Raus aus der Konkurrenzfalle – und Reaktion des BUND

Grüne steuern im Norden eine gemeinsame und koordinierte Hafenpolitik an
Die Grünen in Norddeutschland wollen die Konkurrenz in der Hafenpolitik der jeweiligen Bundesländer überwinden. Die Entwicklung der deutschen Seehäfen soll sich künftig an gemeinsamen Interessen ausrichten und unter anderem mit einem norddeutschen Hafenplan koordiniert werden.

 

Das gemeinsame Ziel laute „Raus aus der Konkurrenzfalle“ und bedeute eine gemeinsame und koordinierte Hafenpolitik in den fünf norddeutschen Bundesländern mit Seehäfen, heißt es in einem Strategie- und Positionspapier, dass die Vorsitzenden der fünf Grünen-Fraktionen in den Landesparlamenten von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein am Dienstag in Cuxhaven vorgestellt haben. Nur so lassen sich die immensen wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen für die Häfen als zentrale Umschlagplätze mit ihrer Schlüsselfunktion für die deutsche Wirtschaft und besonders die norddeutschen Küstenregionen bewältigen. Die Rolle der Seehäfen als Knotenpunkt globaler Wirtschaftsbeziehungen wird derzeit besonders deutlich an den Lieferkettenstörungen infolge der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des russisch-ukrainischen Kriegs h. Auch für die künftige Energiesicherung und Energieerzeugung sind die Häfen bedeutend.

Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Norden wollen die Hafenpolitik länderübergreifend und in Kooperation mit dem Bund an gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen, aber auch am Gewässer- und Klimaschutz neu ausrichten. Das Ziel der Klimaneutralität verlangt von der Schifffahrtsbranche einen gewaltigen Kraftakt in Richtung nachhaltiger Antriebstechnologien. Die Digitalisierung verändert die betrieblichen Prozesse in der maritimen Wirtschaft enorm. Der Wandel von Berufsbildern und Qualifikationen ist bei den Beschäftigten angekommen.

„Die vertiefte und systematische Kooperation der deutschen Seehäfen ist aus grüner Sicht ein zwingendes Gebot der ökonomischen und ökologischen Vernunft“, stellen die Fraktionsvorsitzenden in dem Positionspapier heraus. „Alle Hafenstandorte können sich zu Zentren der sozial-ökologischen Transformation und zu Innovations-Hotspots für die gesamte deutsche Wirtschaft (…) und zu Vorreitern einer nachhaltigen Hafenentwicklung in Europa und weltweit entwickeln.“

Die wirtschaftliche Konkurrenz der norddeutschen Hafenstädte erweist sich auch vor dem Hintergrund europäischer Mitbewerber und der Marktmacht großer Reederei-Allianzen für alle seit Jahren als problematisch. Die globale Entwicklung der Schiffsgrößen bei Containerschiffen setzt unsere Häfen und die Gewässerökologie unter Druck. Mit einer Kooperation über Landesgrenzen hinweg soll der folgenreiche Wettbewerb auf Kosten von Umwelt und Wirtschaftlichkeit und damit letztlich der Steuerzahler*innen beendet werden. Ziel muss es sein, die deutschen Seehäfen schiffbar und funktionsfähig zu halten und ihre Eigenständigkeit und Alleinstellungsmerkmale zu stärken. Den Kreislauf von immer größeren Containerschiffen, die zu immer weiteren Flussvertiefungen führen, wollen wir stoppen. Die Seehäfen können so gemeinsam an Effizienz und Nachhaltigkeit gewinnen, insbesondere mit Blick auf die Digitalisierung der Hafenwirtschaft, die Schaffung von Infrastrukturen für eine klimafreundliche Schifffahrt und die Fachkräftegewinnung. Dazu dienen neben einem von der Politik zu entwickelnden norddeutschen Hafenplan auch Kooperationen der Terminalbetreiber und der Port Authorities.

