Deutsche Umwelthilfe präsentiert breites Aktionsbündnis für Verbot von Pyrotechnik-Böllern und Raketen zum Jahreswechsel
Bündnis aus DUH, Vier Pfoten, Deutsches Tierschutzbüro und der Gewerkschaft der Polizei fordert mit Unterstützung von Ärztevertretern ein Verbot der Silvesterböllerei
Archaische Pyrotechnik-Raketen und Böller führen jedes Jahr zu massiver Luftbelastung, zehntausenden Verletzungen, Millionen geschädigten Tieren und massiver Umweltverschmutzung; hohes Verletzungsrisiko und unkalkulierbare Brandgefahren laut Gewerkschaft der Polizei gute Gründe, um Feuerwerk nur an bestimmten Orten in Kommunen zuzulassen
Feinstaubbelastungen sind an Silvester auf dem Jahreshöchststand und sorgen jedes Jahr für massive Atemwegprobleme; dazu 500 Augenverletzungen durch Silvesterfeuerwerk, von denen 100 in Notoperationen behandelt werden müssen
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch wirbt für „rauschende Silvesterfeste“ mit Licht- und Soundinstallationen und schwarzpulverfreien privaten Silvestergebräuchen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert in einem breiten Bündnis gemeinsam mit Vier Pfoten, dem Deutschen Tierschutzbüro, der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie Ärztevertretern ein Feuerwerksverbot zum Jahreswechsel. Archaische Feuerwerksraketen und Böller führen jedes Jahr zu hoher Luftbelastung, schädigen Millionen ihnen schutzlos ausgelieferte Haustiere sowie Nutz- und Wildtiere, verschmutzen die Umwelt und sorgen für tausende Verletzungen und damit zur Überlastung von Einsatzkräften und Krankenhäusern. Das Aktionsbündnis fordert frühzeitig ein bundesweites Verkaufsverbot für Silvesterböller und -raketen und zudem ein bundesweites Böllerverbot für die Silvesternacht. Nur so kann angesichts der anhaltenden Covid-19-Pandemie verhindert werden, dass Ärzte, Pflegekräfte und Krankenhäuser überlastet werden. Für die Zukunft fordert das Aktionsbündnis eine grundsätzliche Überarbeitung der Ersten Sprengstoffverordnung.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Ich wünsche allen Mitmenschen rauschende Silvesterfeste – aber bitte ohne Silvester-Böllerei. Die WHO hat uns diesen September mit der Veröffentlichung drastisch abgesenkter Luftgrenzwerte klargemacht, dass die jährlich wiederkehrende, extrem hohe Belastung der Atemluft mit Feinstaub vermieden werden muss. Das Ende der der archaischen Böllerei an Silvester ist schon längst überfällig. Ein Böllerverbot wird von einer klaren Mehrheit der Bevölkerung unterstützt und es gibt immer mehr Organisationen, die sich hinter die Forderung stellen – wie unser breit aufgestelltes Aktionsbündnis dieses Jahr zeigt. Insbesondere im Angesicht der Coronakrise ist es essenziell, dass die Politik endlich auf unsere Forderungen eingeht. Die Notärzte haben zum Jahreswechsel Dauereinsatz, und in diesem Jahr droht durch die vielen Böller-Opfer zudem eine Überlastung der Notaufnahmen und Kliniken, die schon seit mehr als eineinhalb Jahren an ihrem Limit sind. Das darf nicht sein!“
Bei Menschen trägt die extreme Luftbelastung mit Feinstaub und anderen Schadstoffen zum Jahreswechsel zu akuten wie chronischen Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Feinstaub auch aus Feuerwerk ist ein Luftschadstoff mit massivsten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Die Messdaten rund um die Silvesternacht zeigen regelmäßig Jahres-Höchstwerte. PM10 Stundenwerte von 1.000 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft (µg/m³) sind Normalität. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 betrug die mittlere PM10-Konzentration der städtischen Messstationen in Deutschland circa 18 µg/m³.
Norbert Mülleneisen, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Umweltmediziner, zu den gesundheitlichen Gefahren von Feuerwerk: „An keinem anderen Tag im Jahr ist die Feinstaubbelastung so hoch wie an Silvester! Die durch Feuerwerk entstehenden Verbrennungsprodukte können giftige, Atemwege reizende Stoffe enthalten, die sich in Kombination mit der trockenen Winterluft besonders gesundheitsschädlich auswirken. Für Millionen von Asthmatikerinnen und Asthmatiker beginnt jedes Jahr daher mit mehrtägigen Beschwerden. Aber auch die Lungen von Kindern und Gesunden werden durch die kurzfristige Belastung geschädigt – das belegen immer mehr Studien“.
Zudem führt der falsche Umgang mit Böllern und Raketen zu teils schweren Verletzungen in der Silvesternacht, die meist Hände und Augen betreffen. Medizinisches Personal arbeitet aufgrund der Pandemie seit Monaten an der Belastungsgrenze – eine zusätzliche Belastung mit teils Schwerverletzten durch Pyrotechnik gilt es zu verhindern.
Andreas Reuland, Augenarzt, sagt zu seinen Erfahrungen in der Silvesternacht: „Jedes Jahr verletzen sich zu Silvester viele tausende Menschen. Unsachgemäßer Gebrauch von Feuerwerk führt zu Verbrennungen in Gesicht und an den Händen oder zu Verletzungen am Trommelfell. Wir Augenärztinnen und Augenärzte beobachten jährlich 500 Augenverletzungen durch Silvester-feuerwerk in Deutschland. Ungefähr hundert Menschen davon werden schwer verletzt und müssen stationär oder sogar in einer Notoperation versorgt werden. Der Verzicht auf Feuerwerk erspart großes Leid.“
Nicht zuletzt spricht sich auch die Gewerkschaft der Polizei für Böllerverbote aus. Dazu Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Das hohe Verletzungsrisiko sowie unkalkulierbare Brandgefahren für jedermann sind gute Gründe genug, um Feuerwerk nur an bestimmten Orten in den Kommunen zuzulassen. Es geht auch um die Sicherheit der Einsatzkräfte in dieser Nacht. Fassungslos machten uns die zunehmenden Angriffe auf Polizei, Feuerwehren und Rettungskräfte.“
Besonders stark betroffen von den Auswirkungen des Silvesterfeuerwerks sind Tiere. Haustiere wie Hunde und Katze geraten durch die Knallgeräusche und hellen Blitze in Panik. Rund die Hälfte aller Hunde fürchtet sich vor Lärm, denn sie sind mit wesentlich empfindlicheren Hörorganen ausgestattet. Sie können Lärm nicht als ungefährlich einordnen. Auch Wildtiere können aufgrund von Feuerwerkslärm Schaden nehmen. Vor allem Vögel reagieren stark auf laute und unvermittelte Knallgeräusche. Radar-Messungen in den Niederlanden haben gezeigt, dass Vögel an Silvester zu Tausenden in große Höhen aufsteigen, wo sie sich kaum orientieren können. Auch Tiere in Ställen sind anfällig für die Knallerei. Dazu besteht die Gefahr, dass durch Feuerwerksmaterial Stallungen in Brand geraten.
Sarah Ross, Heimtier-Expertin bei Vier Pfoten erklärt: „Laute Geräusche oder blinkende Lichter von Feuerwerkskörpern oder Böllern können auf Tiere, insbesondere auf Hunde, sehr beängstigend wirken. Dabei reagieren sie unterschiedlich auf den Stress: von ängstlich bis panisch, nicht selten versuchen sie, der Situation zu entfliehen. Sogar körperliche Symptome wie beispielsweise Durchfall, stundenlanges Zittern oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme können Zeichen des immensen Stresses sein. Dabei halten Angstsymptome häufig noch Wochen nach dem Jahreswechsel an – und beginnen mit den ersten Knallern schon Tage früher. Untersuchungen zeigen, dass bereits junge Hunde die Angst vor dem Feuerwerk entwickeln können. Vier Pfoten bittet alle Menschen im Namen der Millionen Heimtiere, aber auch heimischer Wildtiere, auf Feuerwerk zu verzichten. Es verursacht für alle Tiere erheblichen Stress und kann zu schweren Verletzungen führen.“
„Millionen Tieren werden dichtgedrängt in Mast- und Zuchtanlagen gehalten, diese Tiere reagieren panisch auf den Lärm von Böllern. Zudem sollte die Brandgefahr nicht unterschätzt werden: Immer wieder brennen an Silvester auch Mastanlagen, ein Verbot von Raketen und Feuerwerk könnte diese Tiere vor dem Verbrennen retten“, ergänzt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros zur Situation für Nutztiere an Silvester.
Darüber hinaus produzieren Böller und Feuerwerkskörper an Silvester riesige Müllberge. In den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main) haben kommunale Unternehmen laut dem Verband Kommunaler Unternehmen zum Jahreswechsel 2017 rund 191 Tonnen Silvesterabfall entsorgt. Allerdings handelt es sich dabei um einen Bruchteil der mehreren zehntausend Tonnen Müll, der tatsächlich anfällt. Ein großer Teil der Feuerwerküberreste landet in Gewässern, auf Grünflächen oder in Waldgebieten, wo sie entweder gar nicht oder nur mühsam und unvollständig eingesammelt und entsorgt werden können. Dazu verbleiben Rückstände des Plastiks und der giftigen Sprengpulver in der Umwelt und belasten Böden, Wasser- und Nahrungskreisläufe.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe