Ampel in Wandsbek? Reaktionen von CDU und Linke

SPD, Grüne und FDP beschließen Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für den Bezirk Wandsbek
Die zuständigen Gremien von SPD, Grünen und FDP im Bezirk Wandsbek haben am gestrigen Samstag der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für die neue Wahlperiode der Bezirksversammlung zugestimmt. Vorausgegangen waren mehrwöchige Sondierungen auch mit der CDU.

Bei der Wahl zur Bezirksversammlung (mit 57 Mandaten) hatten SPD und CDU jeweils 16 Mandate errungen, die Grünen 11 und die FDP 4. Ziel ist der Abschluss eines Koalitionsvertrags noch im Laufe des Herbsts 2024.

SPD-Kreisvorsitzender Andreas Dressel und SPD-Fraktionsvorsitzender Marc Buttler:
„Nach intensiver Beratung in Partei und Fraktion hat unser Kreisvorstand einstimmig der
Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Wir haben in den vertrauensvollen und konstruktiven Sondierungen eine Basis geschaffen, von der wir sagen können: diese Ampel muss und wird eine andere sein als die in Berlin. Wir nehmen den Wählerauftrag vom 9. Juni ernst: Zum einen nehmen wir in einem Außenbezirk wie Wandsbek notwendige Korrekturen in der Verkehrspolitik zugunsten des Autos vor – mit einem Erhalt bestehender Fahrspuren und Parkplätze sowie einer Priorität bei der Sanierung bestehender Radwege als Richtschnur.
Zum anderen geben wir noch mehr Vorfahrt zugunsten des Wohnungsbaus: Wir wollen
Wohnungsbauprojekte nicht mit überzogenen Anforderungen verhindern oder ausbremsen.
Konkret wollen wir die gesetzlichen Vorschriften für das Bauen im Bezirk stärker pragmatisch im Sinne der Aufwands- und Kostenreduktion für alle Beteiligten interpretieren und die ohnehin schon hohen bundes- und europarechtlichen Vorgaben nicht durch weitere bezirkliche Auflagen erhöhen. Und natürlich soll es in Wandsbek auch weiter Einfamilienhäuser geben!
Für uns als SPD als größter Partner in diesem Bündnis ist wichtig, dass wir in dieser Koalition das Vorschlagsrecht der SPD auch für eine zukünftige Bezirksamtsleitung am besten absichern können. Gleichwohl wollen wir uns auch bei der CDU für sehr gute Sondierungen bedanken – auch mit ihr wäre eine Koalition möglich gewesen. Dieses überparteiliche, respektvolle Agieren ist gute Wandsbeker Tradition, die wir uns unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen bewahren sollten in diesen schwierigen Zeiten!“

Grüne – Kreis- und Fraktionsvorsitzende Justin Orban und Katja Rosenbohm: „Die
Sondierungsrunden mit der SPD und der FDP waren sehr konstruktiv und geprägt von einer hohen Wertschätzung für die Perspektiven der jeweiligen Partner. Wir konnten einige gemeinsame Nenner definieren, die uns zuversichtlich für die nächsten fünf Jahre stimmen. So eint uns das Ziel eines klimaneutralen Bezirks sowie der Schutz und die Pflege unserer Umwelt. Wandsbek ist ein besonders vielfältiger Bezirk mit dem stadtweit größten Anteil an Landschafts- und Naturschutzgebieten einerseits und stark verdichteten Gebieten andererseits. Unser Ziel ist es, den Bezirk so weiterzuentwickeln, dass genau dieser lebenswerte Charakter Wandsbeks prägend bleibt. Daneben wollen wir auch einen Schwerpunkt auf Wandsbek als starken, nachhaltigen und digitalen Wirtschaftsstandort legen und den Bezirk bestmöglich auf Folgen des Klimawandels vorbereiten, weshalb wir uns auf die Einsetzung eines eigenständigen Ausschusses für Wirtschaft, Digitales und Katastrophenschutz in der Bezirksversammlung geeinigt haben. Zu guter Letzt bleibt auch soziale Gerechtigkeit eine Leitlinie unseres Handelns, weshalb wir uns weiterhin für die Unterstützung unserer Sport- und Kulturvereinen sowie der Offenen Kinder und Jugendarbeit im Bezirk einsetzen werden. Unsere Mitglieder haben der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nun zugestimmt und wir freuen uns auf weitere konstruktive Gespräche im Sinne aller Wandsbekerinnen und Wandsbeker.“

