Vor dem Hintergrund der protestierenden Landwirtinnen und Landwirte debattierten die Mitglieder des Europäischen Parlaments heute (Mittwoch, 7. Februar) über die europäische Agrarpolitik. Die Grünen/EFA fordern seit langem eine umfassende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und haben im Jahr 2020 gegen die GAP gestimmt.
Die europäische Agrarpolitik muss faire Preise für Lebensmittel gewährleisten, eine grundlegende Reform der EU-Subventionen schaffen sowie Unterstützung bei der Umstellung hin zu umwelt- und tierfreundlicher Landwirtschaft sichern, statt Geld in Großindustrie und Massentierhaltung zu stecken.
Martin Häusling, Grünen/EFA-Mitglied im Agrarausschuss, kommentiert:
„Die Proteste gegen die fehlerhafte Agrarpolitik verwundern uns nicht. Bäuerinnen und Bauern wollen nicht auf Dauer von Subventionen leben müssen, noch wollen sie in der Klemme zwischen hohen Inputkosten und niedrigen Verkaufspreisen stehen. Gerade für viele kleine Milchbäuerinnen und -bauern ist die Hofschließung täglich eine reale Gefahr. Die Lebensmittelkonzerne müssen weit mehr in den Fokus der Politik gestellt werden, damit diese Praktiken endlich unterbunden werden.
Die Grünen/EFA fordern die EU-Kommission auf, die Auswirkungen der Lebensmitteloligopole auf die Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte zu untersuchen. Wir müssen weg von den Zahlungen je Hektar bei der Gemeinsamen Agrarpolitik, denn momentan profitieren bestenfalls große Betriebe mit viel Fläche ohne Tierhaltung von dem jetzigen Fördersystem. Die Verteilung der Agrarsubventionen muss fair werden, denn es lässt sich nicht erklären, warum 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der steuerlichen Unterstützung über flächengebundene Agrarsubventionen erhalten.”
Thomas Waitz, stellvertretendes Grünen/EFA-Mitglied im Agrarausschuss, kommentiert:
„Die Bäuerinnen und Bauern fordern eine faire Entlohnung aufgrund der steigenden Produktionskosten und keine kosmetischen Maßnahmen. Viel zu lange haben die Konservativen die Interessen der Agrarindustrie begünstigt, während hart arbeitenden Familienbetriebe kaum über die Runden kommen. Ein Abschluss des Mercosur-Abkommens würde nur weiter in die Misere führen, da es unsere heimische, kleinstrukturierte Landwirtschaft unter Druck setzt und das Höfesterben weiter vorantreibt. Mit dem Mercosur-Abkommen verliert die europäische Landwirtschaft und es verlieren die lokalen Bäuerinnen und Bauern der Mercosur-Länder.
Die Bäuerinnen und Bauern stehen an vorderster Front der Klimakrise und müssen sich schon jetzt an Dürren und andere Wetterextremen anpassen. Es ist an der Zeit die Gemeinsame Agrarpolitik zu Gunsten von kleinen und mittleren Betrieben zu reformieren. Weg von der unbegrenzten Flächenförderung hin zu einer Förderung der ersten 60 bis 100 Hektar und mehr finanzielle Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern, die in umweltfreundliche Anbau- und Arbeitsweisen investieren.”
Pressemitteilung Grüne im EU-Parlament
„Wahre Probleme in der Landwirtschaft jetzt anpacken“
In vielen Orten Europas fuhren zuletzt Landwirt:innen zum Protest auf die Straße. Die Europa-Abgeordneten debattieren vor diesem Hintergrund am Mittwoch in Straßburg über die Lage der Landwirtschaft in Europa.
Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der Europa-SPD:
„Das große Problem unserer Landwirtschaft ist ein Teufelskreis aus einem unkontrollierten Bodenmarkt, einer schwachen Position der Landwirt:innen am Markt sowie Dumpingpreisen, die dauerhaft zu einer Produktion unter Einstandspreis führen. Dazu kommen ein landwirtschaftsfeindlicher Freihandel und, als Dreingabe, ein veraltetes europäisches Subventionssystem, das kleine und mittlere Betriebe benachteiligt. Eine bäuerliche Landwirtschaft und eine dauerhafte Ernährungssouveränität kann es nur gemeinsam mit den Klimazielen von UN und EU geben. Die Gesellschaft muss Umwelt- und Klimaschutz fair entlohnen und ein nachhaltiges Lebensmittelsystem etablieren.
Wir deutschen Sozialdemokrat:innen im Europäischen Parlament machen uns für ein nachhaltiges Landwirtschaftsmodell stark. Wir haben geschlossen gegen die Änderungen der EU-Agrarpolitik von 2021 gestimmt, da sie nicht ausreichen, um eine Wende in der Landwirtschaft zu schaffen. Im Mittelpunkt muss künftig stehen, neben fairen Preisen für Lebensmittel, dass Landwirt:innen ein faires Einkommen erwirtschaften können, in dem sie ihre Arbeit auch im Sinne öffentlicher Leistungen wie Klima- und Umweltschutz erbringen.
Der Gesetzgeber muss die kleinen und mittleren Betriebe massiv stützen, denn diese haben bisher am meisten unter dem Subventionssystem gelitten. Des Weiteren muss die Marktposition der Landwirt:innen gestärkt werden. Sie verdienen faire Preise und Schutz vor Billigimporten. Auch die Spekulationen auf dem Bodenmarkt müssen wir angehen und Pachtpreisdeckel einführen.
Dass der Dialog mit den Landwirt:innen jetzt verstärkt aufgenommen wird, ist richtig. Es ist aber skandalös, dass genau jene, die mit ihrer neoliberalen und agroindustriefreundlichen Agrarpolitik für die Misere der europäischen Landwirtschaft verantwortlich sind, sich nun als deren Beschützer hinstellen. Initiativen wie der Green Deal, die langfristig unsere Ressourcen schützen, sind dabei nie das Problem gewesen. Die EU-Kommission geht mit den kürzlich vorgeschlagenen Maßnahmen zur Streichung von stillgelegten Flächen genau den falschen Weg.“
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament