalt schützen und dafür sorgen, dass menschenfeindliche Demagogen und Extremisten keinen weiteren Zulauf bekommen.“
Hintergrund
Die Forschungsarbeit wird ca. 3 Jahre dauern und mit einem unabhängigen, umfassenden Gutachten enden. Das interdisziplinär aufgestellte Forschungsteam erhält Zugang zu Unterlagen zu den NSU-Ermittlungen von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz. Neben juristischen und kriminologischen Methoden sollen auch qualitative sozialwissenschaftliche Interviews und Analysen zur Aufarbeitung herangezogen werden. Die Studie wird vom parlamentarischen Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“ begleitet, zu dem Abgeordnete von Grünen, SPD, CDU und Linke gehören.
Pressemitteilung Grüne Bürgerschaftsfraktion
NSU-Komplex: Beginn der wissenschaftlichen Aufarbeitung
Hamburgische Bürgerschaft arbeitet NSU-Mord an Süleyman Taşköprü in einem interdisziplinären Forschungsprojekt wissenschaftlich auf
Die Taten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zählen zu den erschreckendsten Terroranschlägen in der jüngeren deutschen Geschichte. Die Taten konnten nie vollständig aufgeklärt werden, die Ermittlungen gingen zunächst mit falschen Verdächtigungen einher. Hierfür bat die Bürgerschaft 2018 die Angehörigen um Entschuldigung. Nach wie vor ungeklärt ist, wie über einen so langen Zeitraum so viele Taten unentdeckt begangen werden konnten.
Die Hamburgische Bürgerschaft hat nun ein Forschungsteam mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Mordes in Hamburg beauftragt. Im Rahmen einer Studie sollen die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord an Süleyman Taşköprü am 27.6.2001 durch die Terrororganisation NSU in Hamburg durchleuchtet und ein unabhängiges, umfassendes Gutachten erstellt werden.
Das mit breiter Mehrheit im April 2023 beschlossene (Drs. 22/11561), von den Regierungsfraktionen initiierte Projekt wird von der Präsidentin der Bürgerschaft verantwortet und durch einen Beirat des Parlaments begleitet. Aktuell beteiligen sich Abgeordnete von SPD, Grünen, CDU und LINKEN. Der Beirat hat sich nach einem sorgfältigen Auswahlverfahren einstimmig für das Konzept der Ruhr-Universität Bochum zur wissenschaftlichen Ausarbeitung ausgesprochen.
Das Konzept sieht vor, dass der NSU-Komplex in Hamburg interdisziplinär untersucht wird. Neben juristischen und kriminologischen Methoden sollen auch qualitative sozialwissenschaftliche Interviews und Analysen der politischen Strukturen in Hamburg helfen, die Ereignisse zu rekonstruieren. Mit zeitgeschichtlichen, strafrechtlichen, verwaltungswissenschaftlichen und polizeisoziologischen Kompetenzen bringt das Forschungsteam Expertise in diversen Disziplinen mit. Damit geht das Vorhaben deutlich über die Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses hinaus.
Die Professor:innen Dr. Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum), Dr. Daniela Hunold (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld) und Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz) werden auch die organisatorischen, kulturellen und stadtgeschichtlichen Faktoren in den Blick nehmen, die zu den folgenreichen Terroranschlägen führten. Dabei werden die Unterlagen zu den NSU-Ermittlungen von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz sowie die Aussagen von Zeug:innen aus der Zeit im Fokus der wissenschaftlichen Aufarbeitung stehen.
