Senat beschließt Hamburger Klimaplan + Reaktionen

Hamburg verstärkt seine Anstrengungen für den Klimaschutz. Der rot-grüne Senat hat heute einen Klimaplan beschlossen, der diverse neue Maßnahmen zur CO2-Minderung enthält – und ein neues Ziel: Bis 2030 will die Stadt den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 halbieren. 2 Mio. Tonnen CO2 will Hamburg bis 2020 vermeiden. Erstmals beschreibt der Plan eine Strategie, die den Klimaschutz mit der Anpassung an den Klimawandel verbindet.

 

Die internationalen Klimaverhandlungen in Paris gehen in die entscheidende Phase. Umweltsenator Kerstan hat sich vergangene Woche mit den Bürgermeistern der europäischen Umwelthauptstädte in Paris für ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen eingesetzt, welches die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels ermöglicht.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt und Energie, erklärt: „Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wohnt mittlerweile in Städten, von dort gelangt ein Großteil der klimaschädlichen Gase in die Atmosphäre. Deshalb haben die Städte eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle zu – ganz unabhängig davon, was für ein Abkommen in Paris erreicht wird. Wir in Hamburg wollen unseren Beitrag leisten, damit das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Der Hamburger Klimaplan ist unser Fahrplan für mehr Klimaschutz. Bis 2050 will Hamburg die CO2-Emissionen um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Bis 2030 wollen wir die CO2-Emissionen in Hamburg halbieren. Dafür wird die Stadt ihre Maßnahmen verstärken. Bis 2020 werden wir rund 2 Mio. Tonnen CO2 im Vergleich zu 2012 einsparen. Das entspricht dem durchschnittlichen CO2-Jahresausstoß von knapp 50.000 Vier-Personen-Haushalten in Hamburg.“

Als weitere Schritte zur Vermeidung oder Einsparung von CO2 in Hamburg sind im neuen Klimaplan außerdem festgehalten:

· Bis 2030 wird die Hamburger Verwaltung CO2-neutral handeln

· Der Anteil von Elektro-PKW im Behördenfuhrpark wird bis 2020 auf dann 50 Prozent verdoppelt

· Für die öffentlichen Gebäude werden bis Ende 2017 Sanierungskonzepte und -fahrpläne aufgestellt. Allein für Schulen und Hochschulen werden zusätzliche 24,4 Mio. Euro für die energetische Sanierung aufgewendet

· Verdoppelung des Anteils des Radverkehrs am Gesamtverkehr auf 25 Prozent

· Ausbau von U- und S-Bahnen-Linien, Einsatz emissionsarmer Busse

· Mehr Bildungsarbeit an Schulen und für Jugendliche, um die junge Generation für aktiven Klimaschutz zu gewinnen.

Ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz ist auch das Projekt „Norddeutsche Energiewende 4.0“ (NEW4.0), mit dem ein Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bis 2025 eine Versorgung der Region zu 70 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen erreichen will. Vergangene Woche hat der Bund entschieden, das Gemeinschaftsprojekt mit Schleswig-Holstein zu fördern. Dazu erklärt Jens Kerstan: „Das ist eine gute Nachricht für die Energiewende im Norden und für den Klimaschutz. Dies kann einen Innovationsschub für die Industrie und für grüne Technologien in der Windenergiehauptstadt Hamburg auslösen.“

Für die Region Hamburg sagt der Deutsche-Wetterdienst in einer Klimastudie mehr Starkregen, doppelt so viele Hitzetage wie bislang und einen Temperaturabstieg von 1,2 Grad bis 2050 voraus. Damit Hamburg frühzeitig und gezielt auf diese nicht mehr vermeidbaren Klimaveränderungen reagieren kann, verbindet der neue Klimaplan den Klimaschutz mit Maßnahmen der Anpassung. Jens Kerstan: „Der Klimawandel ist in Hamburg bereits angekommen. Wir müssen hier in den nächsten Jahren aktiv werden, um die Folgen zu begrenzen. Die gilt umso mehr, weil Hamburg eine wachsende und sich verdichtende Stadt ist. Deshalb haben wir die Anpassung als zweite große Säule im Klimaplan verankert. Dieser Ansatz ist neu.“

