Zum Ende der 20. Legislaturperiode zieht der NABU jetzt Bilanz der SPD-Umweltpolitik. Noch zu Beginn betonte der Senat in seiner Regierungserklärung, er wolle “Hamburg als Umwelthauptstadt fest etablieren”. Außerdem wollte die SPD das Verständnis dieser Auszeichnung als Auftrag werten, „auch in den kommenden 20 Jahren dafür zu arbeiten, dass wir in Naturschutz, flächensparendem Bauen, Emissions- und Klimaschutz vorne bleiben“. Doch aus Sicht des NABU hat die SPD tatsächlich den umweltpolitischen Rückwärtsgang eingelegt.
„Aus unserer Sicht hat die SPD den Natur-, Umwelt- und Landschaftsschutz in Hamburg geschwächt. Das Agieren des Senats wirkt auf uns, als würde die SPD diese allenfalls als lästige Pflichtaufgaben ansehen. Vollmundige Erklärungen erwiesen sich als leere Hüllen und vom “guten regieren” ist im Natur- und Umweltschutz wenig zu erkennen”, meint Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. An rechtlichen Grundlagen und Instrumenten mangele es Hamburg nicht, effektiven Naturschutz umsetzen zu können. Es existiert aus Sicht des NABU in Hamburg aber eine Barriere, die Erkenntnis in entsprechendes Handeln, in tatsächlichen Naturschutz umzusetzen. Porschke: „Der SPD-Senat verfolgt, wenn überhaupt, nur eine öffentlichkeitswirksame Naturschutzstrategie, die wir Als-Ob-Naturschutz nennen.“
Naturschutz nur auf dem Papier
Zwar gebe es kleine positive Schritte wie die Fortsetzung der von der Verwaltung betriebenen Ausweitung der Naturschutzgebiete Die Reit und Rodenbeker Quellental, die Errichtung des Naturschutzgebietes Holzhafen und des Landschaftsschutzgebietes Wilhelmsburger Osten. Doch an der Pflege und Entwicklung der Gebiete als Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen spart der Senat. „Die Vögel nisten doch nicht in der Verordnung“, argumentiert Porschke. Nach Berechnungen des NABU sind hierfür rund fünf Euro pro Einwohner und Jahr erforderlich. Dass die SPD-Fraktion rechtzeitig zum Wahlkampf 200.000 Euro zusätzlich beantragt hat, ist zwar sicher gute Absicht, aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wenn wir bei jeder Wahl so einen Minifortschritt erreichen, dauert es noch ca. 100 Jahre, bis der Bedarf gedeckt werden kann“, kalkuliert der NABU-Vorsitzende. An ausreichend Mitteln fehlt es auch für die Umsetzung der Europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) und der Was
serrahmenrichtlinie (WRRL). Grund genug zum Handeln hat der Senat: 92 % der FFH-Lebensraumtypen, 72 % der FFH-Arten und die meisten Gewässer befinden sich in einem ungünstigen Zustand. 35 % der Brutvögel, 41 % der Mollusken, 62 % der Libellen, 81 % der Schmetterlinge, 86 % der Reptilien und 88 % der Amphibien werden in Hamburg als gefährdet eingestuft.
Biotopverbund eingekürzt und ausgebremst
Der NABU bemängelt darüber hinaus die zögerliche Umsetzung des gesetzlich geforderten Biotopverbundes. „Die Flächen müssen rechtlich gesichert und im Sinne des Naturschutzes entwickelt werden“, fordert der NABU-Chef. „Auch hierfür muss der Senat eine Strategie entwickeln.