Die Behörden bereiten bereits die ihrerseits erforderlichen Beiträge vor. Wie der Senat auf das bürgerschaftliche Ersuchen mitgeteilt hat, ist zwischenzeitlich eine Bestandsaufnahme zu den erbetenen Aktenbeständen erfolgt. Im Einzelnen sind bei der Polizei umfangreiche Bestände hinsichtlich des Ermittlungsverfahren Tötungsdelikt Taşköprü mit 141 Aktenordnern und 181 Sachakten sowie Unterlagen beim Landeskriminalamt zum Fall vorhanden, zudem Unterlagen der Abteilung Staatsschutz mit u.a. 20 Aktenordnern zum Phänomenbereich Rechtsextremismus, diverse Materialien und auch elektronische Dateien. Teilweise sind für die Auswertung Freigaben der Bundesanwaltschaft erforderlich. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg hat rund 500 Akten mit insgesamt ca. 250.000 Blatt identifiziert, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NSU-Komplexes relevant sein könnten. Dieser Aktenbestand bleibt mindestens bis zum Abschluss der wissenschaftlichen Aufarbeitung vollständig erhalten und beim LfV verfügbar. Er wurde in den zurückliegenden Monaten digitalisiert, um ihn für die wissenschaftliche Untersuchung zur Verfügung zu stellen. (vgl. Drs.22/18070)
Carola Veit, Bürgerschaftspräsidentin: „Gut vorbereitet geht die wissenschaftliche Aufarbeitung jetzt endlich los: Die Forschenden erhalten vollumfängliche Akteneinsicht, ganz wie ein Untersuchungsausschuss. Ich bin unserem Verfassungsschutz und unserer Polizei dankbar für ihre Kooperationsbereitschaft. Das ist ein bisher in der Landespolitik einzigartiges Projekt. Ich bin froh, dass wir nun diesen neuen Weg gehen. Damit soll deutlich werden, dass die Opfer nie vergessen werden. Die Aufarbeitung soll dazu beitragen, dass sich rechte Gewalttaten und der NSU-Terror in Hamburg nicht wiederholen. Alle Bürger:innen sollen sich in unserer Stadt sicher fühlen, die Bürgerschaft stellt sich dieser Verantwortung. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Gleichzeitig bietet der neue Blickwinkel auf Hintergründe und Zusammenhänge die Chance, Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen.“
Constantin Goschler, Prof und Sprecher des Wissenschaftsteams: „Wir sind dankbar für das große Vertrauen, dass die Hamburger Bürgerschaft einer wissenschaftlichen Aufarbeitung entgegenbringt. Wir sind keine schneidige Untersuchungsausschussvorsitzende, Super-Cops oder hellseherische Profiler, die nun bislang unentdeckte Tatspuren und Hintermänner oder -frauen aufdecken können. In anderer Hinsicht sind wir aber durchaus Fallanalytiker: Unser Fall, den wir interdisziplinär zu lösen suchen, sind die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung in Hamburg, die selbst zu unserem Untersuchungsgegenstand werden. Diese sind ebenso im stadtgeschichtlichen Zusammenhang wie im Kontext der bundesweiten Auseinandersetzung mit den NSU-Morden zu interpretieren.“
Daniela Hunold, Prof: „Spezifische Organisationskulturen bei Polizei und Verfassungsschutz können zu stereotypen Vorstellungen von Tatverdächtigen führen. Aber staatliche Behörden agieren auch niemals im luftleeren Raum. Wie behördliches Handeln mit stadtspezifischen Bedingungen wie sicherheitspolitischen Programmatiken und dem öffentlichen Meinungsklima in Hamburg miteinander korrespondierten und somit zu gewissen Pfadabhängigkeiten in der Ermittlungsarbeit zum Mord an Süleyman Taşköprü führten, werden wir im Rahmen unseres Forschungsprojekts genauer untersuchen. Die breite Unterstützung durch die Hamburger Bürgerschaft sowie den beteiligten Behörden und die besondere Interdisziplinarität des Projektteams sind hervorragende Voraussetzung für eine gelungene wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Mordes in Hamburg.“
Charlotte Schmitt-Leonardy, Prof: „Die Forschungsgruppe beginnt ihre wissenschaftliche Aufarbeitung mit einem starken, überparteilichen Mandat und hat das Privileg, an die Arbeit der politischen Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene sowie die Erkenntnisse aus dem NSU-Strafverfahren anknüpfen zu können. Die besondere Chance liegt hier im interdisziplinären Ansatz: wir schauen aus den verschiedenen Perspektiven unserer Disziplinen auf die immer noch offenen – und damit für Hinterbliebene und Gesellschaft schwer zu verarbeitenden – Fragen und sind uns auch deshalb der Möglichkeit blinder Flecken bei der bisherigen Aufarbeitung sehr bewusst. Unser Fokus liegt auf den systemischen Aspekten, die zur Herausbildung und Verstetigung der falschen und irreführenden Ermittlungshypothesen („OK-Hypothese“, „Einzeltäter-Narrativ“ usw.) geführt haben. Erst wenn wir die strukturellen Defizite der Vergangenheit wirklich begreifen, minimieren wir die Wiederholungsgefahr für die Zukunft.“
Wolfgang Seibel, Prof: „Warum versteiften sich die polizeilichen Ermittlungen aller Mordkommissionen in fünf Bundesländern auf eine Hypothese, die sich als haltlos erwies? Das ist eine Schlüsselfrage unserer Untersuchung. Gemeinsam werden wir die organisatorischen, aber auch sozialen und kulturellen Dynamiken innerhalb von Polizei, Staatsschutz und Justiz bei den NSU-Ermittlungen in den Blick nehmen. In unserer interdisziplinären Untersuchungskommission vereinen sich zeitgeschichtliche, strafrechtliche, verwaltungswissenschaftliche und polizeisoziologische Kompetenzen.“
Das Forschungsteam
Constantin Goschler ist Professor für Zeitgeschichte und forscht unter anderem zu geheimen Nachrichtendiensten, zum Verhältnis von Sicherheit und Öffentlichkeit sowie zum Umgang mit Gewaltfolgen. Er war Mitautor einer grundlegenden Studie zum Bundesamt für Verfassungsschutz.
