Das Verwaltungsgericht Hamburg hat der Klage einer Privatperson und des BUND stattgegeben, mit der eine Anpassung des Luftreinhalteplans für Hamburg erreicht werden soll. Das Verwaltungsgericht hat die Stadt verpflichtet, in den Luftreinhalteplan Maßnahmen aufzunehmen, die zu einer möglichst schnellen Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid führen sollen.
Eine Verpflichtung der Stadt, bestimmte Maßnahmen im Luftreinhalteplan vorzusehen, hat das Gericht nicht ausgesprochen.
Die schriftlichen Urteilsgründe werden voraussichtlich bis zum Jahresende vorliegen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann mit der Berufung, die das Verwaltungsgericht zugelassen hat, beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden.
Pressemitteilung Oberverwaltungsgericht HH
Urteil zu Luftgüte: Schallende Ohrfeige für den SPD-Senat
Jetzt ist es amtlich: Der Senat tut zu wenig für die Luftqualität in Hamburg. Die Grünen begrüßen das heutige Urteil des Verwaltungsgerichts, das der Klage des BUND und eines Bürgers stattgibt. Der Richterspruch verpflichtet die Stadt, den Luftreinhalteplan nachzubessern. Jetzt muss Senatorin Blankau endlich mit konkreten Maßnahmen reagieren.
Jens Kerstan, Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl, erklärt dazu: „Das ist eine schallende Ohrfeige für den SPD-Senat und die Quittung für das jahrelange Nichtstun beim Umwelt- und Klimaschutz. Es kann nicht sein, dass die SPD vermeintlich unpopuläre Maßnahmen ständig so lange verweigert, bis ein Gericht sie zum Handeln verdonnert. Politik hat die Aufgabe, Probleme rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Seit 2010 überschreitet Hamburg ständig die EU-Grenzwerte. Weil es keine entschlossenen Maßnahmen dagegen gibt, drohen jetzt Millionen-Strafzahlungen aus Brüssel. Es geht hier nicht um irgendwelche abstrakten Milli- und Mikrogrammwerte, sondern um die Gesundheit von tausenden Hamburgerinnen und Hamburgern. Die SPD muss endlich ernst nehmen, dass Hamburg ein Problem mit schädlicher Atemluft hat. Nichtstun gilt nicht länger, jetzt ist Handeln gefragt.“
Martin Bill, umweltpolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Dass ein Gericht die Stadt zum Handeln zwingen muss, um für die Luftqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger aktiv zu werden, ist schon befremdlich. Jetzt muss Senatorin Blankau endlich wirksame Maßnahmen anschieben. Unsere Vorschläge, die zur Verbesserung der Luftqualität führen, liegen schon lange auf dem Tisch: bessere Radwege, eine Stadtbahn, intelligente Parkraumbewirtschaftung, Carsharing und mehr StadtRad-Stationen. Auch mit einer Landstromversorgung für Containerschiffe könnten wir eine erhebliche Verbesserung für die Atemluft in Hamburg erreichen.“
Pressemitteilung Grüne Bürgerschaftsfraktion
Klares Urteil: Senat muss mehr für Luftreinhaltung und Lebensqualität tun
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat heute die Stadt Hamburg verurteilt, weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung durchzuführen. Damit folgt das Gericht einer Klage des BUND Hamburg und eines Anwohners.
In Hamburg leben mehr als 200.000 Menschen in Stadtteilen, in denen die Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Stickoxide deutlich überschritten werden. Die Stadt musste eingestehen, dass die Grenzwerte allenfalls nach 2020 eingehalten werden können. Hauptursache ist neben den Schiffsemissionen der LKW- und PKW-Verkehr in den Straßenschluchten Hamburgs. „Dies ist ein guter Tag für die Lebensqualität in Hamburg. Der Senat ist jetzt verurteilt, für bessere Luft in Hamburg zu sorgen“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.
Der BUND hofft, dass der Senat dieses Urteil akzeptiert und die überfälligen Maßnahmen endlich in den Luftreinhalteplan aufnimmt und schnellstmöglich durchführt. Ein langer Instanzenweg, ohne dass etwas passiert, wäre sicher nicht im Sinne derjenigen Hamburger, die in den betroffenen Stadtteilen seit Jahren einer gesundheitsschädlichen Belastung ausgesetzt sind. Es gibt nach Einschätzung des BUND Hamburg einen breiten Instrumentenmix, der zu einer Reduzierung der Luftschadstoffbelastung führen kann. Dazu gehört u. a. die Einführung von Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen, die konsequente Verbesserung des Fahrradverkehrs und des ÖPNV, die Einführung einer weiterentwickelten Umweltzone sowie eine beschleunigte Optimierung des öffentlichen Fuhrparks und der Busflotte der Hamburger Hochbahn.
Die Stadt sollte auch aus einem anderen Grund keinen langwierigen Rechtsstreit anstrengen, sondern wirksame Maßnahmen zu ergreifen. So hat die EU-Kommission erst Ende September 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren (EU-Pilotverfahren Nr. 6685/14/ENVI) eingeleitet und die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, „zusätzliche Maßnahmen“ zur Luftreinhaltung für die Gebiete zu benennen, in denen die Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten werden. Dazu gehört auch der Ballungsraum Hamburg. Diese Vorschläge müssen bis Ende des Jahres in Brüssel vorliegen.
Pressemitteilung BUND HH
Luftreinhaltungsverfahren: Hamburg legt Rechtsmittel ein
Keine Verpflichtung zu Umweltzone oder City-Maut in Hamburg
Hamburg wird gegen die heutige Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Luftreinhaltung in Hamburg Rechtsmittel einlegen. Zwar wurde die Stadt, wie zuvor schon München, Wiesbaden, Darmstadt und Reutlingen, verpflichtet, „in den Luftreinhalteplan Maßnahmen aufzunehmen, die zu einer möglichst schnellen Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid führen sollen“. Eine Verpflichtung der Stadt, bestimmte Maßnahmen im Luftreinhalteplan vorzusehen, hat das Gericht ausdrücklich nicht ausgesprochen.
Umweltsenatorin Jutta Blankau: „Der Tenor des Urteils überrascht nicht. Er liegt auf der üblichen Linie der bisherigen bundesweiten Rechtsprechung. Erfreulich ist aber, dass das Gericht die Stadt nicht zu den vom BUND geforderten, unserer Meinung nach nicht geeigneten, drastischen Verkehrsbeschränkungen wie Umweltzone oder City-Maut verpflichtet. Nach der gestrigen ausführlichen mündlichen Verhandlung erwarte ich von der Urteilsbegründung dezidierte Hinweise darauf, wie man unter den gegebenen Rahmenbedingen überhaupt noch rechtssicher einen Luftreinhalteplan gestalten kann.“
Unabhängig davon ist schon jetzt erkennbar, dass für tatsächlich wirksame Maßnahmen zu allererst auf Bundes- und EU-Ebene gehandelt werden muss. Schon deshalb wird die Stadt Rechtsmittel einlegen.
Hintergrund: Verantwortlich für die NO2-Immissionen sind zu ¾ der Verkehr und zu ¼ Industrie, Heizung, Schifffahrt und die allgemeine, ständige Hintergrundbelastung in Deutschland und Europa. Luftreinhaltung zielt in Hamburg daher in allererster Linie auf den Verkehr und den Hafen.
An den vier Verkehrsmessstellen (Habicht-, Stresemann- und Kielerstrasse sowie Max-Brauer- Allee) gehen die NO2-Emissionen seit Jahren zurück, liegen allerdings noch über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm/m³ (s. Anlage). Der Trend geht aber in die richtige Richtung, wobei es in einzelnen Jahren zu Schwankungen kommen kann, z. B. durch unterschiedliche Wetterlagen. Nach einer Prognose des Umweltbundesamts vom Mai 2014 wird Hamburg den Grenzwert 2020 einhalten. An den übrigen Messstellen in der Stadt wird der Grenzwert seit Jahren sicher eingehalten.
Nicht nur in Hamburg, sondern in fast allen europäischen Großstädten und Ballungsräumen werden die Grenzwerte für NO2 überschritten. Das liegt nicht an den Städten, sondern an dem seit 2000 stark steigenden Anteil von Dieselfahrzeugen. Rund ein Drittel des bundesdeutschen Fuhrparks sind Diesel-Kfz, bei den Neuzulassungen liegen Dieselfahrzeuge sogar bei 50%. Dies wiederum liegt an falschen preislichen Anreizen (verantwortlich: Bund) und an zu laschen Abgasnormen (verantwortlich: EU). Die Städte sind also nicht Verursacher dieser speziellen, aber entscheidenden NO2-Problematik und können mit ihren Luftreinhalteplänen an den Ursachen dafür nichts ändern.
Hamburg hat im geltenden Luftreinhalteplan bereits 80 Maßnahmen aus den Bereichen Mobilität, Schiffsverkehr und Energie gebündelt.
Einige ausgewählte Beispiele aus dem aktuellen Luftreinhalteplan
Bus und Bahn: ständige Verbesserungen im ÖPNV (z.B. uneingeschränkte Fortsetzung des Busbeschleunigungsprogramms, Erweiterung des Schnellbahnnetzes, Verbesserung der Barrierefreiheit, Flottenerneuerung durch schadstoffarme Busse) und im Radverkehr (aktuell z.B. Alsterrouten, Erweiterung Fahrradleihsystem um ca. 40 Stationen).
Hafen: Das Projekt smart PORT Energy wird bis 2015 sieben Windkraftanlagen im Hafengebiet errichten. Es gibt im Hafen über 30 abgeschlossene und über 20 laufende Energieeffizienz-Projekte, die von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt im Rahmen von des Projekts ‚Unternehmen für Ressourcenschutz‘ gefördert werden und die Luftemissionen der einzelnen Betriebe stark reduzieren. Seit Jahren gibt es Landstromanschlüsse für Binnenschiffe, Lotsenboote, Schlepper, Touristenboote, HADAG-Fähren, Schiffe der Wasserschutzpolizei und Schiffe sowie schwimmende Anlagen der HPA. Seit Mitte Oktober gibt es die ‚powerbarge‘, am kommenden Freitag ist Richtfest für die Landstromanlage in Altona, und im Rahmen des Pilotprojekts zur „Green-Shipping-Line“ zwischen Shanghai und Hamburg wird Landstromversorgung auch für Containerschiffe geprüft.
Mobilität: Hamburg ist Modellregion für Elektromobilität. Die Ladeinfrastruktur wird kontinuierlich ausgebaut (von derzeit 140 auf rund 600 Ladesäulen 2016). Die Stadt, Handels- und Handwerkskammer bemühen sich konsequent, die Zahl der Elektrofahrzeuge zu erhöhen (Beschaffungsrichtlinie für emissionsfreie Fahrzeuge/‘Luftgütepartnerschaft‘/‘1000 Elektrofahrzeuge für das Handwerk‘) und die Hochbahn wird ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse kaufen.
Pressemitteilung Beh f. Stadtentwicklung u.Umwelt