Grünverlust durch Wachstumsstrategie
Die Wachstumsstrategie bei Wohnungsbau und Siedlungsentwicklung hat dazu geführt, dass die SPD die Bedeutung der StadtNatur für die Lebensqualität der Menschen und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere aus dem Auge verloren hat. . „In den drei Jahren zwischen 2011 und 2013 wurden in 70 Bebauungsplänen mindestens 172 ha Grün (Grün-, Gehölz-,Brach,- Kleingarten- und Landwirtschaftliche Flächen) überplant und die Fällung von über 1.700 Bäumen beschlossen.“ Darüber hinaus weisen auch die neuen Wohnungsbauprogramme wieder Grün als Potentialflächen für den Wohnungsbau aus: „Im Bezirk Altona sind mindestens ein Viertel der Potentialflächen für den Wohnungsbau Grünflächen, im Bezirk Bergedorf sogar mehr als ein Drittel“, kritisiert Porschke. „Diese Dezimierung des Stadtgrüns wird schwerwiegende Folgen für die Natur und die Lebensqualität in unserer Stadt haben!“ Der zukünftige Senat muss den Flächenverbrauch stoppen und Grünflächen auch als Lebensraum für Tiere und Pflanzen begreifen und entwickeln.
Trauerspiel Klimaschutzbremse
Schon zu Beginn der Legislaturperiode hatte der Senat (entgegen den Versprechungen zur Umwelthauptstadt) Hamburgs Klimaschutzziel aufgegeben. Jetzt will der Senat nur noch „einen angemessenen Beitrag zum Bundesziel einer Reduktion um 40% gegenüber 1990 leisten“. Was die Senatorin angemessen findet, lässt sich am Mitteleinsatz erkennen: Obwohl die gerade veröffentliche Klimaschutz-Statistik zeigt, dass Hamburg 2012 praktisch keinen Beitrag zur Treibhausgasminderung geleistet hat, hat die Umweltsenatorin den Mitteleinsatz noch einmal halbiert. Im Masterplan wurde der Autoverkehr von einem Einsparbeitrag praktisch ausgeklammert und stattdessen hat der Bürgermeister bis zum Stopp durch einen Volksentscheid versucht, im Bündnis mit dem größten Klimasünder unter den Energieversorgern auch noch die Steuerungsmöglichkeiten über das Energienetz abzugeben.
Hoffen auf einen grünen Hafen
Hoffnungsvoll bewertet der NABU Äußerungen der Hafenverwaltung, zukünftig Vorreiter für einen „grünen“ Hafen sein und international Champions-League spielen zu wollen. „Maßnahmen wie zum Beispiel der Landstromanschluss in Altona bereiten aber bestenfalls den Aufstieg in die erste Liga, nicht aber in die Königsklasse vor“, erklärt Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim NABU Hamburg. „Denn ein Welt- und Universalhafen, der so exponiert mitten in der Stadt liegt, muss eine klarere Nachhaltigkeitsstrategie haben und neben unbestritten wichtigen ökonomischen Zielen zukünftig stärker sozialen und ökologischen Ansprüchen nach sauberer Luft und weniger Lärm gerecht werden.“ Ebenso unabdinglich sei eine transparente, ökologisch und ökonomisch vernünftige Flächenpolitik im Hamburger Hafen sowie eine differenzierte Diskussion um die Grenzen des Wachstums. Siegert: „Hafenerweiterungspläne und Forderungen nach weiteren Elbvertiefungen können nicht in die ökologische Champions-League führen, sondern allenfalls in die Oberliga.“ Die Umweltignoranz des Senats ist im Klageverfahren gegen die Elbvertiefung mittlerweile sogar beim Bundesverwaltungsgericht aktenkundig geworden.
Dialogbereitschaft in den Kinderschuhen
Zarte Ansätze zu einer gewissen Dialogbereitschaft u.a. bei der Novellierung des Hafenentwicklungsplanes sowie beim Dialogprozess Sedimentmanagement der Elbe übersieht der NABU nicht. „Für eine natur- und umweltgerechte Entwicklung unserer Stadt reicht das aber bei weitem nicht aus“, betont der NABU-Chef abschließend.
Pressemitteilung NABU Hamburg