Warum der NABU Ammersbek sich über Kuhfladen freut
Zäune in Naturschutzgebieten sind meist nicht das, was man dort erwartet. Wenn diese jedoch dazu dienen, die Artenvielfalt zu erhöhen, können sie hochwillkommen sein.
Im Naturschutzgebiet Heidkoppelmoor, das auf Ammersbeker, Ahrensburger und Hamburger Flächen liegt, wurde deshalb mit finanzieller Unterstützung durch die Umweltlotterie BINGO eine Fläche eingezäunt, um mithilfe extensiver Beweidung die Pflanzenvielfalt der Offenlandschaft zu erhalten und zu fördern. Seit rund einem Monat grast etwa ein halbes Dutzend Robustrinder des Bio-Landwirtes Dieter Cordes auf dieser Wiese im Kern des Naturschutzgebietes. Er hatte sich zu einer Kooperation mit dem NABU bereit erklärt und auch den Zaunbau praktisch übernommen.
Bereits wenige Tage nach dem Auftrieb der Tiere war bereits ein Teil der Pflanzen, die sich übermäßig in dem Gebiet vermehrt hatten und die Fläche verbuschen ließen, abgefressen. Aber es zeigte sich ein weiterer positiver Effekt: Die Kuhfladen auf der Weide waren unerwartet gut von verschiedenen Fliegen und Käfern besucht. Larven hatten schon zahlreiche Gänge gegraben, in kurzer Zeit waren die Fladen durchlöchert von Fraßgängen. Die Besiedlungsdichte des Kotes auf dieser neuen Weide hob sich deutlich von einer anderen Weidefläche ab, auf der die Kuhfladen so gut wie insektenfrei sind.
Normalerweise dienen die reichhaltigen Hinterlassenschaften von Rindern und anderen Weidetieren vielen Käfer- und Fliegenarten als Nahrung und Brutstätte. Sie sorgen dafür, dass alles schnell umgesetzt wird. Von kotfressenden Käfern sind einige gut bekannt, aus Abbildungen in Pharaonengräbern oder Kinderbüchern: Skarabäus und Pillendreher.
Die auf Kot angewiesene Käferfauna ist in Deutschland die vergangenen Jahre immer arten- und individuenärmer geworden. Der Grund dafür ist nicht nur die Abnahme der Weidehaltung bei Kühen, sondern vor allem ein Medikament. Weidetiere bekommen für Behandlung und Prophylaxe Entwurmungskuren mit einem zur Gruppe der Avermectine gehörenden Wirkstoff. Das Problem ist, dass Wiederkäuer nur 30 Prozent des Wirkstoffes umsetzen und den Rest unverändert ausscheiden. Und in den Pferdeäpfeln, Schafsködeln und Kuhfladen wirkt der Wirkstoff weiter, als Käferkiller.
Aber selbst in Naturschutzgebieten stehen solcherart behandelte Rinder. Ihre Fladen sind quasi tot. Dies führte dazu, dass deutschlandweit die Dungkäferfauna zusammengebrochen ist. Ökologische Betriebe, die nach Bioland-Richtlinien arbeiten, dürfen Avermectine nicht einsetzen. Bei Demeter-Betrieben dürfen nur einzelne Tiere damit gegen Ektoparasiten behandelt werden.[1]
Auch in Ammersbek haben die Entwurmungsmittel zu einem starken Rückgang der Insekten auf Pferdeweiden und den wenigen Grünlandflächen für Rinder geführt. Hinzu kommt, dass Pferdehalter Fliegenfallen gegen Bremsen aufstellen. Diese töten aber alle Insekten, die von ihnen angeflogen werden. Der Anteil der Pferdebremsen beträgt dabei weniger als zehn Prozent. Über 90 Prozent der Opfer und damit Abertausende, sind andere Insekten.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders wertvoll, wenn sich Halter von Weidetieren finden, die mit einfachen Vorsichtsmaßnahmen das Insektensterben verringern. Denn Avermectine werden über fünf Tage nach der Entwurmung ausgeschieden, bei Überdosierung zwei Wochen lang[2]. Wenn die Tiere erst nach dieser Zeit auf die Weide kommen, ist daher viel gewonnen.
Die Betreuer des Naturschutzgebietes Heidkoppelmoor und auch die für die Fläche zuständige Revierförsterei Volksdorf hatten mit Biobauer Cordes abgesprochen, dass seine Kühe unbehandelt in das Gebiet kommen oder aber im Winter mehrere Wochen vor Weideauftrieb behandelt werden, so dass der überwiegende Teil des Medikaments auf dem Hof ausgeschieden wird.
Da die Schutzgebietsbetreuer auch Vogel- und Insektenmonitoring betreiben, mit regelmäßigen Berichten an das zuständige Landesamt, entdeckten sie schnell, dass die neuen Rinder einen richtig scheun’n Schiet für Insekten hinterlassen und damit das Naturschutzgebiet gleich zweifach bereichern. Nicht nur auf die Pflanzenvielfalt sondern auch auf die Insektenvielfalt haben sie eine positive Wirkung. Und davon profitieren dann auch Vögel und Fledermäuse.
Pressemitteilung NABU Ammersbek