Jennyfer Dutschke und Jan Christopher Witt, Bezirksvorsitzende der FDP Wandsbek:
„Die FDP Wandsbek ist bereit Verantwortung für den Bezirk zu übernehmen. Grundlage für den Eintritt in Koalitionsverhandlungen ist für uns die Bereitschaft von SPD und Grünen den Korrekturbedarf in der Verkehrspolitik anzugehen und damit zentrale Forderungen unseres Wahlprogramms umzusetzen: Die Hauptverkehrsstraßen im Bezirk bleiben leistungsfähig, wir behalten Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit bei. Die Wandsbeker Chaussee bleibt sechsspurig erhalten und der Berner Heerweg vierspurig. Unter Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten sichern wir die Leistungsfähigkeit der Rodigallee, in dem alle der künftig nur noch drei Fahrbahnen durch den motorisierten Individualverkehr genutzt werden können. Der ÖPNV wird unter stärkerer Berücksichtigung bezirklicher Prioritäten weiter ausgebaut. Bei Radwegen liegt der Fokus zukünftig auf der notwendigen Sanierung des Bestands. Mit einem 100-Tage-Programm wollen wir kurzfristig mindestens 300 neue Parkplätze, u.a. durch den Rückbau nicht erforderliche Poller und Eichenspaltpfähle und die Öffnung von nicht vollausgelasteten P+R-Häusern, schaffen. Wir gehen das Thema Schulwegsicherheit an und führen die Servicelösungen, d.h. Radfahren auf dem Gehweg, an fünf Stellen im Bezirk wieder ein. Die Bezirksversammlung erhält einen eigenen Ausschuss für Wirtschaft. Vor dem Hintergrund der bislang äußerst konstruktiven und vertrauensvollen Gespräche mit SPD und Grünen gehen wir optimistisch in inhaltlich sehr intensive Koalitionsverhandlungen.“

Im gemeinsamen Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP, das den Beschlüssen
zugrunde lag, heißt es: „Unser gemeinsames Verständnis ist die vertrauensvolle Suche nach Lösungen, nicht die öffentliche Abgrenzung. Diese schadet der demokratischen Kultur und der notwendigen Akzeptanz. Wir wollen in Wandsbek zeigen, dass diese 3er Koalition in respektvollem Umgang miteinander und im konstruktiven Dialog mit der Verwaltung und der demokratischen Opposition breit getragene Ergebnisse erzielt, die den Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommen. In den zentralen und kritischen Themenbereichen, insbesondere Verkehr und Stadtplanung, haben sich die Parteien in den Sondierungsgesprächen auf Sofortmaßnahmen und Themen verständigt, die in den Koalitionsverhandlungen weiter konkretisiert werden.“

Pressemitteilung FDP Wandsbek (15.9.)


REAKTIONEN

Zurück in die Vergangenheit
Laut einem NDR-Bericht werden SPD, Grüne und FDP im Bezirk Wandsbek Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Wie es in einer gemeinsamen Presseerklärung der drei Parteien heißt, seien „einige Korrekturen und Weiterentwicklungen“ in der Verkehrspolitik nötig, so Finanzsenator und SPD-Kreisvorsitzender Andreas Dressel. Was damit gemeint ist, liefert er gleich mit: mehr Parkplätze, Tempo 50 auf den Hauptverkehrsstraßen und es sollen keine Autospuren für Radwege weichen.
So also sieht die rot-grüne nachhaltige Verkehrswende aus: im größten Hamburger Bezirk zurück zur autogerechten Stadt der 70er und 80er Jahre, bar jeder Vernunft und entgegen dem Bemühen, dem Klimawandel entgegenzuwirken. SPD und Grüne schlucken in ihrem Abwärtstrend die gelbe Verkehrskröte, scheinen aus Koalitionen unter Beteiligung der FDP nichts gelernt zu haben.

Dazu Nadine Tjarks, Co-Sprecherin der Linken-Bezirksfraktion: „Das 1,5-Grad-Klimaziel ist schon nicht mehr zu erreichen. Wir brauchen dringend Sofort-Maßnahmen, um den Schaden für Umwelt, Mensch und Tier einzudämmen. Als Partei DIE LINKE. setzen wir uns für eine nachhaltige Verkehrspolitik ein. Der Ausbau von Fahrradwegen und ÖPNV in Wandsbek ist hierfür dringend erforderlich! Bei der rückwärts-gerichteten Verkehrspolitik der Wandsbeker Ampel kann ich daher nur mit dem Kopf schütteln. Kommt mit uns auf die Straße zum nächsten globalem Klima-Streik von
fridays for future am Freitag, dem 20. September um 14 Uhr auf der Willy-Brand-Straße.“
Niclas Fladderak, Co-Sprecher der Wandsbeker Linken ergänzt: „Es ist nicht nur die Verkehrspolitik, in der diese Koalition jetzt schon klare Fehlentscheidungen trifft. Mit Eintritt der FDP steht zu befürchten, dass der soziale Wohnungsbau immer häufiger zugunsten von Investoren-Interessen geopfert wird. Weniger Auflagen und die Förderung von Einfamilienhäusern werden die Wohnungsnot nicht lösen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für Alle – statt Bauen für die wenigen. DIE LINKE steht für eine klare Priorisierung des sozialen Wohnungsbaus in Wandsbek.“

Pressemitteilung Fraktion Die Linke Wandsbek


Rot-grün-gelbe Koalition im Bezirk Wandsbek: Ampelstörung von Anbeginn

Zur Pressemitteilung „SPD, Grüne und FDP beschließen Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für den Bezirk Wandsbek“ vom 15. September 2024 erklären Dr. Natalie Hochheim (CDU-Fraktionsvorsitzende) und Sören Niehaus (stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender):
Die Wandsbeker-Ampel beginnt, wie die Berliner-Ampel endet: Alles dauert ewig, Entscheidungen werden vertagt, statt beschlossen und von Führung keine Spur. SPD, Grüne und FDP haben ein 100-Tage-Programm angekündigt, aber allein für die Sondierungen brauchten SPD, Grüne und FDP in Wandsbek bereits über 100 Tage. Erst jetzt beginnen Koalitionsverhandlungen.
Zugleich hat die Ampel die Arbeit in den Ausschüssen, die die politischen Veränderungen vorbereiten, auf Eis gelegt und verzögert. In gängiger Praxis werden in der zweiten Sitzung nach der Konstituierung die Ausschüsse eingesetzt. Die CDU-Fraktion und andere hatten die Besetzungsliste für die Ausschüsse bereits im Vorfeld fertig und bei der Verwaltung abgegeben. Mit einer Kampfabstimmung am vergangenen Donnerstag konnte die Ampel im Vorgriff knapp mit einer Stimme die Besetzung der Ausschüsse auf die nächste Bezirksversammlung am 10. Oktober vertagen. Wenn nunmehr eine Benennung der Ausschussmitglieder im Oktober vorgenommen wird, können durch die anschließenden Herbstferien viele Ausschüsse erst im November ihre Arbeit aufnehmen, also fünf Monate nach der Wahl. Dies gilt auch für den bereits von der CDU geforderten Ausschuss für Wirtschaft, Digitales und Katastrophenschutz. Das ist den Wandsbekerinnen und Wandsbekern nicht zu vermitteln.

Die von SPD, Grünen und FDP aufgeführten Verkehrsthemen sind in der Umsetzung ebenfalls anzuzweifeln. Die von der Ampel propagierte Verkehrswende zugunsten des Autos ist scheinheilig und widerspricht erwiesenermaßen der rot-grünen Politik der letzten Legislaturperioden. Die Wandsbeker Chaussee ist z.B. nicht in bezirklicher Zuständigkeit, sondern bei Verkehrssenator Tjarks angesiedelt. Als eine der Magistralen-Straßen ist kaum davon auszugehen, dass die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen ihre seit Jahren gefassten Umbaupläne jetzt endgültig fallen lassen. Gleiches gilt z.B. für die Rodigallee. Viel mehr wird rot-grüne Senatspolitik nicht vor den Toren Wandsbeks halten.

Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit soll nach Willen der bezirklichen Ampel bleiben, jedoch werden zig Ein- und Ausfallstraßen bereits jetzt schon durch den Lärmaktionsplan umfänglich auf Tempo 30 reduziert. Beispielsweise ab 2026 Wandsbeker Zollstraße/Ahrensburger Straße, Holstenhofweg bis Holzmühlenstraße, auf 1400 Meter Länge oder bereits seit diesem Jahr Schiffbeker Weg, A24 bis Rodigallee, auf einer Länge von 400 Meter zwischen 22 und 6 Uhr. Insgesamt sind allein im Bezirk Wandsbek 10 Maßnahmen geplant, die kurz- und mittelfristig über 6,5 Kilometer in Tempo 30 umwandeln.

Außerdem gehört das Thema Parkplätze in die Kompetenz der Innenbehörde. Gerade gesetzte Eichenspaltpfähle und Poller mit Halteverbot möchte die Ampel nun wieder entfernen, um Parkplätze wiederherzustellen. Dieses Verfahren mutet einem Schildbürgerstreich an und ist ein Eingeständnis für eine verfehlte rot-grüne Senatspolitik.

Weiteres angebliches Ziel der Ampel ist der Ausbau des ÖPNV unter stärkerer Berücksichtigung der bezirklichen Prioritäten. Seit Jahrzehnten fordert die Bezirksversammlung Wandsbek interfraktionell z.B. eine bessere Anbindung der Walddörfer an den ÖPNV. Der HVV setzte dies nicht um mit dem Verweis auf zu geringe Fahrgastzahlen. Die Ampel muss hier Butter bei die Fische packen, wie sie das nun umsetzen und finanzieren will.

Dr. Natalie Hochheim und Sören Niehaus fassen zusammen: „Aller Hoffnungen eines Senators Dressel zum Trotz, wird die Wandsbeker Ampel genauso scheitern wie die Berliner Ampel. Statt einer stabilen Koalition der Vernunft mit klarer Mehrheit in Wandsbek, sind in dieser Dreierkonstellation Unentschlossenheit, Vertagungen und Streit vorprogrammiert. Schon zu Beginn tritt die Wandsbeker Ampel zögerlich auf und macht Versprechungen ohne ausformulierten Koalitionsvertrag. Rot-grüne Fachbehörden in Hamburg werden kaum nach der Pfeife des kleinen rot-grünen Anhängsels FDP in Wandsbek tanzen.“

Pressemitteilung CDU Fraktion Wandsbek

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