Neuer Gesetzentwurf ist Rückschritt für Umwelt, Bürger und Verbände
Mit der aktuellen Gesetzesinitiative des Bundesverkehrsministeriums würden Umweltrecht und Beteiligungsmöglichkeiten für Verbände und Bürger stark eingeschränkt. Der NABU setzt sich stattdessen für bessere Planung und frühzeitige Beteiligung ein.
Zeitintensive Planungs- und Genehmigungsverfahren von Infrastrukturprojekten zu beschleunigen, ist an sich eine gute Sache. Nur darf eine solches Vorhaben nicht bedeuten, dass das Umweltrecht geschmälert wird oder Beteiligungsmöglichkeiten für Verbände oder Bürgerinnen und Bürger gekürzt werden. Doch genau das beinhaltet die aktuelle Gesetzesinitiative des Bundesverkehrsministerium (BMVI). Dabei wurde der tatsächliche Bedarf für Beschleunigung und das vorhandene Beschleunigungspotenzial vorher noch nicht einmal analysiert. Das ist Gesetzgebung mit der Brechstange und völlig ungeeignet, eine effektive Planungsbeschleunigung zu erreichen. Mit der jetzigen Initiative scheint das Ministerium bewusst in Kauf zu nehmen, dass irreversible Umweltschäden entstehen.
Das Beipiel Elbvertiefung zeigt: Infrastrukturprojekte dauern teilweise wirklich sehr lange und kosten viel Geld. Es ist nachvollziehbar und begrüßenswert, daran etwas ändern zu wollen. Nur bedarf es hierfür auch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Problem und eine Untersuchung, welche Faktoren tatsächlich die Planungsverfahren verlängern. Einfach die Umweltverbände sowie Bürgerinnen und Bürger ohne nähere Untersuchung der Sachlage als Sündenbock abzustempeln, wie es vielfach passiert, greift zu kurz.
Drastische Einschränkungen im Verbandsklagerecht
Im aktuellen Gesetzentwurf, der am 18. Juli 2018 ins Kabinett eingebracht wurde, ist geplant, sowohl den Erörterungstermin zu streichen, als auch die Klagebegründungsfrist zu verkürzen und vorläufige Maßnahmen zu ermöglichen. Vorläufige Maßnahmen wären zum Beipiel Rodungsarbeiten, die schon durchgeführt werden sollen, bevor über die Genehmigung des gesamten Infrastrukturvorhabens entschieden wurde. Und der Koalitionsvertrag und das vom BMVI initiierte „Innovationsforum Planungsbeschleunigung“ lassen noch Schlimmeres erwarten.
Denn im Koalitionsvertrag heißt es: „Zudem wollen wir auf Grundlage europäischen Rechts das Verbandsklagerecht in seiner Reichweite überprüfen und uns auf EU-Ebene für die Wiedereinführung der Präklusion einsetzen.“ Jedoch würde jede weitere Einschränkung des Verbandsklagerechts klar gegen die Vorgaben des Unions- und Völkerrechts verstoßen. Gleiches gilt für die Wiedereinführung der sogenannten materiellen Präklusion. Materielle Präklusion bedeutet, dass Einwände, die nicht bereits vor einer bestimmten Frist, beispielsweise auch im Widerspruchsverfahren, geltend gemacht wurden, im zukünftigen Verfahren, also auch im Klageverfahren, ausgeschlossen sind. Im schlimmsten Fall kann dann eine gesamte Klage abgewiesen werden.
NABU fordert echte Verbesserungen
Der NABU nimmt diese Entwicklungen nun zum Anlass, das Thema Planungsbeschleunigung auf den Prüfstand zu stellen und die Mythen der klagefreudigen und verfahrensaufhaltenden Umweltverbände zu beseitigen. Dabei werden die Rolle und Bedeutung der Verbände- und Bürgerbeteiligung dargestellt und konkrete Vorschläge für eine bessere und schnellere Planung unter voller Einbeziehung aller Beteiligten gemacht.
Insbesondere schlägt der NABU vor:
eine frühere und echte Beteiligung von Verbänden, solange noch alle Optionen offen sind,
eine Verbesserung im Gutachterwesen bei der Planung, zum Beispiel durch Zertifizierung für bessere Qualitätsstandards und neutrale Beauftragung von Gutachtern sowie eine zentrale Vorhabendatenbank,
eine vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention und des Unionsrechts,
eine umfassende Alternativenprüfung für die Vorhabenplanung, um auch Projektalternativen und Nullvarianten mit einzubeziehen.
Der Verkehrsminister tut der Gesellschaft und der Umwelt keinen Gefallen, Projekte mit der Brechstange durchsetzen zu wollen. Der NABU ist überzeugt: Eine umfangreiche Bürgerbeteiligung stärkt die demokratische Legitimation eines Vorhabens, schützt Umwelt und Natur und bringt zudem große Vorteile für die Vorhabenträger selbst. Gründlichere Planung bedeutet in diesem Sinne schnellere Planung.
Pressemitteilung NABU Deutschland
Umweltverbände kritisieren Gesetzentwurf zur Planungsbeschleunigung als ungeeignet
Frühzeitige und umfassende Beteiligung beschleunigt Planungen – Geplante Einschränkungen des Umweltrechts führen nur zu Verzögerungen
Die Umweltverbände BUND, DUH und NABU sowie der Umweltdachverband DNR haben den heute von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich als ungeeignet kritisiert. Mit den geplanten Einschränkungen des Umweltrechts und den damit zu erwartenden Klagen dagegen würden Verfahren verzögert statt sie zu beschleunigen. Eine Beschleunigung könne hingegen nur erreicht werden, wenn Umwelt- und Klimabelange von Beginn an berücksichtigt und in einem frühzeitigen und umfassenden partizipativen Beteiligungsprozess erörtert würden. Vor allem bei den Straßenplanungen fehle eine vernünftige Priorisierung zum Erhalt und zu einer sinnvollen Ergänzung des Straßennetzes wie auch das frühzeitige Prüfen von Alternativen mit Nullvariante. Klima- und Umweltschutz spielten bei den 1.300 Straßenbauprojekten de facto keine Rolle.
Kritik äußern die Umweltverbände auch an der geplanten Einführung der Regelung für vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen für Straßen- und Eisenbahnbauvorhaben, vor allem, wenn diese den Artenschutz betreffen. Zwar hätten die Umweltverbände durchaus Verständnis, wenn beispielsweise Brücken im Bestand zügig saniert würden. Dies dürfe aber nicht zu einem Freifahrtschein für jegliche Vorhaben werden, sondern müsse klar auf Projekte zur Erhaltung des Bestandsnetzes beschränkt werden. Besonders im Bereich der Bahn könne Planungsbeschleunigung ein Schlüssel für den Erfolg der klimapolitisch notwendigen Verkehrswende sein. Deshalb müsse auch zwischen den Vorschlägen für Schiene und Straße unterschieden werden.
Konstruktive Ansätze – wie die Ausweitung einer elektronischen Öffentlichkeitsbeteiligung und die Einführung eines Projektmanagers für Planfeststellungsverfahren – könnten über die Vielzahl der Mängel des Gesetzentwurfes nicht hinwegtäuschen. Teilweise seien die Vorschläge nach Einschätzung der Verbände gar europarechtlich bedenklich.
Nach Überzeugung der Umweltverbände werde die im Gesetzentwurf vorgesehene Einführung und der Ausbau des Genehmigungstyps “Plangenehmigung mit Umweltverträglichkeitsprüfung” die Vollzugsbehörden eher verwirren und zu rechtlichen Unklarheiten führen. Denn entweder müsse in der Praxis ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden, was eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit Öffentlichkeitsbeteiligung voraussetze. Oder es gehe eine Nummer kleiner ohne UVP und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Eine Plangenehmigung mit UVP vermische beide Zulassungstypen und hebe die Vorteile beider Verfahren auf. “Im Ergebnis weiß am Ende niemand, was zu tun ist, und der praktische Vorteil steht nur auf dem Gesetzespapier”, so die Verbände weiter.
Die Verbände weisen ferner darauf hin, dass der Erörterungstermin die einzige öffentliche Möglichkeit ist, Aspekte zum Vorhaben zu besprechen. Hierauf zu verzichten, werde schnell zum Bumerang und führe gerade nicht zu einer Beschleunigung – Stuttgart 21 sei dazu ein mahnendes Beispiel. “Eine zielführende Beschleunigung macht erst nach ausreichender Problemanalyse Sinn. Diese ist bislang nicht zu erkennen. Mit einem unüberlegten Vorgehen kann sich die gewünschte Beschleunigung schnell ins Gegenteil verkehren”, betonten die Verbände.
Gemeinsame Pressemeldung von BUND, DUH, NABU und DNR