Umweltverbände unterstützen Widerspruch der Deutschen Umwelthilfe und fordern Absage der Projekte
Die Umweltverbände BUND Mecklenburg-Vorpommern, NABU Mecklenburg-Vorpommern, WWF und Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben eine enge Zusammenarbeit gegen die geplanten LNG-Anlagen in Lubmin und vor Rügen vereinbart. Das Bündnis fordert insbesondere den Stopp aller Planungen für ein neues Mega-Terminal wenige Kilometer vor der Küste Rügens sowie für den Bau einer neuen Offshore-Pipeline durch den ökologisch hochsensiblen Greifswalder Bodden.
Außerdem stehen die Umweltverbände geschlossen gegen den Betrieb des LNG-Terminalschiffs im Hafen von Lubmin. Hiergegen hat die DUH heute Widerspruch beim zuständigen Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern (StALU) eingereicht, der von BUND, NABU und WWF in Mecklenburg-Vorpommern fachlich unterstützt wird.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Bei den LNG-Projekten in Lubmin und vor Rügen muss die Notbremse gezogen werden. Unser Bündnis sendet ein starkes Signal an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Die Ostsee darf nicht für eine unnötige, fossile Energieindustrie geopfert werden. Wir werden die Industrialisierung der Ostsee vor Rügen verhindern. Gestoppt werden muss auch der Betrieb des LNG-Terminalschiffs in Lubmin. Die Genehmigung ist rechtswidrig erteilt worden, wesentliche Projektbestandteile wie der Shuttle-Verkehr wurden nicht auf ihre Umweltfolgen geprüft. Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um die Ostsee zu schützen und die Terminals in Lubmin und vor Rügen zu stoppen.“
Corinna Cwielag, Geschäftsführerin des BUND Mecklenburg-Vorpommern: „Die Blitzgenehmigung für das schwimmende LNG-Terminal im Lubminer Hafen nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz gefährdet Natur und Umwelt. Die Auflagen der Genehmigung sind völlig unzureichend, um Schäden für den empfindlichen Greifswalder Bodden zu vermeiden. Die Kühlwassereinleitung der Gasanlage in das Flachwassergebiet, Heringslaichzeiten und Vogelrastzeiten sind nicht berücksichtigt. Zudem gibt es erhebliche Sicherheitsrisiken durch Störfälle – und das in der unmittelbaren Nachbarschaft zum stillgelegten Atomkraftwerk Lubmin mit hochradioaktiven Abfällen in einem ungesicherten Zwischenlager. Die Belastungsgrenzen für den Naturraum sind längst erreicht. Weitere Terminals und Pipelines gefährden deshalb auch die Tourismuswirtschaft an einer der schönsten Küsten Deutschlands.“
Dr. Rica Münchberger, Geschäftsführerin des NABU Mecklenburg-Vorpommern: „Der Bau der LNG-Terminals in der Ostsee zementiert die Nutzung fossiler Energieträger. Deutschland begibt sich damit in neue, langjährige Abhängigkeiten, wodurch die notwendige Energiewende blockiert wird. Die Wahl des Standortes vor Rügen innerhalb sensibler Schutzgebiete offenbart wieder einmal die Ignoranz der Politik gegenüber der ökologischen Belastungsgrenze der Ostsee“.
Finn Viehberg, Leiter WWF Büro Ostsee: „Die jetzigen Investitionen in fossile Energieträger stehen den Anstrengungen zur beschlossenen Klimaneutralität bis 2045 entgegen. Die Beschleunigungsverfahren gehen einseitig zu Lasten der Natur, das muss und darf nicht sein. Wir brauchen Lösungen zur Energie-, Klima- und Biodiversitätskrise, die sich nicht widersprechen.“
Hintergrund:
Das LNG-Terminalschiff „Neptune“ der Firma Regas hat bereits Ende Dezember 2022 im Hafen von Lubmin den Betrieb aufgenommen. Eine Genehmigung wurde Mitte Januar vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern erteilt. Gegen diese Genehmigung legt die DUH nun unterstützt von den genannten Umweltverbänden Widerspruch ein.
Bei der Genehmigung des Terminals in Lubmin hat das StALU schwere ökologische Folgen für den Greifswalder Bodden ignoriert und wichtige Brandschutzvorkehrungen nicht ernst genommen. Wesentliche Projektbestandteile wie der Shuttle-Verkehr und der Betrieb des Speicherschiffs „Seapeak Hispania“ vor der Küste Rügens wurden in der Genehmigung nicht berücksichtigt. Der Shuttle-Verkehr ist allerdings notwendig, um das Flüssigerdgas vom Speicherschiff durch den flachen Greifswalder Bodden zum LNG-Terminalschiff im Hafen von Lubmin zu bringen, da die LNG-Tanker das Terminal wegen ihres großen Tiefgangs nicht direkt anfahren können. Verheerende Umweltfolgen wurden hierbei ungeprüft in Kauf genommen, obwohl der tatsächliche Gasbedarf stark zu bezweifeln ist. Die DUH fordert mit der Unterstützung des neuen Bündnisses in dem heute eingereichten Widerspruch, die Genehmigung zurückzunehmen und den Betrieb in Lubmin sofort einzustellen.
Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern hat darüber hinaus am 13. Februar 2023 bekannt gegeben, dass wenige Kilometer vor Rügen bereits im Herbst 2023 ein weiteres LNG-Terminal den Betrieb aufnehmen soll. Dazu soll eine Offshore-Pipeline durch den Greifswalder Bodden gebaut werden, um das Gas in das Fernleitungsnetz einspeisen zu können. Das Terminal soll wenige Kilometer vor Sellin errichtet werden und in der zweiten Ausbaustufe eine jährliche Kapazität von 38 Milliarden Kubikmeter besitzen. Es wäre damit das größte LNG-Terminal in Europa. Gegenwärtig läuft das Genehmigungsverfahren für die Offshore-Pipeline, Umweltverbände können bis zum 16. März Einwendungen einreichen.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe
Unveröffentlichte Analyse im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt: LNG-Planung der Bundesregierung ist überdimensioniert und widerspricht Klimazielen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht heute eine bisher interne Analyse des Energiewirtschaftlichen Institut Köln (EWI), die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstellt wurde. Laut dieser sind die bisher noch geplanten landseitigen LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven zur Absicherung des deutschen und europäischen Gasbedarfs nicht notwendig. Auch ein Terminal vor Rügen kommt in der von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern geplanten Dimensionierung nicht vor. Über die „Analyse der globalen Gasmärkte bis 2035“ des EWI haben gestern Abend zunächst das ARD-Magazin FAKT und dann Table.Media berichtet. Insgesamt geht das EWI von einer LNG-Kapazität in Deutschland von 40 Milliarden Kubikmeter in 2030 aus, während das Bundeswirtschaftsministerium bisher eine deutlich größere Kapazität von über 70 Milliarden Kubikmeter plant. Die DUH fordert die Bundesregierung zu einer umfassenden Überprüfung aller schon geplanten LNG-Projekte auf, um nicht am Bedarf vorbei zu planen und die Klimaziele einzuhalten.
Zudem zeigt die EWI-Analyse, dass selbst die geplanten fünf staatlichen Terminalschiffe sowie die beiden privaten Terminalschiffe der Deutschen Regas in Lubmin nur in einem Extremszenario mit deutlich gewachsenen Gasverbrauch bis 2035 vollständig ausgelastet wären. Dieses Extremszenario widerspricht allerdings deutlich den von der Bundesregierung selbst gesetzten Klimazielen. Die Analyse soll Grundlage für einen Bericht der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss des Bundestags sein. Dieser war bereits am 15. Februar fällig, wurde jedoch auf Grund von Streitigkeiten innerhalb der Bundesregierung zu den notwendigen LNG-Kapazitäten bisher verschoben.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die EWI-Analyse zeigt deutlich, dass die Bundesregierung massive LNG-Überkapazitäten plant. Die beiden festen Terminals in Stade und Wilhelmshaven und das Mega-Terminal vor Rügen kommen in den Betrachtungen bereits nicht mehr vor, weil selbst die schon angemieteten Terminalschiffe deutliche Überkapazitäten verursachen. Daraus muss die Bundesregierung nun Konsequenzen ziehen, diese fossilen Megaprojekte absagen und aus dem LNG-Beschleunigungsgesetz streichen. Aber auch die bisher geplanten Kapazitäten der insgesamt sieben staatlichen und privaten Terminalschiffe schießen deutlich über das Ziel einer Energieversorgungssicherung hinaus. Die Terminals wären laut Analyse überhaupt nur in einem unrealistischen Extremszenario ausgelastet. Damit wird offensichtlich, dass die Planungen auf unnötige, teure und umweltfeindliche Investitionsruinen hinauslaufen. Zahlen müssen das am Ende die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung eine Denkpause einlegt und vor dem hektischen Weiterbau alle Projekte auf den Prüfstand stellt.“
Deutlich wird auch, dass die Planungen den Klimazielen widersprechen: Von drei verwendeten Szenarien zu Gasangebot und -nachfrage steht nur eines in Einklang mit dem Klimalimit von Paris. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass in diesem Szenario die deutschen Terminals in 2030 nur zwischen 13 und 18 Prozent ausgelastet wären. Dies bedeutet, dass bei gleichzeitiger Einhaltung der Klimaziele nur ein Fünftel der unterstellten LNG-Kapazität oder rund 7 Milliarden Kubikmeter/Jahr benötigt würden. Dies entspricht der Leistung eines einzelnen vollausgelasteten LNG-Terminalschiffs.
Constantin Zerger, DUH-Leiter Energie und Klimaschutz: „Selbst die hauseigene Analyse des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass die LNG-Planungen über das Ziel hinausschießen. Das ist nicht nur unnötig und teuer, sondern auch eine schwere Hypothek für die Klimaziele. Wichtigstes Lieferland für LNG soll laut EWI-Studie die USA werden. Dabei handelt es sich in der Regel aber um Fracking-Gas – das schmutzigste Gas der Welt. Wenn die Bundesregierung ihren Bericht dem Haushaltsausschuss des Bundestags vorlegt, muss dieser die Notbremse ziehen und eine Überprüfung aller Projekte einfordern. Es darf kein ‚Weiter so‘ bei diesen fossilen Plänen geben.“
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe