Greenpeace-Aktive setzen Leuchtzeichen am Reichstag gegen ein aufgeweichtes Klimaschutzgesetz
Mit einer Projektion an die Fassade des Berliner Reichstages protestieren Aktive von Greenpeace heute gegen den Versuch der Regierungskoalition, das aufgeweichte Klimaschutzgesetz (KSG) im Bundestag zu beschließen. Die komplette Breite des Gebäudes ist mit “Stoppt das KlimaSCHMUTZgesetz” überschrieben. “Ein KSG ohne verbindliche Reduktionsziele für einzelne Sektoren ist der klägliche Versuch der Ampel, ihre Versäumnisse beim Klimaschutz nachträglich zu legitimieren”, sagt Benjamin Stephan, Klima-Experte von Greenpeace.
“Nur wenige Tage nach dem wegweisenden Klimaschutzurteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, will die Ampel Verkehrsminister Volker Wissing für seine bisherige Untätigkeit im Verkehrssektor einen Persilschein ausstellen. So wäre er bis 2030 aus der Pflicht entbunden, die Emissionen im Verkehr mit zusätzlichen Maßnahmen zu mindern. Das entkernte KSG verstößt gegen das Menschenrecht auf Klimaschutz. Wir fordern die Bundestagsabgeordneten deshalb dazu auf, dem KSG nicht zuzustimmen!”
Ampel missachtet Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) trägt Staaten auf, schlüssige Klimaschutzkonzepte vorzulegen. Diese Auflage missachtet die Bundesregierung. Neben dem Wegfall der Sektorziele beinhaltet das KSG ein weiteres Schlupfloch: Künftig müsste die Bundesregierung erst dann mit schärferen Maßnahmen nachsteuern, wenn die Klimaziele in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlt worden sind. Damit fehlt die Verpflichtung in Problemsektoren wie dem Verkehr oder bei Gebäuden, vor 2030 zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Untätigkeit heute hätte zur Folge, dass im kommenden Jahrzehnt drastischere Maßnahmen umgesetzt werden müssten, um die mittel- und langfristigen Klimaziele Deutschlands noch zu erreichen. Diese Ungleichverteilung zulasten jüngerer Generationen führte 2021 dazu, dass das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von Greenpeace die erste Fassung des KSG für verfassungswidrig erklärt hatte.
Parallel zur Abstimmung im Bundestag wird keine zwei Kilometer entfernt die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Petersberger Klimadialog erwartet. Die internationale Konferenz nutzte die Bundesregierung bislang dazu, eigene Bemühungen zum Klimaschutz vorzustellen und damit Impulse für die internationale Klimapolitik zu geben. ”Es ist absurd, dass der Bundeskanzler seine Koalition das KSG aushöhlen lässt, just während er zu Regierungsvertretern anderer Staaten über Klimaschutz spricht”, sagt Stephan.
Pressemitteilung Greenpeace
Klimaschutzgesetz: BUND kritisiert fatale Politik der Ampel
Die heute vom Bundestag zu beschließende Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG) kommentiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Das Klimaschutzgesetz wurde dem Ampel-Frieden geopfert. Damit steht Deutschland jetzt ohne wirksames Gesetz da, um Klimaschutz in nötigem Umfang sicher zu stellen. Die Neuerungen stellen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aus unserer Sicht grundsätzlich in Frage. Die Aufkündigung von Verbindlichkeit und Verantwortung in den Sektoren bedeutet eine massive Schwächung des Klimaschutzes. Es stellt das Erreichen der Klimaziele grundsätzlich in Frage, wenn Nachsteuerung ab jetzt von Annahmen über künftige Emissionsentwicklungen abhängt. Die Maßnahmen in trägen Sektoren wie Gebäude und Verkehr drohen dadurch deutlich zu spät anzusetzen.“
Der BUND hat daher gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) die Jurist*innen Dr. Franziska Heß und Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt beauftragt, rechtliche Schritte gegen diesen Verfassungsbruch zu prüfen. Dazu erklärt Olaf Bandt:
„Die Vorsorge für das Wohlergehen und die Freiheiten künftiger Generationen ist so nicht gegeben. Angesichts der bereits heute dramatischen Folgen der Klimaveränderung ist das nicht hinnehmbar. Es ist die Aufgabe der heutigen Bundesregierung, die Einhaltung der Pariser Klimaziele sicherzustellen. Wir fordern wirksame Maßnahmenpakete und ein Klimaschutzgesetz, dass die Politik auf Kurs hält.“
Hintergrund:
SFV und BUND haben erstmals 2018 eine erste Verfassungsbeschwerde gegen die klimapolitische Untätigkeit der damaligen Bundesregierung eingereicht. Das “Klimaurteil” des BVerfG vom 25. März 2021 gab dieser sowie mehreren später eingereichten Klimaklagen teilweise Recht. Das KSG in seiner vorherigen Form wurde daraufhin (wenn auch unzureichend) nachgeschärft, heute ist dieses Gesetz radikal entkernt worden. Die beiden Umweltschutzorganisationen werden sich aus diesem Anlass erneut mit dem Ziel einer rechtlichen Klärung zusammentun. Die beauftragten Jurist*innen haben schon die Klage von 2018 zum Erfolg geführt.
Der BUND hat Anfang 2023 erneut Klage gegen die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Treibhausgas-Sektorziele für Verkehr und Gebäude eingereicht. Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung mit Urteilen vom 30. November 2023 verpflichtet, ein Sofortprogramm zum Klimaschutz zu erarbeiten und zu beschließen. Die Bundesregierung ist dagegen in Revision gegangen und ändert nun die Gesetzesgrundlage, um vorgeblich nicht mehr tätig werden zu müssen.
Pressemitteilung BUND
Klimaschutzgesetz: Staffelstab wird vorzeitig weitergegeben
Krüger: Ampel könnte Hände in den Schoß legen
Der Deutsche Bundestags hat heute die Novellierung des Klimaschutzgesetzes verabschiedet. Damit droht ein Riesen-Rückschritt für den Klimaschutz.
Die Änderung des Klimaschutzgesetzes bedeutet, dass die Ampel bis zur Bundestagswahl 2025 keine weiteren Maßnahmen vorlegen muss, wenn die Klimaziele wieder verfehlt werden. Dies wird auf die nächste Bundesregierung verschoben und schränkt auch die Möglichkeit ein, das Einhalten der Ziele einzufordern und einzuklagen.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: “Die Ampel stiehlt sich aus der Verantwortung. Bis zur Bundestagswahl 2025 könnte sie beim Klimaschutz faktisch die Hände in den Schoß legen. Es liegt jetzt an den Umweltverbänden und der gesamten Zivilgesellschaft, das zu verhindern. Auch wenn es nun schwieriger wird, Klimaschutz bei einer Zielverfehlung einzuklagen. Wie schon bei der Planungsbeschleunigung droht ein weiterer faktischer Abbau demokratischer Beteiligungsrechte.”
Pressemitteilung NABU
Deutsche Umwelthilfe zur Entkernung des Klimaschutzgesetzes im Bundestag:
„Ein Schlag ins Gesicht junger Menschen und zukünftiger Generationen“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verurteilt die heutige Zustimmung des Bundestages zur Entkernung des Klimaschutzgesetzes aufs Schärfste. Erst gestern hatte ein breites Bündnis aus Umwelt- und Klimaschutzorganisationen, Juristinnen und Juristen dargelegt, dass die Gesetzesnovelle nicht nur verheerende Folgen für den Klimaschutz mit sich bringen wird, sondern auch als verfassungswidrig einzuschätzen ist. Die DUH appelliert an den Bundesrat, die Gesetzesänderung abzulehnen und behält sich alle rechtlichen Schritte vor.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH:
„Heute ist ein rabenschwarzer Tag für den Klimaschutz. Alle Abgeordneten, die dieser Entkernung des Bundesklimaschutzgesetzes zugestimmt haben, schlagen damit insbesondere jungen Menschen, Kranken und all jenen offen ins Gesicht, die heute schon massiv unter der Erderhitzung leiden. Kommt dieses Gesetz, muss in der laufenden Legislaturperiode keine einzige weitere Klimaschutzmaßnahme auf den Weg gebracht werden. Für Verkehrsminister Wissing ist der Wegfall von Sektor- und Jahreszielen ein Freifahrtschein, sich seiner Verantwortung für die aktuelle Klimaschutzlücke im Verkehr von mindestens 180 Millionen Tonnen CO2 ungestraft zu entziehen. Die Abgeordneten nehmen mit ihrer Zustimmung in Kauf, dass Deutschland künftig milliardenschwere Strafzahlungen leisten muss, da EU-rechtliche Klimavorgaben absehbar nicht eingehalten werden. Jetzt liegt es am Bundesrat, ein klares Zeichen zu setzen: Wir fordern alle Mitglieder des Bundesrates auf, ihrer Verantwortung für heutige und kommende Generationen gerecht zu werden und diese katastrophale Gesetzesänderung abzulehnen. Sollte dieses Gesetz jedoch in Kraft treten, werden wir alle rechtlichen Mittel zur Durchsetzung wirksamen Klimaschutzes prüfen und ergreifen.“
Pressemitteilung DUH