Aus Sicht des BUND Hamburg darf die gestern (14.3.) im Bundestag beschlossene Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG, Drucksache 19/6335) nicht zu einer Aufhebung der Fahrverbote in Hamburg führen. Die Änderung legt fest, dass Fahrverbote in deutschen Städten künftig erst ab einer Belastung von 50 Mikrogramm Stickoxid (NO2) pro Kubikmeter Luft als verhältnismäßig gelten, wenn die Einhaltung des Grenzwerts von 40 µg auch mit anderen Maßnahmen erreicht werden kann.
„Wenn FDP, CDU und AFD jetzt unisono die Abschaffung der Hamburger Durchfahrtsverbote fordern, ist dies reiner Populismus und komplette Realitätsverweigerung“, sagt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND. Die EU-Kommission habe in ihrer Stellungnahme explizit darauf hingewiesen, dass der Grenzwert für NO2 von 40 µg verbindlich und der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten ist. Falls Fahrverbote sich hierzu als einzige Möglichkeit erweisen, dürften sie nicht per Gesetz ausgeschlossen werden.
Genau deshalb hat Hamburg seine kleinräumigen Fahrverbote im Raum Altona überhaupt erst eingeführt. Bei der Vorstellung des aktuell gültigen Luftreinhalteplans sagte Umweltsenator Jens Kerstan wörtlich: „Dort, wo eine Vielzahl anderer Maßnahmen nicht ausreichen, haben wir Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge geprüft und als erste Großstadt in Deutschland beschlossen.“
Dass sich die Stickoxidwerte im Bereich der Fahrverbotszonen im vergangenen Jahr nicht verbessert haben, liegt aus Sicht des BUND daran, dass die Streckenabschnitte zu kurz sind und kleinräumig umfahren werden können. Der Umweltverband hat deshalb im vergangenen Sommer beim Oberverwaltungsgericht Hamburg Klage eingereicht. Darin fordert er eine Ausweitung der bestehenden Fahrverbote sowie deren Einführung in weiteren hoch belasteten Stadtteilen.
„Hamburg darf sich nicht von gesetzgeberischen Nebelkerzen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer blenden lassen. Es wird Zeit, dass die Verursacher der aktuellen Misere zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind die Automobilindustrie und Teile der Bundesregierung, die deren Geschäft betreibt – auf Kosten der Menschen und der Umwelt. So lange sich dies nicht ändert, werden wir mit Fahrverboten leben müssen“, so Manfred Braasch.
Pressemitteilung BUND HH
NABU-Kommentierung zu: Fahrverbote in Hamburg stehen zur Disposition
Bundestag verwässert Regeln für den Gesundheitsschutz
Der NABU-Landesverband Hamburg kommentiert die Debatte um die mögliche Aufhebung von Fahrverboten wie folgt:
Der NABU fordert den Hamburger Senat auf, die aktuell geltenden Fahrverbote trotz der in Aussicht stehenden Lockerung auf Bundesebene aufrecht zu erhalten. Um die schlechte Luftqualität in Hamburg vor allem auch in Hafennähe zu verbessern, wären nach Einschätzung des NABU noch weitere wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger angemessen. Straßenseitig reichen die Möglichkeiten von einer Ausweisung einer Umweltzone über die Einführung einer blauen Plakette bis zu Fahrverboten. Die Hardwarenachrüstung der vom Dieselbetrug betroffenen Autos auf Kosten der Hersteller sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber auch der negative wasserseitige Einfluss großer und kleiner Schiffe müsste deutlich ambitionierter angegangen werden, um die Luftqualität zu verbessern. Denn bei emittierten Stickoxiden mache allein die Schifffahrt laut Hamburger Luftreinhalteplan einen Anteil von rund 40 Prozent aus.
„Was ist denn das für ein Signal in die Bevölkerung? Ein europäischer Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxiden pro Kubikmeter Luft, der vor fast 20 Jahren im EU-Parlament verabschiedet wurde und seit über 10 Jahren verbindlich einzuhalten ist, wird kurzer Hand auf 50 Mikrogramm verwässert? Das ist ein Offenbarungseid! Zumal die endgültige Einhaltung zudem um weitere fünf Jahre verschoben wurde. Wenn Politik und Verwaltung unfähig sind, eigene gesetzlichen Regelungen einzuhalten, müssen sie sich mehr anstrengen und die Quellen wirkungsvoll eindämmen. Das wäre verantwortungsvolle staatliche Vorsorge. Ein Akt politischer Willkür stärkt nicht das Vertrauen in den Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim NABU Hamburg. Schließlich erwarteten Politik und Verwaltung von Bürgerinnen und Bürgern, sich beispielsweise an Steuer-, Bau- oder Verkehrsgesetzgebung zu halten.
Pressemitteilung NABU HH