Daniela Hunold ist Expertin für Polizeisoziologie und forscht seit vielen Jahren zu Problemen und Herausforderungen polizeilichen Handelns in der Einwanderungsgesellschaft. Sie ist Mitherausgeberin des wissenschaftlichen Grundlagenbandes „Rassismus in der Polizei“ und arbeitete zuletzt mit einem Forscherteam an einer Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu Diskriminierungsrisiken durch die Polizei.
Charlotte Schmitt-Leonardy ist Expertin für Strafverfahrensrecht und interdisziplinäre Rechtsforschung. Zu ihren Forschungsschwerpunkten der letzten Jahre gehören: die Problematik komplexer Großverfahren, Akzeptanzbedingungen hoheitlicher Entscheidungen, Asymmetrien in der Strafprozessstruktur sowie Rechtsstaats- und Demokratieresilienz. Sie war von 2020-2022 Mitglied der Expertenkommission zur Verbesserung der Aufklärung komplexer Unglücksereignisse („Loveparade“).
Wolfgang Seibel ist ein Experte bei der Untersuchung von schwerwiegenden Fällen von Verwaltungsversagen. In seinem Reinhart Koselleck-Projekt „Schwarze Schwäne der Verwaltung“ deckte er die Muster hinter den verwaltungsorganisatorischen Dynamiken auf, die zu dramatischen Folgen führten: darunter die Todesfälle bei der Massenpanik während der Love Parade in Duisburg 2010 oder Behördenversagen beim Jugendschutz, der Bauaufsicht oder des Katastrophenschutzes, jeweils mit schwerwiegenden Folgen für Leib und Leben von Menschen.
Hintergrund
Der bisherige Forschungsstand zum NSU-Komplex ist insbesondere geprägt durch Ermittlungen von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Analysen des NSU-Strafverfahrens. In Hamburg erfolgte die Aufarbeitung im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft (Drs. 20/11661). Nach wie vor gibt es im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex jedoch offene Fragen, denen die Forschenden der Ruhr-Universität Bochum als unabhängige Stelle interdisziplinär mit ihren Kooperationspartner:innen nachgehen wird. Hamburg bietet damit einen neuen Beitrag zur Betrachtung des NSU-Komplexes an und wird so die Aufarbeitung voranbringen.
Um die wissenschaftliche Aufarbeitung zu begleiten, ist aus der Mitte des Parlamentes ein Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“ zur Vorbereitung des Vergabeverfahrens gebildet worden mit Beteiligung der Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und Linken. Mit dem LfV erörterte der Beirat unter anderem Sicherheitsfragen, den komplexen Aktenbestand und wie die Bereitstellung für die Forschenden umgesetzt werden kann. Der Beirat geht für die wissenschaftliche Aufarbeitung von einem Zeitraum von rund drei Jahren aus, regelmäßige Zwischenberichte sind vertraglich verabredet. Die Kosten belaufen sich auf rund 900.000 Euro.
Weitere Informationen zu dem Verfahren und dem weiteren Vorgehen finden Sie in der angehängten Drucksache 22/16857.
