Planungsbeschleunigung: Angriff auf Umweltstandards

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben heute (6.11.) gemeinsam mit dem Bundeskanzler einen Pakt für Planungsbeschleunigung beschlossen. Im Kern zielen die darin benannten Maßnahmen vor allem auf die Einschränkung von Beteiligungsmöglichkeiten und eine Absenkung von Umweltstandards.

 

Auch NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger erkennt Beschleunigungsbedarf, kritisiert aber aus Sicht des Naturschutzes die fehlende Qualität der Beschlüsse:

Die Pläne zur Planungsbeschleunigung versprechen Geschwindigkeit durch den einseitigen Abbau von Umweltstandards. Damit werden viele Errungenschaften des Umweltschutzes der letzten Jahrzehnte aufs Spiel gesetzt. Die Vergiftung von Böden und Flüssen, das Waldsterben, der saure Regen und andere wirtschaftsbedingte Umweltbelastungen wurden durch naturschutzrechtliche Regelungen eingedämmt. Bundeskanzleramt und Landesregierungen wollen Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen abschaffen. Doch Geschwindigkeit wird aktuell vor allem in unterbesetzten Verwaltungen und Gerichten verloren und nicht durch das Abholzen von Wäldern gewonnen. Das kostet Akzeptanz vor Ort und ebnet den Weg in eine neue Ära rücksichtsloser Naturzerstörung – auch zugunsten fossiler Infrastruktur.”

Pressemitteilung NABU


Deutsche Umwelthilfe kritisiert Deutschlandpakt:
Vorwand für Einschränkung von Bürgerbeteiligung und Absenkung von Umweltstandards

Anlässlich der Verabschiedung des sogenannten „Deutschlandpakts“ zur Planungsbeschleunigung durch Bund und Länder kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Einschränkung von Beteiligungsrechten für Bürgerinnen und Bürger und die zunehmende Absenkung von Umweltstandards zugunsten von Interessen der Industrie.

Das kommentiert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH:

Mit dem Deutschlandpakt zur Planungsbeschleunigung wollen Bund und Länder bestehende Umweltstandards sowie Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Umweltverbänden massiv einschränken. Die Vorschläge wirken zunehmend wie eine Wunschliste der Industrie: Mit dem Argument eines vermeintlichen Bürokratieabbaus wird die Beschleunigung klimaschädlicher Vorhaben gerechtfertigt. Die Einschränkung öffentlicher Erörterungstermine, die Reduzierung des inhaltlichen Prüfprogramms und die Beschränkung des Rechtsweges sorgen zudem für weniger Bürgerbeteiligung, Umweltschutz und Rechtsstaatlichkeit. Statt die zahlreichen, bereits beschlossenen Beschleunigungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, werden immer mehr etablierte Standards abgebaut. Die eigentlichen Probleme beim infrastrukturellen Ausbau in Deutschland werden durch den Deutschlandpakt nicht behoben: Notwendig wäre es, Behörden personell besser auszustatten, interne Verfahren zu vereinfachen, vorhandene Daten besser verfügbar zu machen und die Digitalisierung voranzubringen. Hierzu finden sich lediglich Ansätze im nun beschlossenen Pakt. Umweltstandards zu senken und demokratische Teilhabe zu erschweren, wird Deutschland bestimmt nicht für die Zukunft rüsten.“

Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe


„Deutschlandpakt“: Kein Pakt für Natur und Umwelt
Bundesregierung und Länder haben Naturschutz offenbar abgeschrieben

Beim Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurden Beschlüsse zur Planungsbeschleunigung und zum Deutschlandticket gefasst.

Dazu erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): “Mit dem sogenannten Deutschlandpakt wird vor allem klima- und umweltschädliches Bauen beschleunigt. Dagegen bleibt die dringend notwendige Beschleunigung für den Naturschutz und den naturbasierten Klimaschutz aus. Selbst positive Errungenschaften wie die Vereinbarungen zum Personalaufbau in den zuständigen Behörden, zur Datenzusammenführung und zur Vereinheitlichung der Abläufe beim Artenschutz drohen sich so ins Negative zu verkehren. Das kann schnell dazu führen, dass Fehler und Fehleinschätzungen zur Norm werden. Mehr Rechtsunsicherheit und einer Vielzahl von aufwändigen langwierigen Verfahren wären die Folgen. Es drohen rechtswidrige Genehmigungen und weitere Verzögerungen bei der dringend notwendigen Neugestaltung der Wirtschaft. Am Ende wäre nur eins erreicht: eine Beschleunigung der Klima- und Biodiversitätskrise und Unsicherheit für den Bau. Bundesregierung und Länder haben den Naturschutz dabei offenbar abgeschrieben.

