Die Hamburgerinnen und Hamburger haben 2013 mehrheitlich für einen Rückkauf von Strom-, Gas- und Fernwärmenetz gestimmt. Der Senat beabsichtigt nun, die in den bestehenden Verträgen mit Vattenfall vereinbarte Option zum vollständigen Rückkauf des Fernwärme-Netzes fristgerecht bis Ende November 2018 auszuüben. Eine entsprechende Senatsdrucksache wird derzeit vorbereitet und soll am 16. Oktober 2018 beschlossen werden.
Parallel sollen der Bürgerschaft auch die wesentlichen Grundlagen der Entscheidung, insbesondere die maßgeblichen Gutachten zugänglich gemacht werden.
„Wir haben in den vergangenen Monaten unterschiedliche Szenarien zur Umsetzung des Volksentscheids in rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft und dazu konstruktive Gespräche mit Vattenfall geführt“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher heute (9.10.). „Die Ausübung der 2014 mit Vattenfall vereinbarten Option zur vollständigen Übernahme der Fernwärmegesellschaft zum 1. Januar 2019 hat sich als die beste Lösung erwiesen, um im Zusammenwirken mit den anderen städtischen Unternehmen eine klimaschonende Fernwärmeversorgung aufzubauen, stabile Preise für die Kunden sicherzustellen und das Fernwärmenetz zeitnah und sicher in die öffentliche Hand zu übernehmen.“
Vorausgegangen waren intensive rechtliche, technische und wirtschaftliche Prüfungen unter Einbeziehung externer Gutachter. Nachdem ein standardisiertes Wertgutachten im Auftrag der HGV den Wert des Fernwärmenetzes im Frühjahr auf 645,1 Millionen Euro taxiert hatte, war unter anderem zu prüfen, inwieweit die Landeshaushaltsordnung bei den gegebenen Bedingungen das Ziehen der Kauf-Option verbietet oder maßgebliche andere rechtliche Vorgaben zu beachten sind. Die noch final in der Auswertung befindlichen Gutachten haben die rechtlichen Fragen soweit geklärt, dass von einer Zulässigkeit der Ausübung der Call Option ausgegangen werden kann.
Umweltbehörde und Vattenfall haben darüber hinaus in den vergangenen Monaten ein technisches Konzept erstellt, das einen schrittweisen Kohleausstieg bei der Fernwärmeversorgung ermöglicht und keine Preissteigerungen begründet, die über die allgemeine Entwicklung im Energiemarkt hinausgehen. Damit wird dem Volksentscheid Rechnung getragen, die Fernwärmeversorgung klima- und sozialverträglich weiterzuentwickeln.
Die wirtschaftlichen Prüfungen werden derzeit final ausgewertet und in der Bürgerschaftsmitteilung umfassend dargestellt. Der für die städtische Kaufentscheidung maßgebliche subjektive Käuferwert liegt danach dabei deutlich über dem im Frühjahr ermittelten Unternehmenswert. Ursächlich dafür ist unter anderem, dass sich bei Integration der Wärmegesellschaft in den HGV-Konzernverbund steuerliche Vorteile ergeben. Zu berücksichtigen war auch, dass eindeutige und verbindliche Erklärungen auf Bundesebene erwarten lassen, dass die KWK-Förderung auch in den 2020er Jahren fortgeführt wird.
Angesichts der komplexen Gesamtlage wurde parallel gleichwohl mit Vattenfall konstruktiv und vertrauensvoll über eine ‚gestreckte Umsetzung‘ des Volksentscheides als alternatives Szenario verhandelt, die eine deutliche Erhöhung der Anteile der Stadt an der VWH, eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit gemeinsamer Umsetzung des Investitionsprogramms und eine Verlängerung der Kaufoption um zehn Jahre beinhaltete. Hier wurden zwar maßgebliche Fortschritte erzielt, aber zu einer aus städtischer Sicht notwendigen Erhöhung der Beteiligung von mehr als 50 Prozent schon im nächsten Jahr war mit Vattenfall kein Konsens zu erzielen.
Begleitet wurden diese Verhandlungen durch konstruktive Gespräche mit der Gewerkschafts- und Arbeitnehmerseite, in denen sich der Senat verpflichtet hat, wie bei Strom- und Gasnetz auch die Arbeitnehmerinteressen vollständig zu wahren.
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel: „Wir fühlen uns der Umsetzung des Volksentscheids von 2013 verpflichtet. Genau wie beim Strom- und Gasnetz ging und geht es bei der Fernwärme darum, einen rechtlich sicheren, wirtschaftlich tragfähigen und technisch machbaren Weg hierfür zu finden. Um die Interessen der Stadt und des Volkentscheides zu wahren, war es daher richtig und notwendig, alle Chancen und Risiken umfassend und sorgfältig zu prüfen. Nun haben wir eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage, die wir selbstverständlich nach dem Senatsbeschluss auch der Bürgerschaft transparent machen werden. Anders als bei Strom und Gas geht es aber nicht nur um einen reinen Anteilserwerb, sondern auch um die Erneuerung der Erzeugungsanlagen, die Teil des Fernwärmenetzes sind. Hier müssen wir, um dem zweiten Teil des Volksentscheides Rechnung zu tragen, einen schnellstmöglichen Kohleausstieg und einen Ersatz des abgängigen Heizkraftwerks Wedel erreichen – gleichermaßen sozial- und klimaverträglich. Vor diesem Hintergrund war es auch richtig, auszuloten, ob gemeinsam mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer Vattenfall eine einvernehmliche Kooperation im Sinne des Volkentscheides möglich gewesen wäre – die Verhandlungsfortschritte für ein Konsensmodell waren zwar beachtlich, im Sinne des Volksentscheids aber nicht ausreichend. Insofern ist die Ausübung der Kaufoption wahrlich keine leichtfertige, aber eine umfassend abgewogene Entscheidung. Der Umsetzungsweg wird nicht einfach. Wir sind nach den zahlreichen Gutachten und Prüfungen gut vorbereitet und setzen auf eine fairen Carve-Out-Prozess mit Vattenfall.“
Pressemitteilung der Finanzbehörde
Rückkauf des Fernwärmenetzes: Wir nehmen 100 Prozent in die Hand der Stadt!
Der Senat hat heute bekanntgegeben, dass die Stadt das Fernwärmenetz zum 1. Januar 2019 zu 100 Prozent von Vattenfall zurückkaufen und damit den Volksentscheid von 2013 vollständig umsetzen wird.
Dazu Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner einig: Zu 100 Prozent werden wir das Fernwärmenetz von Vattenfall zurückkaufen. Wir halten damit unser Versprechen und setzen den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze komplett um. Das ist gerade in diesen Zeiten ein sehr wichtiges Signal an alle Hamburgerinnen und Hamburger. Die vollständige Umsetzung des Volksentscheides stärkt das Vertrauen in die Demokratie, auch weil damit die Daseinsvorsorge wieder in öffentlicher Hand liegt. Die Entscheidung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht richtig: Der Käuferwert übersteigt den Mindestpreis aus Sicht der Stadt deutlich. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Vattenfall die Mehrheit bis zuletzt nicht abgeben wollte. Wir hatten in den vergangenen Monaten ein dickes Brett zu bohren und das haben wir erfolgreich gemeistert. Es werden bei der Umsetzung auch noch weitere Herausforderungen auf uns zukommen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir auch diese meistern werden.“
Dazu Anna Gallina, Grüne Landesvorsitzende: „Der vollständige Rückkauf des Fernwärmenetzes ist ein großer Erfolg für den Klimaschutz! Damit wird der Weg frei für eine kohlefreie und damit zukunftsfähige und nachhaltige Wärmeversorgung in Hamburg. Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Das gelingt nur mit einer erfolgreichen Wärmewende. Wenn das Fernwärmenetz vollständig in der öffentlichen Hand ist, können wir auch dafür sorgen, dass die Fernwärme bezahlbar bleibt und weder Spekulationen noch schwankenden Kohle- oder Emissionspreisen unterliegt. Auch deshalb ist dies eine Entscheidung ganz im Sinne der Hamburgerinnen und Hamburger.“
Pressemitteilung GRÜNE Bürgerschaftsfraktion Hamburg
Rückkauf des Fernwärmenetzes: Volksentscheid umsetzen, öffentliche Daseinsvorsorge stärken, Preise stabil halten
Der Senat hat heute bekanntgegeben, das Hamburger Fernwärmenetz zum 1. Januar 2019 vollständig zu rekommunalisieren. Damit wird der Volksentscheid aus dem Jahr 2013 komplett umgesetzt: Hamburgs Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungsnetze werden dann wieder zu 100 Prozent von der öffentlichen Hand betrieben. Die Energiewende in Hamburg wird damit sozialverträglich einen großen Schritt vorangebracht.
Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Dass Hamburg nun, neben dem bisher schon erfolgten Kauf des Strom- und Gasnetzes, auch das Fernwärmenetz vollständig zurückkaufen will, ist eine gute Entscheidung – gerade für die betroffenen Mieterinnen und Mieter. Hierdurch kann zukünftig ein angemessener Wärmepreis garantiert werden. Das war immer eine unserer zentralen Forderungen und wäre mit Vattenfall so nicht möglich gewesen. Es ist auch eine gute Entscheidung für ganz Hamburg: Wir setzten den Volksentscheid um, die bisher offenen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen werden geklärt und der Kaufpreis für das Fernwärmenetz kann als mindestens angemessen angesehen werden.“
Melanie Leonhard, Vorsitzende der SPD Hamburg: „Wir haben einen Volksentscheid, an den wir gebunden sind, das sieht die Verfassung vor. Für die SPD gilt, dass alle Entscheidungen das Wohl der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt berücksichtigen müssen. In den vergangenen Wochen mussten wir sorgfältig prüfen, ob der Kauf des Fernwärmenetzes unter den gegebenen Umständen zulässig ist. Das ist er und darum üben wir die Kaufoption nun aus. Durch den vollständigen Rückkauf tragen wir künftig die Verantwortung und können angemessene Verbraucherpreise und Versorgungssicherheit garantieren und so die Interessen vieler Mieterinnen und Mieter in Hamburg schützen.“
Monika Schaal, Fachsprecherin Umwelt der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Mit der Umstellung auf eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung wird Hamburg große Chancen haben, seine Klimaziele zu erreichen. Die Entscheidung für den Rückkauf des gesamten Netzes belegt, dass wir den Klimaschutz aktiv vorantreiben.“
Pressemitteilung SPD-Bürgerschaftsfraktion
Fernwärme kommt zurück in die öffentliche Hand: Wichtiger Schritt für Energiewende in Hamburg
BUND begrüßt Entscheidung des rot-grünen Senats / Umbau der Fernwärme muss schnell vorangebracht werden
Die heutige (9.10.) Senatsentscheidung, die Hamburger Fernwärme in die öffentliche Hand zu übernehmen, wird vom BUND Hamburg begrüßt. Damit wird der letzte und klimapolitisch wichtigste Teil des Volksentscheids UNSER HAMBURG – UNSER NETZ endlich umgesetzt. Das Strom- und Gasnetz wurden bereits erfolgreich rekommunalisiert.
„Die SPD hat gründlich geprüft und nun gemeinsam mit den Grünen die richtige Entscheidung getroffen. Das Taktieren des Energiekonzerns Vattenfall hat endlich ein Ende, jetzt kann die Stadt den Einstieg in die Wärmewende selber organisieren. Das ist ein wirklich guter Tag für die direkte Demokratie, den Klimaschutz und den notwendigen Kohleausstieg“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Ohne einen Umbau der Fernwärme mit einem deutlich höheren Anteil an erneuerbarer Energie und einem konsequenten Ausstieg aus der Kohleverbrennung würde Hamburg seine Klimaschutzziele deutlich verfehlen. Hamburg hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 insgesamt 50 % seines CO2-Aussstosses im Vergleich zum Jahr 1990 einzusparen. Tatsächlich geschafft sind aber erst knapp 19 %. Um im Zielkorridor zu bleiben, hätten es aber schon rund 33 % sein müssen. Aktuell hinkt die Stadt den offiziellen Einsparzielen also deutlich hinterher. Der BUND Hamburg fordert jetzt vom Senat, den Umbau der Fernwärme schnell voranzubringen, damit spätestens im Jahr 2022 das alte Kohlekraftwerk Wedel vom Netz gehen kann.
Pressemitteilung BUND HH
Fernwärmerückkauf und Kohleausstieg: Jetzt Gesetzentwurf Tschüss Kohle übernehmen
Riesenerfolg für Energiewendebewegung
Die Volksinitiative Tschüss Kohle freut sich sehr über die heutige Entscheidung des Senats, die Fernwärme zu 100 % in die öffentliche Hand zu übernehmen und aus der Kohle-Wärme auszusteigen. Sie ruft die Bürgerschaft dazu auf, nun auch ihren Gesetzentwurf Tschüss Kohle, der den Hamburger Kohleausstieg in der Fernwärme bis 2025 und beim Strom bis 2030 vorsieht, zu übernehmen.
„Wir gratulieren dem Bündnis UNSER HAMBURG – UNSER NETZ zu diesem wegweisenden Erfolg nach acht Jahren unermüdlichen Engagements. Wir freuen uns, dass unsere Volksinitiative Tschüss Kohle nach Worten des Bürgermeisters Anlass war, dass der Kohleausstieg in der Fernwärme jetzt Senatspolitik geworden ist. Es ist jetzt logisch und konsequent, dass die Bürgerschaft nun auch unseren Gesetzentwurf Tschüss Kohle übernimmt, um den Kohleausstieg über die nächste Wahl hinaus abzusichern.“ sagt Wiebke Hansen, Sprecherin und Vertrauensperson der Volksinitiative Tschüss Kohle.
Die Volksinitiative Tschüss Kohle ist eine gemeinsame Initiative von 46 Bündnispartner*innen und Unterstützerorganisationen.
Homepage: www.tschuess-kohle.de
Pressemitteilung „Tschüss Kohle“ – Hamburger Volksinitiative
Nach vollständigem Fernwärmerückkauf: Fernwärmeumbau ohne Moorburgtrasse 2.0 sicherstellen!
Der Hamburger Energietisch hat mit großer Freude die Entscheidung des Senats zur Kenntnis genommen, das Fernwärmenetz zum 1.1.2019 zurückzukaufen, wie der Volksentscheid es 2013 festgelegt hat. Die Erfahrungen der letzten Monate bestätigen, was die Unterstützer*innen des Volksentscheids schon seit 2010 sagen: Die Energieversorgung gehört nicht in die Hand von privaten Konzernen, deren Hauptzweck stets ein möglichst hoher Gewinn ist.
Nach dem Rückkauf kann der Senat die Entscheidungen über den Ersatz des alten Kohle-Heizkraftwerks Wedel nun unabhängig von Vattenfall treffen. Er muss sich nicht mehr mit dem Konzern auf eine Lösung einigen.
Die Pläne für den Bau einer Fernwärmetrasse unter der Elbe (Moorburg-trasse 2.0) müssen jetzt von Tisch. Sie wäre teuer (mindestens 150 Mio.€) und der Bau würde Jahre dauern. Dadurch würde die Stilllegung des HKW Wedel unnötig verzögert. Und ist die Trasse erst einmal gebaut, besteht die Gefahr, dass das Vattenfall-Steinkohlekraftwerk in Moorburg – unter einer anderen Senatskoalition – angeschlossen wird. Das wäre eine Katastrophe für den Klimaschutz und mittelfristig auch für die Fernwärmepreise. Es gibt eine Alternative, die kostengünstiger, schneller zu realisieren und klimaverträglicher ist.siehe https://www.hamburger-energietisch.de/WP-Server/wp-content/uploads/2014/04/Szenarien-f%C3%BCr-den-Ersatz-des-Heizkraftwerks-Wedel-V1.1.pdf
Gilbert Siegler vom Hamburger Energietisch dazu: Der neue Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) sollte für Bürgerschaft und Senat eine Verpflichtung sein. Die Planung für den Ersatz des HKW Wedel muss sich am Klimaschutz und an den sozialen Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger orientieren. Das kann nur heißen: Keine Elbtrasse bauen, sondern neue Anlagen im Stellinger Moor errichten, wie es das von der Umweltbehörde in Auftrag gegebene BET-Gutachten schon 2016 vorschlug und wir es langenfordern.“
Text des Volksentscheids vom 22.9.2013:
„Senat und Bürgerschaft unternehmen fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien.“
Pressemitteilung Der Hamburger Energietisch