ÜSG als Lösung für klimagerechte Stadtentwicklung?

BerneÜSG-Ini„Die Flüsse sind da, wo sie sind und damit auch die Überschwemmungen“. „Das Wasser kommt halt einfach“! Politik und Behörden machen es sich einfach bei der Begründung von Überschwemmungsgebieten (ÜSG): Der Klimawandel sei schuld, es liege keine Verantwortung bei der Politik und daher gäbe es auch keine Ungerechtigkeit für die Bürger. Aber das Gegenteil ist der Fall!

Auf der einen Seite begründet die Behörde für Energie und Umwelt (BUE) die deutliche Verzögerung bei der Neuberechnung der ÜSG mit der extrem hohen Komplexität sowie Anzahl und Qualität der Stellungnahmen. Auf der anderen Seite wird die rot grüne Regierung nicht müde die geplante Ausweisung von ÜSG weiter mit einer eindimensionalen Erklärung zu begründen – dem Klimawandel!

Nach unserer Meinung ist die politische Betrachtung der ÜSG aber mindestens so komplex wie die technische Neuberechnung. Das Argument des Klimawandels wird dabei von den regierenden Parteien in Hamburg reflexartig genannt, da dieser im direkten Zusammenhang mit vergangenen und zukünftigen Hochwasserereignissen stünde. Ist es aber im Falle der Berner Au so einfach? Wir möchten an dieser Stelle den Einfluss auf ÜSG durch den Klimawandels etwas näher betrachten.

Klimawandel und Stadtentwicklung
Niemand von uns bezweifelt den Klimawandel und die damit einhergehenden Häufungen von Starkregenereignissen und generell erhöhten Regenmengen. Niemand von uns bezweifelt auch, dass sich dadurch Risiken ergeben werden. Aber die erhöhten Regenmengen durch den Klimawandel sind in Sachen ÜSG Berner Au nur ein kleiner Einflussfaktor. Ein viel bedeutenderer Faktor ist die Größe und Beschaffenheit des Einzugsgebiets aus dem das Regenwasser gesammelt und in die Berner Au geleitet wird. Daran schließt sich die Frage an, warum das so ist und wer die Verantwortung dafür trägt?
Das Einzugsgebiet, aus dem Regenwasser gesammelt wird, erstreckt sich über sieben Stadtteile im Nord-Osten Hamburgs und ist über 22 km2 groß. Das Regenwasser von öffentlichen Grundstücken wie Straßen, Parkplätzen, Wegen etc., ebenso von gewerblich genutzten Grundstücken wie von Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen etc. und letztendlich von privaten Grundstücken wird über zahllose Abwassergräben und 38 öffentliche Sielleitungen in die Berner Au geleitet.
Die Berner Au ist Hauptsammler für das gesamte Regenwasser in diesem großen Einzugsgebiet. (siehe Abbildung)

Dazu kommt, dass die Dichte der Bebauung (Versiegelung) dieses Einzugsgebietes in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat (von 45% auf ca. 65%), was dazu führt, dass das Regenwasser schneller und in größeren Mengen in die Berner Au geleitet wird.
Die Stadt Hamburg hat jahrzehntelang Investitionen in den Ausbau von Regen­wassersielen unterlassen und die Berner Au zur Hauptader des Regen­abwasser­systems für sieben Stadtteile umfunktioniert. Das ist aus stadtentwicklungs­technischer Sicht, unter Betrachtung von Kosten und Nutzen auch sinn­voll, aber natürlich eine Ungerechtigkeit wenn jetzt für die identifizierten Risiken durch diese Strategie der Stadt Hamburg einzelne Bürger in Form von ÜSG den „Kopf hinhalten“ sollen.
Das Wasser kommt also nicht einfach! Es kommt weder direkt vom Himmel noch allein aus einem natürlichen Quellgebiet, sondern aus dem Einzugsgebiet, welches die Stadtentwicklung in Hamburg für die Berner Au festgelegt hat und ist somit Teil des hamburgischen Abwassersystems.
Es bleibt noch die Frage nach der Plausibilität des von der BSU prognostizierten Ausmaßes an Überschwemmungen.

Klimawandel oder Klimaexplosion?
Hier wird gerne von der Politik die für ÜSG maßgeblichen Berechnungen der BUE für ein 100-jähriges Hochwasser herangezogen und uns Kritikern indirekt Inkompetenz und fehlender Weitblick in der Sache unterstellt. Niemand von uns sieht sich in der Lage die Überschwemmungsprognosen der BUE für die nächsten 100 Jahre (HQ100) zu kritisieren und niemand von uns tut das, aber Grundlage der 100-jährigen Prognosen sind auch Berechnungen der BUE für 10-jährige Hochwasser (HQ10). Eine Bewertung dieser Ergebnisse, bezogen auf historische Hochwasser der letzten Jahrzehnte ist deutlich besser möglich und darauf zielt unsere Kritik.
Seit Bestehen der aktuellen Infrastruktur an der Berner Au (Rückhaltebecken, Durchlässe, Verlauf, etc.) in den 80er Jahren ist die Berner Au selbst noch nie über die Ufer getreten. Lediglich durch verstopfte Einleitungspunkte (Siele, Straßengräben) kam es zu kleineren Überflutungen an einer Straßen­einmündung.
Laut der 10-jährigen Hochwasserprognose der BUE, müssten aber etwa alle 10 Jahre ungefähr 180.000 qm (25 Fußballfelder) an der Berner Au überschwemmt werden und vermeintlich in kürzeren Abständen natürlich auch kleinere Überschwemmungen auftreten. Diese gab es aber in den letzten 30 Jahren nicht. Selbst beim Erreichen der prognostizierten 10-jährigen Pegelstände an der Berner Au im Mai 2015 gab es überhaupt keine Überschwemmungen!
Die Prognose der BUE für 10-jährige Hochwasser ist nicht plausibel.
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Fazit
Es ist zu einfach die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten allein mit dem Argument „Klimawandel“ abzutun. Die Art und Weise der Stadtentwicklung in Hamburg in den letzten Jahrzehnten und die bisher unterlassenen Investitionen in das Regenabwassersystem Berner Au oder möglicher Alternativen haben einen deutlich größeren Teil zu möglichen Überflutungsrisiken beigetragen als der Klimawandel.
Entsprechend trägt die Stadt Hamburg hier den Hauptteil der Verantwortung für die mit der Ausweisung von ÜSG einhergehenden Wertverlusten und Beschränkungen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Damit ist dieses Vorgehen ungerecht und verantwortungslos.
Laut EU-Richtlinie könnte die Berner Au aus der Risikobewertung herausgenommen und weiterhin als Abwassersystem betrachtet werden. Aber über diese Möglichkeit hat bis jetzt noch niemand aus Bezirk, Behörde oder regierender Partei mit uns gesprochen.

Pressemitteilung Bürgerinitiative Berner Au (BIBA)

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