Maßnahmen der Anpassung aus dem Klimaplan sind unter anderem:

· Hochwasserschutz und der Schutz vor Sturmfluten wird verstärkt

· Ausbau und Förderung von Gründächern

· Anpflanzung klimaresistenter Bäume und Pflanzen im Stadtgrün

· Verstärkte Forschung zum Thema Klimafolgenanpassung

· Das Projekt RegenInfraStrukturAnpassung (RISA), das die Aufnahmefähigkeit der Siele nach Starkregen verbessern soll, um Überschwemmungen zu vermeiden

Der heute vom Senat verabschiedete Hamburger Klimaplan knüpft an den Masterplan Klimaschutz von 2013 an. Der Plan wird nach dem Senatsbeschluss in Kürze der Bürgerschaft zugeleitet und dann veröffentlicht.

Der CO2-Ausstoß lag 2013 in Hamburg bei 17,7 Mio. Tonnen. Die Pro-Kopf-Emissionen an CO2 liegen in Hamburg derzeit bei 10,2 t im Jahr. Durchschnittlich verursacht jeder Bundesbürger pro Tag 30 kg CO2. Das entspricht einem Volumen von 6.000 Luftballons. Die Treibhausgasintensität der Wirtschaft liegt bei 178 kg pro 1000 Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP), dies ist im Vergleich zum Jahr 2003 ein Rückgang um 28,4 Prozent. Das Kraftwerk Moorburg geht nur indirekt in die für Hamburg errechneten CO2-Emissionn ein, da es wie alle Kraftwerken dem bundesdeutschen Strommix zugerechnet wird.

Pressemitteilung Behörde für Umwelt und Energie

Klimaplan Hamburg – Sparr: „Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 wichtiges Ziel“

sparr_ulrikeDie Behörde für Umwelt und Energie hat heute den Klimaplan Hamburg vorgestellt. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion sieht in Senator Kerstans Plan eine gelungene lokale Weichenstellung in dem wichtigsten umweltpolitischen Thema der kommenden Jahre.

Dazu Ulrike Sparr, umweltpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Trotz anderer herausfordernder Themen: Klimaschutz wird in den nächsten Jahren das bestimmende umweltpolitische Thema bleiben. Das Gute daran ist: Wir können – und müssen – auch lokal handeln. Der Klimaplan der Behörde für Umwelt und Energie ist dabei eine große Hilfe und wird handlungsleitend sein. Die Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 ist ein ehrgeiziges, aber enorm wichtiges Ziel. Ob in den Quartieren, beim Neubau, im Verkehr oder bei der Materialbeschaffung: Alles, was wir anpacken, muss künftig noch mehr ressourcenschonend, energieeffizient und nachhaltig sein.“

Pressemitteilung GRÜNE Bürgerschaftsfraktion Hamburg

Hamburger Klimaplan: Kein großer Wurf

Der neue Hamburger Klimaplan greift zwar einige gute Ansätze auf, stellt aber gerade vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Weltklimakonferenz in Paris keinen großen Wurf dar. Zu dieser ersten Auswertung kommt der BUND Hamburg nach der heutigen Vorstellung im Hamburger Rathaus.
BUND-Braasch
Zwar erkennt der Senat die großen Chancen, Windstrom aus Schleswig-Holstein stärker zu nutzen und will einen Energieverbund mit seinem nördlichen Nachbarn schaffen. Auch die Vorreiterrolle bei der energetischen Sanierung der öffentlichen Gebäude will die rot-grüne Regierung ausbauen.
Ansonsten bleibt der Klimaplan aber hinter den Erwartungen zurück. Das bislang geltende 40 %-CO2-Einsparziel bis 2020 wird kurzerhand um 10 Jahre nach hinten geschoben und ein neues 50 %-Ziel ausgerufen. Denn es ist klar, dass die Einsparungen bis 2020 bei weitem nicht ausreichen. Nach Auswertung des BUND Hamburg müssten ca. 5 Mio. Tonnen CO2 weniger emittiert werden, der Klimaplan nennt aber lediglich ein Einsparziel von 2 Mio. Tonnen bis 2020.

Als weitgehend vertan sieht der BUND Hamburg die Chance an, im Wohnungsbestand eine ambitionierte Sanierungsrate durchzusetzen. In Hamburg gibt es mehrere hunderttausend Wohnungen, die einen schlechten energetischen Standard aufweisen. Hier wären ordnungspolitische Vorgaben für Hausbesitzer wichtig gewesen. Offensichtlich kommt es aber nicht einmal zu einer neuen freiwilligen Zielvorgabe im „Bündnis für das Wohnen“. Die dort bislang festgelegten Kennzahlen für den Endenergieverbrauch fallen deutlich hinter vergleichbaren Vereinbarungen wie etwa in Schleswig-Holstein (Klimapakt Wohnen) zurück. Zum Vergleich: Während Hamburg einen Endenergieverbrauch von 133 kwh/m2/a ohne Warmwasser bis 2020 anstrebt, liegt der Zielwert beim nördlichen Nachbarn bei 115 kwh/m2/a mit Warmwasser. „Eine wirkliche Gestaltungs-Offensive für mehr Klimaschutz sieht anders aus. Mit ein paar hundert Elektroautos mehr, freiwilligen Maßnahmen mit der Wirtschaft und verstärkter Aufklärungsarbeit ist der Klimawandel nicht aufzuhalten“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. „Der rot-grüne Senat muss nachlegen, vor Ordnungspolitik nicht zurückschrecken und vor allen in 2016 die Weichen für eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung stellen.“

Pressemitteilung BUND HH

Schaal: “Vorlage des Klimaplans belegt hohe Verlässlichkeit und Kontinuität beim Klimaschutz”

Der Senat hat heute den Klimaplan und die Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen und zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels vorgestellt. Schaal_MonikaDazu Monika Schaal, Fachsprecherin Umwelt und Energie der SPD-Bürgerschaftsfraktion: “Das Konzept setzt auf den Masterplan Klimaschutz des Vorgängersenats auf und sorgt weiterhin dafür, dass Klimaschutz als ressortübergreifende Regelaufgabe von allen Behörden vorangetrieben wird. Das neu ausgewiesene Zwischenziel, bis 2030 die CO2-Emissionen der Stadt zu halbieren, macht Sinn. Das macht die lange Strecke bis 2050 überschaubarer und die Anstrengungen und Maßnahmen können damit besser eingeteilt und kontinuierlich vorangetrieben werden.” Bis 2050 soll der Ausstoß von Treibhausgaben um 80 Prozent reduziert werden.

Weiterhin bezieht der Senat die Wärmewende aktiv in den Klimaplan ein. So wird neben der Aufstellung von Sanierungsplänen für öffentliche Gebäude bis 2017 die Entwicklung von energetischen Quartierskonzepten in Angriff genommen. Schaal: “Die Sanierung von jährlich 18.000 Wohnungen ist ehrgeizig. Hier kann die Stadt aber mit öffentlichen Fördermitteln die privaten Eigentümer unterstützen. Weder Energiewende noch Klimaschutz kommen ohne Einbeziehung des Wärmebereichs voran – auch wenn das ganz dicke Bretter sind, die gebohrt werden müssen. Besonders erfreulich ist außerdem, dass Hamburg mit seiner Initiative NEW4.0 – der Norddeutschen Energiewende – gemeinsam mit Schleswig Holstein weitere Unterstützungsleistungen des Bundes beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz setzen kann. Auch das wird dem Klimaschutz in der Stadt einen weiteren Schub verleihen.”

Pressemitteilung SPD Bürgerschaftsfraktion

Hamburger Klimaplan – Viel warme Luft statt konkretem Klimaschutz

Bis 2020 40% weniger CO2 emittieren als 1990 – HH Energietisch_HETdas war viele Jahre Ziel der Stadt. Bis 2013 waren es gerade einmal 14,3% weniger. Nachdem der Senat jahrelang die Mittel für den Klimaschutz zusammengestrichen hat, verabschiedet er sich jetzt von diesem Ziel. Nun soll, so der neue „Klimaplan“, das Reduktionsziel 50% bis 2030 betragen. Gesetzlich festgelegt und damit verbindlich gemacht werden soll weder das Ziel noch konkrete Maßnahmen, mit denen es erreicht werden soll.