Nicht viel besser sieht es bei der Mobilität aus: Für die Verkehrspolitik dieser Regierung bezeichnend ist, dass bei einem für die Mobilitätswende wirksamen Instrument wie dem Deutschlandticket mit spitzer Feder gerechnet wird, während Mittel für klimaschädliche Subventionen wie etwa das Dienstwagenprivileg nicht auf den Prüfstand kommen. Damit Menschen ihr Mobilitätsverhalten dauerhaft ändern, muss das Deutschlandticket ein verlässliches und preisstabiles Angebot werden. Jede Preiserhöhung wird aber die Zahl der Abos verringern. Damit mehr Menschen die Vorteile nutzen können, plädiert der BUND für die Einführung eines deutschlandweit gültigen, einheitlichen Sozialtickets für Schüler*innen, Auszubildende, Studierende und Menschen mit geringem Einkommen. Zeitgleich braucht es deutliche Angebotsverbesserungen insbesondere im ländlichen Raum.“

Pressemitteilung BUND


dazu haben die Hamburger Grünen in der Bürgerschaft diese Meinung:

Bund-Länder-Gipfel
Jasberg: „Wir müssen nun prüfen, ob die finanziellen Zusagen konkret ausreichen“

Auf dem Bund-Länder-Gipfel im Kanzleramt wurden Beschlüsse zu Asylverfahren, Planungsbeschleunigung sowie zum Deutschlandticket gefasst. Insbesondere die angekündigte Beschleunigung von Genehmigungen ist aus Sicht der Grünen Fraktion zu begrüßen. Auch die Zusage des Bundes, den Kommunen mehr Geld für Asylverfahren bereitzustellen, ist überfällig. Niedrigere Leistungen für Asylbewerber*innen sind hingegen das falsche Mittel, um die notwendige Integration vieler Menschen in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu fördern.

Dazu Jennifer Jasberg, Vorsitzende der Grünen Fraktion Hamburg: „Die gefassten Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels sind differenziert zu bewerten. Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist notwendig und geht in die richtige Richtung. Wir brauchen schnell viele neue Windräder sowie Stromtrassen, damit die Energiewende gelingt und wir unabhängig von fossilen Energien werden. Auch beim Wohnungsbau und dem Ausbau der Bahn muss der Turbo eingelegt werden.∗ Zugleich gilt: Um unsere Infrastruktur zu stärken, ist viel Personal nötig – der reine Abbau von Vorschriften reicht nicht aus. Demokratische Beteiligung und die Belange der Umwelt sind auch weiterhin zu berücksichtigen, um zu guten Entscheidungen und hoher Akzeptanz in der Bevölkerung zu gelangen.

Deutlich kritischer fällt unser Fazit bei den Asylverfahren aus. Als Einwanderungsland müssen wir unsere Migrationspolitik fit für die Zukunft machen. Das heißt: Menschen aus dem Ausland, die wir dringend als Arbeitskräfte benötigen, müssen eigenständig für ihr Leben zu sorgen und selbstbestimmt den Alltag gestalten können. Die angekündigte Kürzung von Leistungen für Asylbewerber*innen ist hier der falsche Weg. Geringere finanzielle Anreize werden keinen Menschen davon abhalten, aus einem Kriegsland zu fliehen, das ist wissenschaftlich belegt. Vermeintliche Lösungen wie die Ankündigung schnellerer Abschiebungen bringen uns ebenfalls nicht weiter. Viele der 300.000 Geduldeten sind keine abgelehnten Asylbewerber*innen. Bei vielen Geduldeten lässt die Situation im Herkunftsland eine Rückführung nicht zu. Wir sollten aufpassen, keine Erwartungen zu wecken, die am Ende nicht eingehalten werden. Konkret entlastend für unsere Kommunen wirken andere Maßnahmen: etwa die ebenfalls auf den Weg gebrachte Digitalisierung in den Asylverfahren, die Verlängerung der Geltungsdauer sowie die Reduzierung der Pflichten zur Vorsprache bei den Ausländerbehörden. Auch die schnellere Arbeitsaufnahme von Geflüchteten und die finanzielle Mehrbeteiligung des Bundes stimmen zuversichtlich. Nun müssen wir sicherstellen, dass den Ankündigungen des Bundes auch konkrete Handlungen folgen. Wir müssen genau analysieren und prüfen, ob die finanziellen Zusagen wirklich die notwendige Entlastung für unseren Haushalt bedeuten. Auch beim Deutschlandticket, einem wichtigen Erfolgsprojekt der Ampel, müssen wir sicherstellen, dass es ein Ticket für Alle bleibt und die Mobilitätswende so entscheidend gestärkt wird.“

Pressemitteilung Grüne Fraktion Hamburg

∗ Die WUZ meint: müsste man da nicht differenzieren? Stromtrassen, Mobilitätswende und Wohnungsbau über einen Kamm scheren? Das haben die Grünen wohl nicht zu Ende gedacht…

Foto: Bauen auf der grünen Wiese konnte man in Hamburg schon immer gerne, ob unter SPD oder CDU-Senaten – wie hier am Immenhorstweg wurden 2007/2008 wertvolle Wiesen und Knicks zerstört. Trotz erfolgreichem Bürgerbegehren (2002) evozierte der Senat den Bebauungsplan © wuz

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