Mitteilung der Pressestelle der Bürgerschaft
Start der wissenschaftlichen NSU-Aufarbeitung:
„Das sind wir den Opfern und unserer Gesellschaft insgesamt schuldig“
Im Rahmen einer interdisziplinären wissenschaftlichen Aufarbeitung sollen die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord an Süleyman Tasköprü am 27. Juni 2001 durch die Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in Hamburg untersucht werden (Drs. 22/11561). Die Präsidentin der Bürgerschaft hat dazu heute gemeinsam mit einer interdisziplinären Forschungsgruppe die nächsten Schritte des deutschlandweit einzigartigen Forschungsprojektes vorgestellt. Demnach sieht das Konzept der Ruhr-Universität Bochum vor, dass neben juristischen und kriminologischen Methoden auch qualitative sozialwissenschaftliche Interviews und Analysen der politischen Strukturen bei der Untersuchung angewandt werden sollen. Die Unterlagen von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz sowie Aussagen von Zeug:innen werden im Zentrum der Aufarbeitung stehen und bleiben für die Dauer der wissenschaftlichen Aufarbeitung vollständig verfügbar. Das mit breiter Mehrheit im April 2023 beschlossene, von den Regierungsfraktionen initiierte Projekt einer wissenschaftlichen Aufarbeitung wird über die gesamte Dauer durch einen Beirat begleitet, an dem sich Abgeordnete von SPD, Grünen, CDU und Linken beteiligen.
Dazu Kazim Abaci, migrationspolitischer Sprecher und Obmann der SPD-Fraktion Hamburg im Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“: „Für uns als SPD-Fraktion ist es jetzt an der Zeit einen auch von Legislaturperioden unabhängigen wissenschaftlichen Zugang zur Aufarbeitung der Taten des NSU zu ermöglichen. Hamburg geht mit einer neuen interdisziplinären wissenschaftlichen Instanz einen bundesweit einzigartigen Weg in der Aufarbeitung. Dieser wird effektivere Ergebnisse liefern können, als es ein parteipolitisch ausgerichteter Untersuchungsausschuss möglich wäre. Das Forschungsteam ist mit seinen Kompetenzen in Zeitgeschichte, Polizeisoziologie, Verwaltungswissenschaften, im Strafverfahrensrecht sowie der interdisziplinären Rechtsforschung sehr breit aufgestellt und wird den Untersuchungsgegenstand aus allen Richtungen beleuchten. Alle Hamburger Unterlagen sind gesichert und werden der wissenschaftlichen Aufarbeitung zugänglich gemacht. Darüber hinaus werden auch die Unterlagen des Bundes und anderer Bundesländer – vorbehaltlich deren Zustimmung – den Wissenschaftler:innen zur Verfügung gestellt. Als Mitglied im parlamentarischen Beirat werde ich die wissenschaftliche Arbeit eng begleiten und nach Kräften unterstützen. Den Kampf gegen den Rechtsextremismus haben wir in Hamburg in den letzten 20 Jahren mit aller Entschlossenheit vorangetrieben. Die Taten des NSU sind die längste rechtsextremistische Terrorserie in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir müssen und werden deshalb alles in unserer Macht Stehende tun, damit so etwas nie wieder passiert. Das sind wir den Opfern und unserer Gesellschaft insgesamt schuldig.“
Hintergrund
Der NSU-Komplex ist bereits in zahlreichen Parlamentarischen Untersuchungen und im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft aufgearbeitet worden. Die Hamburger Akten wurden allen Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern sowie dem Generalbundesanwalt und dem Sonderermittler des Bundestages zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis gab es keine konkreten Hinweise auf Verbindungen des NSU nach Hamburg. Aus den Erkenntnissen der Ausschüsse wurden zahlreiche Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt (Drs. 20/11661). Nach wie vor gibt es jedoch offene Fragen, denen jetzt die Forschenden der Ruhr-Universität Bochum als unabhängige und überparteiliche Stelle, interdisziplinär mit ihren Kooperationspartnern nachgehen wird. Um die wissenschaftliche Aufarbeitung zu begleiten und das Vergabeverfahren vorzubereiten, konstituierte sich am 25. September 2023 der Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“ mit Mitgliedern der Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und Linken, der zu mehreren Beratungen zusammenkam. Mit dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) erörterte der Beirat unter anderem Sicherheitsfragen, den komplexen Aktenbestand und wie die Bereitstellung für die Forschenden umgesetzt werden kann. Der Beirat geht für die Beauftragung der wissenschaftlichen Aufarbeitung von einem Zeitraum von rund drei Jahren ab Vergabe aus, zudem werden regelmäßige Zwischenberichte vertraglich verabredet.
Pressemitteilung SPD Bürgerschaftsfraktion