BUND und NABU: „Eine Autobahn kann kein Klimaschutzprojekt sein“
Die Hamburger Landesverbände von BUND und NABU werden gemeinsam eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur A26 Ost einreichen. Das haben die Vorstände der beiden Umweltverbände nach eingehender fachlicher und juristischer Untersuchung des Planfeststellungsbeschlusses entschieden. Die Bundesverbände von BUND und NABU unterstützen die Klage.
Dem nicht einmal 10 Kilometer langen Autobahnstück mangelt es aufgrund veränderter Rahmenbedingungen am Bedarf. Es zerstört wertvolle Natur, ist mit den Klimazielen nicht vereinbar und zudem mit geschätzten 2,3 Milliarden Euro sündhaft teuer. Beide Verbände sammeln ab sofort Spenden, um die Kosten für die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht abzufedern.
„Umweltverbände können nicht einfach so klagen, weil ihnen ein Projekt nicht gefällt. Es muss klare rechtliche Anhaltspunkte geben, denn Gerichte entscheiden nicht was ‚richtig‘ ist, sondern was rechtmäßig ist. Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass die Planung zur A26 Ost im Konflikt mit dem Gesetz steht. Dass der Bau der Autobahn überhaupt noch zur Debatte steht, ist der fehlenden Weitsicht der politisch Verantwortlichen geschuldet. Die Belange des Umwelt- und Naturschutzes werden in der öffentlichen Abwägung noch immer viel zu selten adäquat berücksichtigt. Wir werden versuchen dieses Versäumnis mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu korrigieren“, so BUND und NABU.
Vor allem im jetzt planfestgestellten ersten Abschnitt bei Moorburg sind die Auswirkungen auf die Natur erheblich. Wertvolle Biotopflächen, die ein attraktiver Lebensraum für zahlreiche teils bedrohte Pflanzen- und Tierarten sind, darunter auch Moor- und Torfböden, werden dort zerstört. Das Ausgleichskonzept des Vorhabenträgers für die zu erwartenden Naturschäden erfüllt nach Auffassung der Umweltverbände die rechtlichen Vorgaben nicht. Während die Kompensation der Schäden über 15 Kilometer entfernt im Hamburger Osten umgesetzt werden, kann ein ökologischer Ausgleich nur dann wirksam sein, wenn er in räumlicher Nähe stattfindet. So ist es auch rechtlich vorgesehen.
Das Projekt konterkariert die Hamburger und bundesdeutschen Klimaziele. Dass seitens der Planenden behauptet wird, das Vorhaben sei ein Beitrag zum Klimaschutz, ist nach Auffassung der Umweltverbände allein kommunikativ eine Farce. Der Bau neuer Autobahnen führt, das ist wissenschaftlich belegt, zu mehr Verkehr. Gleichzeitig kommt die erhoffte Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs bisher kaum in Gang. Für eine echte Verkehrswende müssen die Pendler-Ströme auf die Schiene verlagert werden, anstatt weitere Fernstraßen zu bauen. Im Ergebnis bedeutet der aktuelle Trend mehr Verkehr mit weiter steigenden CO2-Emissionen und zugleich eine mangelnde Geschwindigkeit bei der Mobilitätswende. Hinzu kommt der Bau des gewaltigen aufgeständerten Brücken-Monsters über die Elbe, in dem große Mengen CO2 bei der Herstellung des Betons entstehen. Dabei ist völlig unklar, wie allein diese Emissionen kompensiert werden sollen.
Die Umweltverbände setzen sich dafür ein, eine taugliche Ost-West-Verbindung auf dem nur wenige Kilometer nördlich gelegenen Veddeler Damm zu organisieren. Diese ursprünglich geplante Alternative wird im aktuellen Verfahren nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei setzt der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) richtigerweise vor allem auf Erhalt vor Neubau. Weil zudem eine neue Köhlbrandquerung sowieso gebaut werden muss, ist nach Auffassung von BUND und NABU ein Ausbau der zentralen Haupthafenroute infrastrukturell, finanziell und ökologisch angemessen.
„Zu allem Überfluss zerschneidet das antiquierte Autobahnvorhaben auch noch die zur Entwicklung einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft herausragend bedeutsame Fläche mitten im Hamburger Hafen: die Hohe Schaar. Als würde es den Ukraine-Krieg, Fragen der Versorgungssicherheit, die angestrebte Energiewende und die Klimakrise nicht geben. Politisch fährt man mit der A26 Ost nicht nur die Verkehrswende vor die Wand, sondern auch eine zukunftsgerechte Hafenentwicklung“, so BUND und NABU.
Pressemitteilung NABU Hamburg
A26 Ost: Rückkehr zur Sachlichkeit statt ideologischer Grabenkämpfe
Auf die Vorwürfe wirtschaftlicher Akteure gegen die angekündigte Klage reagieren BUND und NABU Hamburg mit einer Einordnung und einem deutlichen Appell
Den Vorwurf von wirtschaftlichen Akteuren einer Verzögerungstaktik (Handelskammer) und ideologischen Blockade (Industrieverband) weisen die Umweltverbände in aller Deutlichkeit von sich.
Der Antrag auf Eröffnung eines Planfeststellungsverfahren wurde 2017 veröffentlicht. Es folgte eine Planänderung, die 2021 eingeleitet wurde. Die Planänderungsunterlagen wurden im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Der endgültige Planfeststellungsbeschluss erging Ende Dezember 2023. Damit lagen allein schon zwei Jahre zwischen Planänderung und -beschluss. Verantwortlich für diese lange Bearbeitungsdauer waren dabei ausschließlich die Planungsbehörden.
Während die Behörde beliebig viel Zeit hat, um Unterlagen vor- und nachzubereiten, bleibt den Umweltverbänden in der Regel nur vier Wochen, um Stellung nehmen zu können. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne gilt es Hunderte von Seiten durchzuarbeiten, darunter komplexe Themen wie Verkehrsprognosen, Bestände von vorkommenden Tier- und Pflanzenarten, Hafenentwicklungsprognosen und CO2-Bilanzen.
Dazu Sabine Sommer, Vorsitzende BUND Hamburg: „Wir sehen uns als Anwälte der Natur und des Klimaschutzes. Mit unserer Arbeit verfolgen wir die Interessen der Natur, die nicht für sich selber sprechen kann. Es geht dabei um nicht weniger als darum, unsere Lebensgrundlage zu erhalten. Man kann diese Autobahn wollen und das auch so kommunizieren, aber dann muss man auch eingestehen, dass dieses Projekt Auswirkungen auf Klima und Natur hat und diese überprüft werden müssen. Das würde eine weitere Polarisierung vermeiden und zeigen, dass die Komplexität eines solchen Vorhabens verstanden wird.“
Malte Siegert, Vorsitzender NABU Hamburg führt aus: „Ökologische Schäden, wie sie hier zu erwarten sind, treffen uns gesamtgesellschaftlich, auch die Wirtschaft. Sowohl die EZB als auch die Bundesbank haben die ökonomischen Risiken, die für die Gesellschaft aus dem Verlust der Biodiversität entstehen, untersucht und bewertet. Es geht hier jährlich global um hohe dreistellige Milliardenbeträge, wenn Ökosysteme kostenfreie Dienstleistungen (von Mooren, Feuchtwiesen, Wäldern etc.) nicht mehr bereitstellen können, weil diese Lebensräume vom Menschen degradiert wurden.“
Beide ergänzen: “Die Art der Positionierung ist nicht konsequent mit dem eigenen Engagement beim Klimaschutz. Vor kurzem hat die Handelskammer ausgerufen, dass Hamburgs Industrie bis 2040 klimaneutral sein kann. Man kann nicht das eine fröhlich verkünden und dann nicht die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen. Wir wünschen uns in Zukunft eine differenzierte Bewertung. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Spaltung und Polarisierung ist eine sachliche Debatte auch bei diesem Thema dringend notwendig.“
Zum Hintergrund: Die Umweltverbände hatten am Dienstag angekündigt, gegen die geplante A26 Ost zu klagen. Daraufhin meldeten sich mehrere wirtschaftliche Akteure in der Presse zu Wort und warfen den Verbänden Verzögerungstaktik, ideologische Blockade oder sogar Missbrauch des Klagerechts vor.
Pressemitteilung BUND Hamburg