Leerstellen der Befahrensverordnung gefährden Weltnaturerbe Wattenmeer
Das Bundesverkehrsministerium hat heute neue Befahrensregeln für alle Schiffe und Sportler auf See für die drei Wattenmeer-Nationalparks bekanntgegeben. Die aktuell geltenden sind seit 1992 unverändert in Kraft. Daher begrüßt der NABU die Novellierung der Nordsee-Befahrensverordnung (NordSBefV) grundsätzlich, sieht in der Ausgestaltung allerdings noch zahlreiche Leerstellen.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: “Es ist gut, dass der Bundesverkehrsminister der Novellierung zugestimmt hat. Doch der Naturschutz ist dabei zum Beiwerk verkommen. Wirtschaftliche Interessen stehen – wie so oft – im Vordergrund, obwohl der Schutz unseres Weltnaturerbe Wattenmeer nicht verhandelbar sein darf.”
Die Novellierung der Befahrensregeln kommt mehr als 20 Jahre zu spät – aber führt jetzt zu mehr Rechtssicherheit. Außerdem werden die Schutzzonen der Nationalparks und auch das Walschutzgebiet vor Sylt – eine der Kinderstuben des Schweinswals – künftig in den amtlichen Seekarten dargestellt und sind so für jedermann sichtbar. Geschwindigkeiten werden ab jetzt über Grund gemessen, statt im Wasser. So lassen sich Verstöße leichter feststellen, doch die Umsetzung der komplizierten Regelungen wird eine Herausforderung bleiben.
Besonders schwerwiegend ist jedoch, dass zu viele Schnellfahrkorridore ausgewiesen wurden und Flächen für Kiter in ohnehin schon belasteten Gebieten weiter vergrößert wurden. Gleichzeitig gibt es künftig keine Einschränkungen mehr zum Befahren der besonders sensiblen Gebiete im Nationalpark bei Niedrigwasser. Die Folge: Wattenmeervögel verlieren an Lebensraum, der Unterwasserlärm und Störungen von Vögeln, Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen nehmen zu. Zudem sind besondere Ausnahmeregelungen für den dauerhaften Einsatz von Schnellfähren einzelner Reedereien nicht kompatibel mit dem hohen Schutzstatus des Wattenmeers.
Jeder soll den Nationalpark Wattenmeer erleben dürfen. Der NABU appelliert an alle Wattenmeer-Fans, Sportbootfahrer, Reeder und Kiter, wertschätzend und respektvoll mit diesem Juwel umzugehen.
Weitere Informationen: www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/wattenmeer/32575.html
Pressemitteilung NABU
BUND kritisiert mangelhaften Schutz des Weltnaturerbes Wattenmeer
Neue Rechtsverordnung zum Verkehr nur schlechter Kompromiss
Die heute in Kraft tretende neue Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (NordSBefV) ist eine Enttäuschung. Aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fällt die Novelle aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) weit hinter den erforderlichen Schutzbedarf mit ausreichenden Ruhezonen und Geschwindigkeitsbeschränkungen zurück.
Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des BUND Niedersachsen: „Zwar bezieht die neue Rechtsverordnung das gesamte Weltnaturerbegebiet ein und beseitigt bisher bestehende Rechtsunsicherheiten. Das ist nach 30 Jahren überfällig. Für den Verkehr auf dem Wasser sind die neuen Vorgaben jedoch nur ein schlechter Kompromiss: Obwohl der Natur in Nationalparks und gerade in unserem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer der absolute Vorrang gebührt, wird sie weiterhin als bloßer Abwägungsgegenstand behandelt.“
Besonders kritisiert der BUND an der neuen Verordnung, dass neue und zu viele Schnellfahrkorridore sowie komplizierte Geschwindigkeitsregelungen vorgesehen sind. Zudem sollen zusammenhängende Schutzbereiche durch Fahrwasser durchschnitten werden, wodurch es zu einer weiteren Zunahme des Unterwasserlärms kommt. Besonders ärgerlich ist, dass die Verordnung keine Einschränkungen oder Regelungen für schnelle Wassertaxis und Schiffe zur Offshore-Versorgung vorsieht.
Stefanie Sudhaus, Meeresschutz-Expertin beim BUND-Landesverband Schleswig-Holstein:„Diese Kompromisslösung geht erheblich zu Lasten des Naturschutzes im Wattenmeer. Überdimensionierte Bereiche zum Kitesurfen werden zu massiven Störungen bei Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen sowie Wattenmeervögeln führen, die für Rast und Nahrungssuche auf die Ruhe in den Wattenmeer-Nationalparks angewiesen sind. Weiterhin existiert das Schutzgebiet nur auf dem Papier – und ist Opfer der menschlichen Ausbeutung. Hier muss dringend nachgebessert werden.“
Der BUND bekennt sich zwar grundsätzlich zu einer Befahrbarkeit des Wattenmeeres zum Beispiel durch Fähren, Ausflugsschiffe oder den Wassersport. Der Verband fordert aber ausreichend große Ruhezonen und wirksame Geschwindigkeitsbegrenzungen auch für Wassertaxis und Offshore-Versorger.
Nadja Ziebarth, Leiterin des BUND-Meeresschutzbüro: „Solche Ruhezonen sieht die Verfahrensverordnung für die gewerbliche Schifffahrt jedoch gar nicht und für den Freizeitsport nicht ausreichend vor. Wir appellieren deshalb an die Nutzer, zumindest die neu gefassten Schutzregelungen zu respektieren und insbesondere die Geschwindigkeitsvorgaben einzuhalten. Die anliegenden Küstenländer müssen die Einhaltung der Regelungen wirksam kontrollieren und Verstöße konsequent ahnden.“
Die Wattenmeer-Nationalparks repräsentieren ein wertvolles, natürliches Ökosystem mit globaler Bedeutung, für das auch europarechtlich die höchsten Schutzanforderungen gelten. Gerade in Nationalparks müssen der Natur von jeglicher Nutzung freie, unberührte Bereiche überlassen sein, so der BUND zur vertanen Chance einer überzeugenden Befahrensregelung.
Hintergrund:
Die neuen „Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee“ (NordSBefV) tritt an die Stelle der bisherigen Rechtsverordnung von 1992/1995, die nur Teilbereiche der deutschen Nationalparks abdeckte und völlig veraltet war. Eine am Naturschutz orientierte Neufassung hatten gerade auch die Naturschutzverbände seit über zwanzig Jahren immer wieder eingefordert.
Pressemitteilung BUND