Offener Brief an Bundestag und Länder: CCS ist ein Irrweg

Greenpeace warnt gemeinsam mit mehr als 70 Organisationen und Bürgerinitiativen vor Kohlenstoffdioxid-Endlagern in der Nordsee
Der Bundestag soll die Abscheidung und unterirdische Deponierung von Kohlenstoffdioxid aus Industrieabgasen (Carbon Capture and Storage, CCS) in Deutschland nicht erlauben. Das fordern Greenpeace und weitere zivilgesellschaftliche Akteure in einem Offenen Brief, der heute an Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats geht.

Über 70 Organisationen und Bürgerinitiativen unter anderem aus Deutschland, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Polen, den USA, Ghana und Kanada fordern, die anstehende Novelle des Kohlenstoffdioxid-Speichergesetzes nicht zu beschließen. Mit der Gesetzesänderung würden die Weichen dafür gestellt, mit Milliarden Steuergeldern den Ausstieg aus fossilen Energien zu verschleppen oder sogar zu verhindern.

„Der sozial-ökologische Wandel der Industrie muss Vorrang vor CO2-Endlagern haben. Die von der Industrie inszenierte CCS-Debatte ist ein klimapolitischer Irrweg. der die notwendigen Schritte zur echter Veränderung verhindert“, sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klima und Energie. Maßnahmen zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid könnten bis 2045 allein in Deutschland Kosten von bis zu 81,5 Milliarden Euro verursachen. Sie erreichten dabei keine nennenswerte Fortschritte für den Klimaschutz oder eine breite Anwendungsreife. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Fossil-Exit-Forschungsgruppe, die Greenpeace vergangene Woche veröffentlichte.
Gesetze dürfen nicht für CCS aufgeweicht werden

In der gemeinsamen Erklärung plädieren die Unterzeichnenden für einen raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Erdgas, Kohle und Erdöl. Die Meeresschutzvereinbarungen des London-Protokolls sowie des Hohe-See-Einbringungsgesetzes dürfen im Zusammenhang mit CCS nicht aufgeweicht werden. Stattdessen müssen sämtliche Anstrengungen in Energieeinsparung, Energiesuffizienz und den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien auf 100 Prozent fließen. Ressourcenschonende Produktion, Kreislaufwirtschaft und natürlicher Klimaschutz sollen dabei höchste Priorität erhalten.

Die CDU und die FDP haben nach dem Bruch der Ampelkoalition signalisiert, die geplante Novelle noch vor Neuwahlen zur Abstimmung bringen zu wollen, in einer klimaschädlichen Beschlussvorlage, die CCS für Gaskraftwerke und anderweitig dekarbonisierbare Industrieprozesse erlaubt. “Die Regierungskrise ist keine Entschuldigung, dass wegweisende Entscheidungen in der Klimapolitik übers Knie gebrochen werden. Die fossile Industrie darf nicht mit technologischen Scheinlösungen aus ihrer Verantwortung entlassen werden.”

Pressemitteilung Greenpeace


Gemeinsam gegen den fossilen Irrweg: CCS-Gesetz stoppen
Echte Klimaschutzlösungen jetzt
Mehr als 70 Organisationen und Bürgerinitiativen aus zahlreichen Ländern warnen davor, in der Klimapolitik auf CCS zu setzen (Carbon Capture and Storage). In einem offenen Brief fordern sie die Mitglieder von Bundestag und Bundesrat auf, die Novelle des Kohlendioxid-Speichergesetzes nicht zu beschließen. Andernfalls könnten große CCS-Anlagen und flächendeckende CO2-Pipelinenetze errichtet werden. Jeder Emittent hätte ein Recht auf Anschluss – unabhängig davon, ob seine CO2-Emissionen nicht auch von vornherein hätten vermieden werden könnten. Mit Milliarden an Steuergeldern für CCS würde der Ausstieg aus fossilen Energien verschleppt oder sogar verhindert.

Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg: „CCS ist der Versuch, unser CO₂-Problem einfach unter den Teppich zu kehren – statt die Ursache zu bekämpfen, vergraben wir die Folgen und schaffen dabei neue Risiken für Umwelt, Wasser und kommende Generationen. Es ist absoluter Irrsinn, die Erde als Müllhalde für das zu nutzen, was wir oben verschmutzen, während echte Lösungen, nämlich CO2 einzusparen und aus fossilen Energien auszusteigen, ignoriert werden.“

Die unterzeichnenden Organisationen stammen nicht nur aus dem Bundesgebiet, sondern auch aus Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Polen, Tschechien, Schweden, den USA, Ghana, DR Kongo, UK und Kanada. Sie fordern:

• Keine Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes

• Schnellstmöglicher Ausstieg aus Erdgas, Kohle und Erdöl, gerade auch in der Industrie

• Kein Aufweichen der Meeresschutzvereinbarungen London Protokoll und Hohe-See-Einbringungsgesetz für CCS

• Alle Kraft in Energieeinsparung und Energiesuffizienz, den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu 100 Prozent, eine ressourcenschonende Produktion, Kreislaufwirtschaft und Priorität für natürlichen Klimaschutz.

Hintergrund:

Trotz Ampel-Aus könnte die Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetz noch beschlossen werden. Denn auch die CDU drängt auf eine schnelle Verabschiedung, unter anderem wegen der bereits angekündigten massiven Subventionen für CCS, für die es aktuell keine rechtliche Grundlage gibt.

Die Bundesregierung hat im Mai 2024 eine Änderung des CCS-Gesetzes vorgelegt. Damit sollen die rechtlichen Voraussetzungen für den großmaßstäblichen Transport von CO2 aus Kraftwerken, Industrie und Müllverbrennung geschaffen werden. CO2-Deponien in der Nordsee wären erlaubt. Wenn die Landesregierungen es wollen, auch unter Land. Dafür sollen große Industrieanlagen und ein rund 5000 Kilometer langes grenzüberschreitendes CO2-Pipelinenetz in Deutschland neu errichtet werden, im vermeintlichen „öffentlichen Interesse“. Betreiber sind Gaskonzerne. Enteignungsvorschriften zugunsten der CO2-Pipelines sollen vereinfacht, demokratische Beteiligungsrechte beschnitten werden. Massive Subventionen sind geplant. Auf die Länder und Kommunen kämen hohe Kosten zu.

Schon im Januar 2024 hatte ein Bündnis aus elf Umweltverbänden und Bürgerinitiativen den CCS-Plänen der Ampel widersprochen. Heute zeichnen über 70 Umweltverbände, Bürgerinitiativen und Unternehmen den gemeinsamen offenen Brief und rufen die Zivilgesellschaft auf, ihren Widerspruch sichtbar zu machen und den Offenen Brief zu unterzeichnen.

Pressemitteilung BUND

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