Das neue Ziel: 50% bis 2030 – da müssten bis 2020 wenigsten 30% erreicht werden. Darauf will sich der Senat aber nicht festlegen. Der Hamburger Energietisch (HET) fürchtet, dass es in 10 Jahren wieder heißen wird: Leider nicht erreichbar. Nach dem Trend von 2003 bis 2013 werden 2020 kaum mehr als 20% erreicht werden.

Nach verbindlichen Maßnahmen sucht man im Klimaplan vergebens. So sieht er für die Fernwärme nur eine langfristige Umstellung auf klimaverträglichere Brennstoffe vor. Geplant ist bisher vor allem eine Umstellung von Kohle auf Erdgas. Das wird aber in naher Zukunft nicht weniger mit Treibhausgasemissionen belastet sein als Kohle.

Maßnahmen zum intensiven Ausbau der solaren Wärmegewinnung (Solarthermie) sucht man im „Klimaplan“ vergebens. Stattdessen will der Senat verstärkt Dächer begrünen lassen. Mit solarthermischen Anlagen ließe sich Wärme für Warmwasser und Heizungsunterstützung CO2-frei gewinnen und damit Kohle, Öl und Erdgas ersetzen.

Ein ambitioniertes Programm für die energetische Sanierung von Altbauten ist nicht vorgesehen. Hier ließe sich aber viel Energie einsparen und CO2-Eissionen vermeiden.

Gilbert Siegler, Sprecher des HET: „Der „Klimaplan“ ist eine Sammlung von Unverbindlichkeiten. Schicke Begriffe wie „Climate Smart City“ und „Green Economy“ können nicht darüber hinweg täuschen, dass konkrete ordnungspolitische Maßnahme fehlen. Stattdessen setzt der Senat weiterhin auf freiwillige Selbstverpflichtungen und „Bündnisse“ mit Lobbygruppen, die schon in der Vergangenheit den Klimaschutz nicht vorangebracht haben.“ Der HET fordert stattdessen:

Die Stadt muss das Fernwärmenetz schon 2017 von Vattenfall zurückkaufen. Die Fernwärme aus aus dem Kohle-Heizkraftwerk in Wedel muss so weit wie möglich durch erneuerbare Wärme ersetzt werden.

Die Nutzung von Dächern und Fassaden vorrangig für die Solarenergiegewinnung ist gesetzlich festzuschreiben. Gründächer, die nach Willen des Senats baurechtlich durchgesetzt werde sollen, senken den CO2-Ausstoß nicht.

Die Rate der energischen Sanierung im Altbaubestand ist um ein Mehrfaches zu steigern. Dabei ist sicherzustellen, dass Mieter_Innen nicht durch die Abwälzung der Kosten stärker belastet werden als sie Heizkosten einsparen.

Im Verkehr ist eine rasche Wende vom überwiegenden motorisierten Individualverkehr zum klimaverträglicheren ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr dringend erforderlich. Dafür brauchen wir deutlich niedrigere Fahrpreise und in vielen Bereichen der Stadt größere Kapazitäten. Die könnte eine moderne Stadtbahn liefern. Die Bedingungen für Fußgänger_Innen und Radler_Innen sind stark verbesserungswürdig.

Generell sind in allen Bereichen ordnungsrechtliche, also verbindliche gesetzliche Regelungen zu fordern.

Gilbert Siegler: Angesichts der dramatischen Klimaentwicklung sind endlich ernsthafte und verbindliche Klimaschutzmaßnahmen erforderlich. Hamburg ist immer noch eine der reichsten Metropolen Europas und mit der Ablehnung der Olympiabewerbung sind eingeplante 1,2 Mrd. Euro frei geworden. Die wären im Klimaschutz sehr gut angelegt!

Pressemitteilung Hamburger Energietisch

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