Der lange Arm der Agrarlobby

Das Bundesumweltministerium stampft seine „Neuen Bauernregeln“ wieder ein. Der NABU bedauert das abrupte Ende der viel beachteten Informationskampagne „Neue Bauernregeln“ des Bundesumweltministeriums. Die Bauernregeln von Ministerin Hendricks waren auf massive Proteste gestoßen, vor allem aus Reihen des Bauernverbandes. Auch Agrarminister Schmidt hatte einen Stopp der Kampagne gefordert.

 

Die „Neuen Bauernregeln“ hatten auf humorvolle Weise Umweltprobleme in der Landwirtschaft thematisiert. Doch selbst eigene Parteifreunde sind der Ministerin in den Rücken gefallen. Dies gab wohl den Ausschlag, dass sie nicht länger der aggressiven und vollkommen unsachlichen Stimmungsmache der Agrarlobby standhalten konnte. „Es ist nicht die Aufgabe des NABU, eine Ministerin zu verteidigen. Aber angesichts des Erfolgs einer völlig faktenfrei orchestrierten Empörung der Agrarlobby gegen eine harmlose Aufklärungskampagne können wir nicht schweigen. Das lässt Böses ahnen für die anstehende Debatte um die EU-Agrarpolitik“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Fakt ist: Diese Regel stimmt! – Grafik: BMUB

Immerhin geht es um jährlich 60 Milliarden Euro, die lässt sich die Lobby nicht gerne wegnehmen. Es kann aber nicht sein, dass sie nur laut genug schreien muss, um ihren Willen zu bekommen. „Das bestätigt uns als NABU darin, mit unseren 620.000 Mitgliedern und Förderern im Wahljahr mit allen Möglichkeiten für eine Neuausrichtung der EU-Agrarförderung zu kämpfen“, so Miller weiter. Viele Bauern sind bereit zu Veränderung, werden jedoch von der EU-Agrarpolitik, die der Bauernverband vehement verteidigt, gezwungen, immer mehr und immer billiger zu produzieren.

Artenschwund und Gewässerbelastung können nicht geleugnet werden

Am Donnerstagabend hat das Bundesumweltministerium seine erst vor einer Woche verkündeten „Neuen Bauernregeln“ wieder von seiner Webseite genommen. Die Ministerin kündigte in einer Videobotschaft an, man wolle nun einen Dialogprozess starten. Aus Sicht des NABU ist dies eine klare Kapitulation vor der Agrarlobby. Natürlich sind Dialogprozesse sinnvoll. Aber dass die Information der Öffentlichkeit über wissenschaftlich unstrittige Probleme der Landwirtschaft unterbunden wird, ist ein Armutszeugnis – für die Bundesregierung ebenso wie für die SPD. Selbst Teile der Grünen auf Landesebene sind vor der Agrarlobby eingeknickt und haben sich gegen die Kampagne gestellt.

Barbara Hendricks hat sich in den vergangenen Jahren bei der erfolgreichen Verteidigung der EU-Naturschutzrichtlinien europaweit einen Namen gemacht. Der Deutsche Bauernverband hatte dagegen vergeblich die Aufweichung der Standards gefordert. Die Ministerin drängt auch auf die Einhaltung des EU-Düngerechts zum Schutz des Grundwassers, sowie auf eine stärkere Regulierung der Massentierhaltung.

Subventionen müssen verdient werden – mit Leistungen für die Umwelt

Der Bauernverband will die Umweltprobleme der Landwirtschaft nicht sehen und verlangt, dass auch alle anderen den Kopf in den Sand stecken. Damit wird er auf Dauer keinen Erfolg haben. „Im Gegensatz zu anderen Teilen der Wirtschaft scheint sich die Agrarindustrie immer noch nicht damit abzufinden, dass auch sie Umweltstandards einhalten muss und Subventionen nicht vererbt werden können“, fasst Miller zusammen. „Beim Deutschen Bauernverband kann man schon längst nicht mehr von einer echten Vertretung bäuerlicher Interessen sprechen, geschweige denn von Bewusstsein für Nachhaltigkeit oder die gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Der Verband verteidigt ein System, das nur wenigen wirklich nützt und fast allen erheblich schadet: den Steuerzahlern, den künftigen Generationen und den Bauern selbst.“

Pressemitteilung NABU

Umweltverbände fordern zukunftsfähige Agrarpolitik

Anlässlich der scharfen Kritik von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt an den „neuen Bauernregeln“ des Bundesumweltministeriums haben die Umweltverbände BUND, Greenpeace, NABU und DNR (Deutscher Naturschutzring) auf den überfälligen Kurswechsel in der Agrarpolitik hingewiesen.

„Düngemittel und Pestizide im Grundwasser, anhaltender Verlust der Artenvielfalt, Vermaisung der Landschaft und Massentierhaltung machen deutlich, dass es ein ‚Weiter so‘ in der Agrarpolitik nicht geben kann“, sagte DNR-Präsident Kai Niebert.
Daher sei Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt aufgefordert, die bestehenden Handlungsspielräume für eine Ökologisierung der Agrarpolitik endlich konsequent zu nutzen. Das Bundesumweltministerium habe mit seiner humorvollen Plakataktion für „neue Bauernregeln“ lediglich den enormen Reformbedarf für eine zukunftsfähige Landwirtschaft hervorgehoben. Die Reaktion von Bundesminister Schmidt auf die Kampagne sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

Aus Sicht der Umweltverbände ist eine stärkere Integration von Umwelt-, Natur- und Tierschutz in die Agrarpolitik auch im Interesse einer bäuerlichen Landwirtschaft unverzichtbar.

„Umweltschutz ist kein Selbstzweck. Die gravierenden Umweltbelastungen zeigen, dass ein Umsteuern in der Agrarpolitik notwendig ist. Minister Schmidt sollte endlich einen Maßnahmenkatalog für eine zukunftsfähige ökologische Landwirtschaft vorlegen anstatt an Kampagnen des Umweltministeriums herumzumäkeln“, sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Ob Düngepolitik, Gentechnik-Anbauverbot, Tierwohlförderung oder EU-Agrarreform – die Liste des agrarpolitischen Änderungsbedarfs sei groß. Die Verbände appellierten an Schmidt, sein Haus gesellschaftlich breiter aufzustellen, anstatt es den Lobbyinteressen der Agrarindustrie zu überlassen.

„Wer die Landwirtschaft auf die Massenproduktion von Lebensmitteln für den Weltmarkt konzentrieren möchte, setzt die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen aufs Spiel und gefährdet die Existenz unzähliger bäuerlicher Betriebe“, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, Greenpeace, NABU und DNR vom 6.2.17

Hendricks verkündet neue „Bauernregeln“ für eine Landwirtschaft mit Zukunft
Start der Kampagne „Gut zur Umwelt. Gesund für alle“

Anlässlich der öffentlichen Konsultation der EU zur Zukunft der europäischen Agrarpolitik startet das Bundesumweltministerium heute die Kampagne „Gut zur Umwelt. Gesund für alle.“ Im Stile alter Bauernregeln wirbt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks dabei für eine naturverträgliche Landwirtschaft und eine Reform der europäischen Agrarförderung.

„Gibt`s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur“. Und: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ So lauten zwei der neuen Bauernregeln, die das Bundesumweltministerium unter dem Motto „Gut zur Umwelt. Gesund für alle“ ab heute veröffentlicht. Auf Plakaten in über 70 Städten in Deutschland, mit Ansichtskarten, über Social Media und über eine Kampagnen-Website werden die Bauernregeln zu verschiedenen Themen verbreitet.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Wir wissen, dass die intensive Landwirtschaft die Belastungsgrenzen von Böden und Natur viel zu oft überschreitet. Das wollen die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht. Landwirtschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn sie naturverträglich ist und Artenvielfalt, Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen mit berücksichtigt. Wir setzen uns deshalb vehement dafür ein, die EU-Agrarförderung umzubauen. In Zukunft sollen Landwirte stärker für öffentliche Leistungen wie den Naturschutz bezahlt werden.“

Ab heute ist unter dem Link www.bundesumweltministerium.de/bauernregeln die Website zur Kampagne mit den neuen Bauernregeln online. Die Internetseite liefert Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich Hintergrundinformationen über relevante Themen wie Biodiversität und Landwirtschaft oder den Zusammenhang von Düngung und sauberem Grundwasser. Darüber hinaus verlinkt die Website auf entsprechende Initiativen des BMUB.

Pressemitteilung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 2.2.17

Screenshot BMUB

WUZ-Info: Nach Protesten des Bauernverbandes und des Landwirtschaftsministers wurde die Seite mit den neuen Bauernregeln des BMUB vom Netz genommen. Die WUZ hat alle elf Regeln vorher dokumentiert:
„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“
„Gibt`s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur“
„Zu viel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt“
„Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“
„Strotzt der Boden von Nitraten, kann das Wasser arg missraten“
„Gibts nur eine Pflanzenart, wird’s fürs Rebhuhn richtig hart“
„Stehn im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle mächtig Mühe“
„Ohne Blumen auf der Wiese geht’s der Biene richtig miese“
„Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser dann ins Geld“
„Wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist“
„Bleibt Ackergift den Feldern fern, sieht der Artenschutz das gern“

Mir ist spontan noch diese eingefallen „Sitzt das Huhn im Käfig ein, ist es auch ein armes Schwein“. Viel Spaß beim Reimen!

Weitere Infos: https://www.dnr.de/
https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft
https://www.bund.net/themen/landwirtschaft/
https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/

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