Senat beschließt Agrarpolitisches Konzept 2020 – Reaktionen

Die Hamburger Agrarpolitik ist ein wichtiger Teil der Hamburger Wirtschaftspolitik. Mit dem „Agrarpolitischen Konzept 2020“ bekennt sich der Senat zu diesem Wirtschaftszweig. Ein solches praxisorientiertes Konzept hat zuvor kein anderer Senat beschlossen. In Hamburgs ländlichen Räumen produzieren 685 landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe mit rund 3.340 Arbeitskräften in unmittelbarer Nähe der Stadt. Der Schwerpunkt liegt im Gemüse-, Obst-, Blumen und Zierpflanzenanbau. In Hamburg wirtschaften 34 ökologische Erzeugerbetriebe und zwei Bio-Imker.

Der Senat hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt der Hamburger Agrarwirtschaft zu erhalten und deren wirtschaftspolitische Bedeutung zu stärken. Gefördert werden daher Maßnahmen und Projekte in den Bereichen Agrarinvestition, Beratung, Weiterbildung, Flächennutzung, Absatzförderung regionaler Produkte, Verbesserung des Waldmanagements und der angewandten Forschung. Ziel ist es, den aktiven Beitrag der Agrarwirtschaft in den Bereichen Ernährung, Klima- und Ressourcenschutz sowie Forschung zu sichern und zu verbessern. Im Bereich des ökologischen Landbaus wird der Senat neben der Anhebung der Flächenprämie die Etablierung einer Modellregion Bio-Obst in der Dritten Meile des Alten Landes vorantreiben. Auf Seiten des Absatzmarktes führt er seine Politik der Regionalität von Agrarprodukten konsequent fort und wird die Agrarwirtschaft der Metropolregion Hamburg durch diesbezügliche Projekte fördern.

Hervorzuheben ist ebenso die Absicht des Senats, in der Flächenbewirtschaftung durch die Einrichtung eines Clearingverfahrens „Agrarflächenmanagement“ den Ausgleich zwischen den teilweise divergierenden Nutzungsinteressen zu verbessern und so der Hamburger Agrarwirtschaft mehr Planungs- und damit Zukunftssicherheit zu verschaffen. Zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der Flächenverfügbarkeit der Hamburger Agrarwirtschaft werden die vorhandenen Verfahrensregelungen für den Umgang mit Grundstücken, die für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen werden, optimiert. Für die Bauleitplanung soll eine Fachanweisung „Eingriffsregelung“ erarbeitet werden, die Vorgaben über den Umgang mit landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in der bezirklichen Bauleitplanung enthält.

Der Senat unterstützt den Anbau ökologisch erzeugter Produkte in Hamburg durch erhöhte Flächenprämien und durch weitere Maßnahmen. Der Flächenanteil des ökologischen Anbaus im Obstanbaugebiet soll bis 2025 auf 25 % erhöht werden. Im Rahmen eines dreijährigen Projektes „Modellbetriebe Umstellung auf Bio-Obst“ sollen die neuesten Erkenntnisse und Verfahren des ökologischen Obstbaus in die Praxis eingeführt werden. Zur Verbesserung der Absatzstrukturen ökologisch erzeugter Agrarprodukte unterstützt der Senat die Erarbeitung eines Konzeptes, das auf eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Erzeugern, weiterverarbeitenden Betrieben und Vermarktern sowie Partnern aus den vor- und nachgelagerten Bereichen hinwirkt.

Um den Gentechnikfreien (GVO-freien) Anbau in Hamburg zu sichern, wird der Senat den Beitritt zum „Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen“ durch die Zeichnung der Charta von Florenz von 2005 vorbereiten. Damit spricht sich Hamburg klar gegen den Anbau gentechnisch veränderter Organismen auf den landwirtschaftlichen Flächen aus.

Das Agrarpolitische Konzept 2020 wird die Hamburger Agrarwirtschaft in den nächsten Jahren nachhaltig stärken. Hamburg steht zu seinen Betrieben im ländlichen Raum als ein wichtiger Teil unserer wirtschaftlich und landschaftlich vielseitigen Metropole.

Das vollständige Konzept finden Sie auf der Seite www.hamburg.de/bwvi/medien
Pressemitteilung der Wirtschafsbehörde

Anschlag auf Kiebitz & Co – NABU kritisiert zukünftige agrarpolitische Ausrichtung des Senats

Alexander PorschkeDer NABU Hamburg wendet sich entschieden gegen die Verschlechterungen für den Naturschutz im heute vom Senat beschlossenen „Agrarpolitische Konzept“. Demnach soll zukünftig noch weniger Ausgleich für Naturverluste z.B. durch Bauvorhaben auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgen.

„Statt die knapper werdenden Lebensräume für Kiebitz und Co zu schützen, bevorzugt der Senat einen Wirtschaftszweig, der nicht einmal 0,1 Prozent der Bruttowertschöpfung in Hamburg erbringt“, ist Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg verärgert (Foto).  Mit seiner Landfraß-Kampagne hatte der Bauernverband in den letzten Wochen mehrfach gegen den Naturschutz-Ausgleich auf landwirtschaftlichen Flächen protestiert und so die Neuausrichtung der Senatslinie flankiert. „Doch landwirtschaftliche Flächen gehen nicht in erster Linie verloren, weil auf ihnen beispielsweise extensiv für den Naturschutz gewirtschaftet wird, sondern sie durch Bauvorhaben anderweitig genutzt und somit verbraucht werden“, stellt Porschke klar. „In vielen Fällen profitieren landwirtschaftliche Betriebe durch Ausgleichsmaßnahmen sogar durch entsprechende Bewirtschaf¬tungsverträge, die sie für die Pflege dieser Flächen abschließen.“ Schon jetzt arbeiten in vielen Bereichen Naturschutzverbände gut mit Landw
irten zusammen, und ohne Landwirtschaft wäre Naturschutz im ländlichen Raum oftmals gar nicht möglich.

Die konventionelle Landwirtschaft ist leider eine der Hauptursachen für Biodiversitätsverluste in Deutschland. Dies betätigten die zuständigen Bundesbehörden zuletzt am 26. März 2014. Gerade Bestandszahlen von Vögeln verdeutlichen, dass  vor allem in der intensiv genutzten Agrarlandschaft der Artenschwund in den letzten Jahren weiter zugenommen hat. In Deutschland gehen die Bestände vieler häufiger Brutvögel von Äckern, Wiesen und Weiden weiter deutlich zurück. So gab es beim Feldsperling eine Verringerung auf zwei Drittel des Bestandes, beim Kiebitz gibt es sogar nur noch etwa ein Drittel der Vögel. Allein in Deutschland sind seit 1990 außerdem mehr als eine Million Feldlerchen verstummt. In Hamburg haben typische Vögel der Agrarlandschaft ebenfalls sehr stark abgenommen, wie z.B. der Kiebitz von ehemals 3.300 Brutpaaren (1984) auf aktuell 600, die Bekassine von 350 Brutpaaren (1984) auf aktuell 140 und die Uferschnepfe von 70 Brutpaaren (1970) auf aktuell vier.

„Statt die bisher schon schwache Ausgleichsregelung für Naturverluste noch weiter zu schwächen und damit Hamburgs Naturqualität zu gefährden, hätte der Senat ein Programm für den Erhalt der Artenvielfalt im ländlichen Raum auflegen müssen“, bemängelt der NABU-Chef. „Die Leidtragenden werden wieder Kiebitz und andere typische Vögel der Agrarlandschaften sein.“
Pressemitteilung NABU HH

Agrarpolitisches Konzept setzt die richtigen Schwerpunkte

Andrea Rugbarth, Agrarexpertin der SPD-Fraktion (Foto),Rugbarth_Andrea zum heute vorgestellten agrarpolitischen Konzept des Senats: „In Hamburg werden mit Wirtschaftspolitik in der Regel andere Themen verbunden als die Landwirtschaft. Dabei sprechen wir hier über eine der ältesten Kulturlandschaften Norddeutschlands. Immerhin werden ungefähr ein Fünftel der Hamburger Fläche landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzt. Ich begrüße daher sehr, dass der jetzige Senat erstmals ein umfassendes Konzept zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Bedeutung des Agrarsektors vorlegt und sich damit eindeutig hinter unsere Hamburger Landwirtschaft stellt. Aus den vier Säulen der Förderung Beratung und Weiterbildung, Sicherung der Agrarflächen, Förderung regionaler Produktion und deren Absatzmöglichkeiten sowie Weiterentwicklung angewandter Forschung möchte ich insbesondere das Agrarflächenmanagement hervorheben: Fläche ist in einem Stadtstaat ein sehr begrenztes und daher begehrtes Gut. Ob Wohnungsbau, aber auch Infrastrukturmaßnahmen und der ökologische Ausgleich – oft waren es landwirtschaftliche Flächen, die dafür verwendet wurden und es den Landwirtinnen und Landwirten erschwerten, die Zukunft ihrer Betriebe sinnvoll zu planen. Ein Herzstück des Konzepts ist deshalb zurecht das sogenannte Clearingverfahren, das zum einen die Interessen der Bezirke berücksichtigt, aber auch den Landwirtinnen und Landwirten endlich Planungssicherheit verschafft.“
Pressemitteilung SPD Bürgerschaftsfraktion

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Natur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.