Der Fahrradclub begrüßt die neuen nächtlichen Tempolimits, die im kürzlich von der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) vorgelegten Entwurf für den Lärmaktionsplan enthalten sind, fordert aber Tempo 30 auch tagsüber und stadtweit.
„Der vorgelegte Lärmaktionsplan ist ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen“, sagt Tom Jakobi vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Ab Mitte 2022 darf in Hamburg auf 20 neuen Abschnitten von stark belasteten Straßen in der Zeit von 22 bis 6 Uhr nicht schneller als 30 km/h gefahren werden, ab 2024 zusätzlich auf weiteren 65 Straßenabschnitten.
„Auch mit diesen neuen nächtlichen Tempo-30-Strecken wird Hamburg sein massives, flächendeckendes Lärmproblem aber nicht in den Griff bekommen“, so Jakobi. „Die vielen, aber meist auch nur sehr kurzen nächtlichen Tempo-30-Strecken, die jetzt kommen sollen, sind ein Tropfen auf den heißen Stein – mit einem solchen Klein-Klein wird die Stadt die gesetzlichen Lärm- und Klimaschutzvorgaben nicht einhalten können.“
Der neue Lärmaktionsplan klammert viele Straßen aus, die nachts überlaut sind. Tagsüber sind keinerlei Temporeduzierungen vorgesehen. Laut Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 04.06.1986) sind die Behörden aber dazu verpflichtet, bei Lärmwerten von mehr als 60 dB(A) in der Nacht bzw. 70 dB(A) Abhilfe zu schaffen. Die Lärmkarten der Stadt Hamburg zeigen, dass diese Lärmwerte auf fast allen Hauptstraßen überschritten werden – und zwar auf der ganzen Länge Tag und Nacht!
Forderungen
Der Fahrradclub fordert daher die flächendeckende Einführung von Tempo 30 in ganz Hamburg. „Eine solche einmalige Maßnahme hätte außerdem den Vorteil, dass Busfahrpläne und Ampelschaltungen nur einmal angepasst werden müssten“, sagt Jakobi. Das stadtweite Vorgehen wäre wesentlich einfacher umzusetzen, transparenter für die Verkehrsteilnehmer*innen und unterbindet laute Beschleunigungsvorgänge von Autofahrer*innen am Ende von Tempo-30-Abschnitten. „Hamburg sollte dem Beispiel Freiburgs folgen und zur Modellkommune für flächendeckendes Tempo 30 werden“.
„Gleichzeitig fordern wir Senat und Behörden auf, den Lärmschutz deutlich schneller zu verbessern als bisher“, so Jakobi. „Selbst aus dem ohnehin unzureichenden Lärmaktionsplan von 2013 sind 10 von 24 einst geplanten Temporeduktionen auch nach acht Jahre immer noch nicht realisiert worden“. Diese zögerliche Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen, aber auch die Weigerung der Innenbehörde, die rechtlichen Möglichkeiten für die Einführung von Tempo 30 auszuschöpfen, gehe tagtäglich auf Kosten der Gesundheit vieler tausender Menschen in Hamburg.
Jakobi: „Wir rufen vor allem die Bürger*innen auf, die an Hauptstraßen leben, die Planungen zum Lärmschutz in ihrer Straße zu prüfen und vom Senat Lärmschutzmaßnahmen einzufordern“. Das Online-Beteiligungsverfahren zum neuen Lärmaktionsplan läuft noch bis zum 25. Juni 2021.
Das Online-Tool des Fahrradclubs, das bei der Antragstellung auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie Tempo 30 hilft, haben bereits 1136 Menschen genutzt.
Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit
Der ADFC ist Teil des Bündnisses „Pro Tempolimit!“ und fordert Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, so wie Spanien es kürzlich landesweit und Frankreich im letzten Jahr für mehr als 200 Städte eingeführt haben. Tempo 30 schützt nicht nur vor Lärm und Abgasen, sondern auch vor schweren Unfällen. In Frankreich sind in den Städten, die Tempo 30 innerorts eingeführt haben, die schweren und tödlichen Unfälle um 70 Prozent zurückgegangen. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt flächendeckend Tempo 30 innerorts.
Pressemitteilung ADFC Hamburg