Hamburg/St. Petersburg, 28. 4. 2018 – Zum heutigen Auslaufen des schwimmenden russischen Atomkraftwerkes „Akademik Lomonosov“ in St. Petersburg, warnt Greenpeace vor den Umweltgefahren durch mobile Atommeiler. Dem Prototypen sollen weitere schwimmende Atomkraftwerke und atomgetriebene Eisbrecher zur Öl- und Gasförderung in der Arktis folgen.
„Diese Nachricht ist doppelt fatal“, sagt Heinz Smital, Atom-Experte von Greenpeace. „Die Risikotechnologie Atomenergie wird auf einem Schiff noch unsicherer, und sie soll genutzt werden, um mehr klimaschädliches Öl und Gas in der Arktis auszubeuten.“ Das Atomkraftwerk wird in den kommenden drei Wochen an Rügen vorbei durch die Ostsee nach Murmansk geschleppt und dort mit Brennstäben bestückt.
In zwei Schiffsreaktoren des Typs KLT-40S soll die Nuklearanlage 70 Megawatt Strom produzieren. Ihren ersten Einsatz hat sie in nordrussischen küstennahen Gewässern. Abgebrannte, hochradioaktive Brennstäbe sollen dann bis zu zwölf Jahre an Bord lagern, um den Einsatzzeitraum auszudehnen. Ohne eigenen Motor und mit flachem Rumpf ist die schwimmende Konstruktion besonders anfällig für Stürme und raue See. Zudem ist die Anlage nach Auffassung von Greenpeace nicht ausreichend gegen terroristische Anschläge geschützt. „Ein kaum gesichertes Atomkraftwerk mit angeschlossenem Zwischenlager an der Küste herumschippern zu lassen, ist ein unakzeptables Sicherheitsrisiko“, sagt Smital.
Nicht nur in Sibirien: Schwimmende AKW als strahlendes Sicherheitsrisiko
Die schwimmende Nuklearanlage ohne Betonschutzhülle sollte vergangenes Jahr im Hafen der Millionenmetropole St. Petersburg für einen Testlauf hochgefahren werden. Nach Protesten russischer Bürger, der Ostsee-Anrainerstaaten und einer Petition von Greenpeace Russland entschied der staatliche Atomkonzern Rosatom, die Testphase nach Murmansk zu verlagern. Nach dem Test des AKW im Hafen der 300.000-Einwohner-Stadt, soll es im kommenden Jahr 5000 Kilometer in die Nähe von Pevek in der sibirischen Region Chukotka geschleppt und in Betrieb genommen werden.
Klappt der Testlauf des schwimmenden Atomkraftwerks, will Russland in die Serienproduktion gehen. Rosatom hat bereits Ländern wie Algerien, Indonesien, Malaysia und Argentinien derartige AKW angeboten. Dabei sind die schwimmenden Reaktoren nicht nur gefährlich, sondern auch teuer. „Gerade in abgelegenen Gebieten sind erneuerbare Energien eine sichere und günstige Lösung“, sagt Smital: „Auch in Sibirien kann eine Kombination aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft ein schwimmendes Atomproblem ersetzen.“
Greenpeace-Aktivisten demonstrieren bei schwimmendem Atomkraftwerk auf der Ostsee
Mobile Meiler stellen unkalkulierbare Umweltrisiken dar
Hamburg, 3. 5. 2018 – Greenpeace-Aktivisten protestieren heute beim schwimmenden russischen Atommeiler „Akademik Lomonosov“, der derzeit durch die deutsche Ostsee geschleppt wird. „Stoppt schwimmendes Tschernobyl – schützt die Arktis“ fordern die Umweltschützer auf einem Banner an Bord des Greenpeace-Schiffes Beluga 2. Die Beluga 2 begleitet den aus St. Petersburg stammenden AKW-Lastkahn auf seiner Fahrt nach Murmansk durch die Ostsee. Greenpeace kritisiert die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen an Bord und die Gefahr eines Atomunfalls auf See. „Auf einem kaum geschützten Ponton wird die Risikotechnologie Atom noch riskanter. Das ist Irrsinn“, sagt Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Ohne eigenen Antrieb ist die schwimmende Konstruktion besonders anfällig für Stürme und raue See. Die zwei Reaktoren an Bord haben keine Betonhülle und würden höchstens dem Absturz eines Hubschraubers standhalten.
Das schwimmende Atomkraftwerk soll künftig Strom für die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen in der Arktis liefern. Um die Reaktoren an ihrem entlegenen sibirischen Zielhafen Pewek betreiben zu können, ist auch ein atomares Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll auf dem Schiff. Abgebrannte Brennelemente sollen dort bis zu zwölf Jahre gelagert werden. „Das schraubt die Gefahr eines Atomunfalls auf ein unbekanntes Niveau“, sagt Smital. „Selbst Atom-U-Boote kommen zum Brennstoffwechsel in die Werft. Hoch radioaktive Abfälle über viele Jahre an Bord zu lagern und zu wechseln, womöglich unter widrigsten arktischen Wetterbedingung, widerspricht jedem Sicherheitsdenken.“
Die „Akademik Lomonosov“ als Prototyp für eine weltweite Nuklear-Flotte
Der Stapellauf der „Akademik Lomonosov“ gilt als Startsignal für eine weltweit neue nukleare Nutzung. Zum einen will Russland zukünftig mehrere Schwimmmeiler einsetzten, um territoriale Ansprüche zu sichern und die Öl- und Gasvorkommen in der Arktis auszubeuten. Diese werden in der Russischen Strategischen Energieplanung bis 2035 auf 90 Milliarden Tonnen Öl-Äquivalent geschätzt, fast 300-mal mehr, als das Brent-Ölfeld in der Nordsee seit 1975 geliefert hat. Auch enorme Mengen von Erdgas werden genannt: 74 Billionen Kubikmeter.
Der staatliche russische Betreiber „Rosatom“ plant zudem, mit den riskanten mobilen Meilern neue Kundenkreise zu erschließen. Laut russischen Medien haben 15 Länder, darunter China, Algerien, Indonesien, Malaysia und Argentinien Interesse an schwimmenden Anlagen gezeigt, um entlegene Regionen mit Strom zu versorgen oder fossile Rohstoffe auszubeuten. „Über alle Weltmeere könnten so in Zukunft schwimmende AKW mit hochradioaktiven Zwischenlagern schippern“, so Smital.
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