Gerade für die Nachhaltigkeit müssen sich Länder und Bund auf nachprüfbare Ziele verständigen. Ein ökologisches Sedimentmanagement kann den Baggerbedarf reduzieren und geeignetes Baggergut bspw. für Klimafolgenanpassungen im Deichbau oder zur Landerhöhung nutzen. Die Fraktionsvorsitzenden sehen sich in der Verantwortung, einmalige Lebensräume wie das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer, die Küstenregionen, Nordsee-Inseln, den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft und die Flussgebietsgemeinschaften von Elbe, Weser und Ems zu schützen. Diese Flüsse und ihre Mündungen sind durch fortwährende Fahrrinnenvertiefungen aus dem Gleichgewicht geraten. Die Fürsorge dafür ist Sache von Bund und Ländern, wobei der Bund eine koordinierende Funktion übernehmen und seine direkten Investitionen sowie Finanzhilfen an Zielen und Nachhaltigkeitskriterien knüpfen muss.

Deshalb wollen die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen in den fünf norddeutschen Landesparlamenten mit den norddeutschen Seehäfen die sozial-ökologische Transformation gemeinsam kraftvoll vorantreiben – und zwar durch:

– Eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Seehäfen, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Marketing und Fachkräftegewinnung. Es gilt, die Stärken unserer Standorte auszubauen und die Herausforderungen des Strukturwandels in der maritimen Wirtschaft gemeinsam zu bewältigen.

– Eine vorausschauende Koordinierung von Investitionsplanungen zum Aufbau der Versorgungsinfrastruktur für eine emissionsärmere und klimaneutrale Schifffahrt sowie als Beitrag für eine versorgungssichernde Energiewende. Investitionen sind effizient und zielgerichtet zu tätigen, hier kann der Bund über seine Investitions- und Fördertätigkeit koordinierend wirken.

– Eine länderübergreifende Sedimentmanagementstrategie, die den Lebensraum Meer schützt, unsere Flüsse nachhaltig bewirtschaftet und einen zukunftsfesten Hochwasserschutz gewährleistet. Ein zeitnah einzuberufender norddeutscher Sedimentmanagementgipfel mit dem Ziel einer nachhaltigen Einigung zwischen den Küstenländern zusammen mit dem Bund soll dafür die Grundlagen schaffen.

– Einen generellen Verzicht auf weitere Fahrrinnenvertiefungen in den norddeutschen Ländern.

– Stärkere Kontrollen und die Durchsetzung internationaler Verpflichtungen in unseren Häfen sowie auf europäischer und globaler Ebene, um gute Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz sowie die Sicherung von Containern und Ladung zu gewährleisten.

Kurzstatements der Fraktionsvorsitzenden der Grünen in den 5 norddt. Landesparlamenten:

Dominik Lorenzen, Hamburg: „Von einer guten Zusammenarbeit werden wir Hamburger*innen langfristig auf vielen Ebenen profitieren. Nur durch starke Kooperation können wir unseren Wohlstand erhalten. Nur in einem tragfähigen Netzwerk wird der Hamburger Hafen in einer Welt der globalen Warenströme seine Stärken optimal ausspielen. Ökologie und Ökonomie müssen dabei nachhaltig zusammengeführt werden. In der Vergangenheit hatte der wirtschaftliche Druck auf Entscheidungen wie Elbvertiefungen fatale Folgen für Flora und Fauna und letztlich auch für die Menschen in Hamburg. Wir müssen dafür sorgen, dass die natürlichen Ressourcen der Elbe für nachfolgende Generationen geschützt und nachhaltige Lösungen für unseren Hafen gefunden werden. Das geht nur gemeinsam mit unseren Nachbarn. Einen wichtigen Anfang haben wir heute mit unserem gemeinsamen Strategie- und Positionspapier gemacht.“

Björn Fecker, Bremen: „Immer größer, immer tiefer, immer egoistischer – mit diesem Geschäftsmodell droht den Häfen der Untergang. Die deutschen Seehäfen müssen auf Kooperations-Kurs gehen, wenn sie gegen die Konkurrenz aus Rotterdam und Antwerpen bestehen wollen. Damit lässt sich die Flaute in den Häfen abwenden. Die Hafenkooperation kann kräftigen Rückenwind für den wirtschaftlichen Erfolg und die Sicherung von Arbeitsplätzen entfalten. Die derzeitige Konkurrenz von Hamburg, Bremen und Niedersachsen um dieselben Containerschiffe führt zu Doppelt- und Dreifachinvestitionen in die Hafenstandorte, die zusammen klüger genutzt werden können: für die rasche Digitalisierung der Hafenwirtschaft, für mehr Flächeneffizienz, Infrastrukturen für eine klimafreundliche Schifffahrt und nicht zuletzt für die Fachkräftegewinnung. Eine gemeinsame Hafenstrategie für die Deutsche Bucht macht vor allem auch immer weitere Flussvertiefungen mit ihren fatalen Folgen für die Umwelt überflüssig. Ökonomisch und ökologisch ist die Hafenkooperation das Gebot der Stunde.“

Dr. Harald Terpe, Mecklenburg-Vorpommern: „Die Kooperation der Küstenländer eröffnet die Chance, dass die norddeutschen Hafenstandorte zu Innovationstreibern werden: für Umwelt- und Klimaschutz, für sichere und saubere Energieversorgung, für faire Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne, für Qualität statt Billigkonkurrenz. Die Schifffahrt hat langfristig nur eine Perspektive, wenn wir die Zukunft für die hier beschäftigten Menschen sozial und nachhaltig gestalten. Lohndumping und geringen Sicherheitsanforderungen müssen wir mit vereinten Kräften entgegentreten. Gemeinsam wollen wir deshalb für gute Arbeit- und Ausbildungsbedingungen sorgen, Fachkräfte gewinnen und dadurch unsere Hafenstandorte sichern. Mit dem Seehafen Rostock als größten Hafen an der deutschen Ostseeküste geht auch für uns in Mecklenburg-Vorpommern eine besondere Verantwortung einher. Wir fühlen uns der maritimen Wirtschaft verpflichtet, sie ist in der Tradition unseres Bundeslandes fest verankert. Doch die Zeichen der Zeit sind klar: Nur in einem starken Verbund bleibt die norddeutsche Hafenlandschaft international konkurrenzfähig.“

Julia Willie Hamburg, Niedersachsen: „Gemeinsam geht es besser! Das soll künftig auch in der Hafenpolitik in Deutschland gelten. Wir müssen erkennen, welche wirtschaftlichen Nachteile und ökologischen Schäden die Konkurrenz der deutschen Seehäfen und die Scheuklappen der regionalen Hafenpolitiken bis heute hat. Das wollen wir beenden. Wir wissen, dass dies ein ehrgeiziger Plan ist. Wir wollen in unseren jeweiligen Ländern das Konkurrenzdenken der Standorte untereinander beenden und den Kreislauf aus Flussvertiefungen und Schlickverklappungen beenden. Nur Kooperation stärkt unsere Häfen langfristig, sichert Arbeitsplätze und vermeidet ökologische Konflikte frühzeitig. Zukunftsfähige Häfen sind ein zentraler Bestandteil einer klimagerechten Wirtschaft und lebendiger Flüsse und Meere.“

Lasse Petersdotter, Schleswig-Holstein: „Die Hafenlandschaft Schleswig-Holsteins leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Für die Verarbeitung und Produktion Erneuerbarer Energien ist eine verlässliche Infrastruktur an den Küsten maßgeblich. Das Logistikkreuz von Elbe und Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel ist die ideale Basis für die Verteilung und Verarbeitung von Grünem Wasserstoff. Starke Häfen sind für eine klimafreundliche Logistik entscheidend. Etwa für die Offshore-Windparks über den Standort Helgoland in Schleswig-Holstein. Um unsere Gesamtwirtschaft nachhaltig auszurichten, brauchen wir gut synchronisierte Häfen mit ausgebauten Hinterland-Anbindungen mit einem robusten Schienennetz.“

Pressemitteilung Grüne Fraktion Hamburg


Position der Grünen zur Hafenpolitik:
Klare Absage an Schlickverklappung vor Scharhörn fehlt

BUND begrüßt „grüne“ Ideen für eine stärkere Hafenkooperation und besseres Sedimentmanagement / Positionspapier muss in neuen Hafenentwicklungsplan eingehen

Der BUND Hamburg hält das von den GRÜNEN präsentierte gemeinsame Positionspapier für eine norddeutsche Hafenpolitik für richtig und für längst überfällig. Unter dem Motto „Raus aus der Konkurrenzfalle“ haben die Grünen-Fraktionsvorsitzenden in den Landesparlamenten von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein heute in Cuxhaven ihre Vorstellung für eine koordinierte Politik der deutschen Seehafenstandorte skizziert.

Dazu Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg: „Wir freuen uns, dass die GRÜNEN das Thema Elbe und Hafen länderübergreifend neu aufgreifen und eigene Akzente setzen. Inhaltlich werden richtige und wichtige Punkte angesprochen. Nicht alle sind neu. So fordern die Umweltverbände seit über 20 Jahren eine Hafenkooperation zum Schutz der Flüsse und ihrer Tier- und Pflanzenwelt. Hätten die GRÜNEN dies frühzeitig im Rahmen ihrer jeweiligen Regierungsbeteiligungen eingebracht, hätten die beiden letzten Elbvertiefungen mit ihren bekannten, fatalen Folgen für die Ökologie der Elbe vermieden werden können.

Im Hinblick auf das in der Pressekonferenz der Grünen angesprochene „ökologische Sedimentmanagement“ fordert der BUND eine klare Absage an die Verklappung von Sedimenten aus der Elbe vor der Vogelschutzinsel Scharhörn sowie an anderen Standorten im Nationalpark Wattenmeer. Der vorgeschlagene „Sedimentmanagementgipfel“ müsse schnell ins Handeln kommen und dürfe nicht nur eine weitere Gesprächsrunde sein, während die Hamburg Port Authority (HPA) möglicherweise bereits im Oktober tonnenweise schadstoffbelasteten Schlick ins Wattenmeer bei Scharhörn kippe.

Das Eingeständnis der GRÜNEN, dass die neunte Elbvertiefung angesichts der nicht mehr beherrschbaren Schlickmengen „ökologisch gescheitert“ ist, muss aus Sicht des BUND zu Konsequenzen führen. Der Verzicht auf weitere Fahrrinnenvertiefungen reiche nicht aus, vielmehr müsse im Rahmen einer norddeutschen Hafenkooperation ernsthaft geprüft werden, ob im Rahmen einer Arbeitsteilung der Häfen die Fahrrinnentiefe der jüngsten Vertiefung überhaupt notwendig ist – oder ob Baumaßnahmen wie die Begegnungsbox bei Wedel auch bei weniger Tiefe ausreichend Nutzen für Hafenwirtschaft und die Schifffahrt bringen könnten.

Es sei höchste Zeit, die wirtschaftlichen Interessen mit den Anforderungen an den Gewässerschutz zu verknüpfen. „Wir sind gespannt, ob sich die GRÜNEN mit ihren Erkenntnissen und Ideen bei ihren jeweiligen Koalitionspartnern durchsetzen können,

in Hamburg etwa in dem angekündigten Hafenentwicklungsplan der zurzeit erarbeitet wird. Gelingt dies nicht, ist das grundsätzlich gute Papier der GRÜNEN schon bald Makulatur“, so die BUND-Vorsitzende.

Pressemitteilung BUND Hamburg

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