BIG warnt vor Machtkonzentration, fordert Kurskorrektur – Genehmigung, Kontrolle, Beratung: Im Tiefflug vom Terminal ins Rathaus
Mit deutlicher Kritik reagiert der Umweltverband BIG Fluglärm in Hamburg auf die Wahl der SPD-Bezirksamtsleiterin von Hamburg-Nord, Dr. Bettina Schomburg, zur neuen Vorsitzenden der Hamburger Fluglärmschutzkommission (FLSK). Die Entscheidung sei Ausdruck eines systemischen Missbrauchs politischer Macht – Fluglärmschutz verkommt zur parteipolitischen Beute, ein offenkundiger Interessenkonflikt werde bewusst in Kauf genommen.
Dazu erklärt Martin Mosel, Vorsitzender des Umweltverbands BIG Fluglärm in Hamburg und Mitglied der Hamburger Fluglärmschutzkommission (FLSK):
„Wenn eine Vertreterin der Stadt Hamburg, die zugleich für Bau- und Infrastrukturvorhaben rund um den Flughafen verantwortlich ist, den Vorsitz einer Kommission übernimmt, die laut Gesetz unabhängig über Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm beraten soll, ist das ein institutioneller Kontrollverlust. Was wir hier erleben, ist kein Versehen, sondern Teil eines parteipolitisch durchinszenierten Systems, das demokratische Prinzipien gezielt untergräbt.
Ein Gremium, das eigentlich unabhängige Empfehlungen im Sinne der Betroffenen geben soll, wird zur Farce, wenn es unter parteipolitischer Kontrolle steht. Die SPD installiert sich in Aufsicht, Genehmigung, Beteiligung – und jetzt auch in der Beratung. Das ist Machtkonzentration pur – und ein direkter Schlag gegen jede Form unabhängiger Kontrolle.
Wer so viele Rollen gleichzeitig besetzt, kann nicht glaubwürdig behaupten, die Interessen der Lärmbetroffenen zu vertreten. Diese Interessen werden dem Machterhalt geopfert – offen, kalkuliert und mit Ansage.
Ich habe selbst für den Vorsitz kandidiert – weil ich die Unabhängigkeit der Kommission stärken wollte. Meine Kritik richtet sich deshalb nicht nur gegen das Ergebnis, sondern vor allem gegen das Verfahren. Es geht hier nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um die demokratische Glaubwürdigkeit der gesamten Fluglärmpolitik in dieser Stadt.“
Die SPD Hamburg-Nord hatte 2019 noch selbst mit den Grünen den damaligen Beschluss mitgetragen, die Bezirksamtsleitung aus dem Vorsitz der FLSK herauszunehmen, um dem offenkundigen Interessenkonflikt vorzubeugen. Jetzt, nur wenige Jahre später, wird dieser Grundsatz durch einen eilig herbeigeführten Beschluss von SPD, CDU und FDP – mit Unterstützung der AfD – wieder aufgehoben. Ziel: Den Weg für die parteigebundene Kandidatur freizumachen. Frau Dr. Schomburg hat ihre Kandidatur nur wenige Stunden vor der Wahl eingereicht, kurz nachdem innerhalb von nur drei Tagen die formalen Voraussetzungen im Bezirksamt geschaffen worden waren.
Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen fordert die BIG eine grundsätzliche Aufarbeitung der Governance-Struktur des Hamburger Flughafens.
Die parteipolitische Dominanz der Hamburger SPD erstreckt sich über:
-die Wirtschaftsbehörde (Genehmigungs- und Kontrollbehörde, zugleich Luftfahrtaufsicht) durch Senatorin Dr. Melanie Leonhard, Landesvorsitzende der SPD,
-den Aufsichtsrat der Flughafen Hamburg GmbH (Vorsitz durch SPD-Staatsrat Andreas Rieckhof),
-die Beteiligungsgesellschaft HGV (51 % Flughafenanteil), unter Aufsicht der Wirtschaftsbehörde (SPD),
-und nun auch die gesetzlich beratende Fluglärmschutzkommission.
Pressemitteilung Verband BIG Fluglärm
Dr. Bettina Schomburg ist neue Vorsitzende der Fluglärmschutzkommission
Die Bezirksamtsleiterin des Bezirks Hamburg-Nord, Dr. Bettina Schomburg, wurde zur neuen Vorsitzenden der Fluglärmschutzkommission (FLSK) gewählt. Erster stellvertretender Vorsitzender des Gremiums ist ab sofort Manfred Quade, der den Kreis Pinneberg in der FLSK vertritt. Der langjährige zweite stellvertretende Vorsitzende Gebhard Kraft wurde erneut in das Amt gewählt und repräsentiert in der FLSK die Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Die Vorsitzenden werden jeweils für vier Jahre bestimmt.
Dr. Bettina Schomburg, Vorsitzende der FLSK: „Zur Stärkung des gesetzlichen Beratungsmandats ist eine konstruktive Sacharbeit und gute Moderation der vielen Interessen erforderlich. Vor allem mit Blick auf die Betroffenen von Fluglärm ist die hohe Expertise des Gremiums zu nutzen und sichtbar zu machen.“
Die FLSK berät die Genehmigungsbehörde, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die Flugsicherungsorganisation über Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm und gegen Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge. Sie wirkt unter anderem an der Festlegung von Abflugstrecken mit, die auf Vorschlag der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) nach Anhörung der FLSK vom Luftfahrtbundesamt als Verordnung erlassen werden. Die Kommission hat ein Vorschlagsrecht für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm oder zur Verringerung der Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge. Die Geschäftsführung der Kommission obliegt der bzw. dem Fluglärmschutzbeauftragten (FLSB). Diese Funktion ist bei der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) angesiedelt und umfasst die Erstellung von Vorlagen und Berichten, die Teilnahme an Sitzungen der Fluglärmschutzkommission sowie die Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Beschlüssen.
Pressemitteilung Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA)