Am 4. Mai eröffnete der Erste Bürgermeister vor großem Publikum die neue Bürgerbeteiligungs-Initiative des Senats zur Stadtentwicklung – eine neue Planungskultur „nicht nur für 4, 5 Jahre“. Offiziell sollte es um die Fragen gehen: „Wie sieht Hamburg im Jahr 2030 aus?“, „Wie wollen wir leben, arbeiten und wohnen?“, „Wie sichern wir Lebensqualität und Vielfalt der Stadt?“
Was wirklich geschah…
…eine Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters zu vielen aktuellen Politikthemen, eine unverbindliche Podiumsplauderei über verdichtetes Bauen, soziale Integration und Stadtteil-Entwicklung, Mobilität und Kulturwandel, und anschließend der unvermeidliche Reigen von Initiativen-Vertretern, die sich nicht ausreichend beteiligt fühlten.
„Auf Dialoge bauen“? Keine Silbe verschwendete die veranstaltende Stadtentwicklungsbehörde auf die Spielregeln der zukünftigen Beteiligung, auf die seit Jahrzehnten diskutierten Fragen und Probleme von Partizipationsverfahren – von Zeitbedarf, Verbindlichkeit und geeigneten Methoden der Beteiligung über die Repräsentativität und Legitimation der Beteiligten bis zur demokratischen Verantwortung. „Es wird verschiedene Beteiligungsformen geben“. Die Auftaktveranstaltung beschränkte sich weitgehend auf statements aus dem Publikum und (Gegen-)statements vom Ersten Bürgermeister. Da ist die Piraten-Partei, deren Erfolg die SPD in Hamburg nun verstärkt in den Stadtdialog treibt, bei Transparenz und Partizipation kreativer.
Bisher beschworen Politik, Verwaltung und Verbände zur Beantwortung der genannten
Zukunftsfragen unermüdlich das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Keinem der
Anwesenden – Bürgermeister, Podiumsgästen, Zuhörern oder auch Moderator Schalthoff – kam dieser Schlüsselbegriff am 4.5. jedoch auch nur einmal über die Lippen. „Was schert
mich mein Geschwätz von gestern?“
In einem Monat wird die Staatengemeinschaft bei „Rio +20“ die Vision der Nachhaltigkeit und die Agenda 21 bekräftigen – als einzige global konsens- und tragfähige, aber weiter zu
konkretisierende Handlungsgrundlage für eine gerechte und zukunftsfähige Entwicklung,
auch der Metropolen. Hamburg hatte sich 1996 mit Unterzeichnung der Aalborg-Charta zu
einer lokalen Agenda 21 verpflichtet und – mit SPD-Mehrheit – das Leitbild der Nachhaltigkeit offiziell übernommen. Es gab in Hamburg zwar keine Agenda 21-Prozesse, aber jährlich Nachhaltigkeitskonferenzen in den Prachtsälen des Rathauses. Mit der CDU-Mehrheit wich dieses Leitbild dann dem der „Wachsenden Stadt“ – Wachstum als quantitatives Ziel. Mit dem Juniorpartner GAL mutierte das Leitbild zu „Wachsen mit Weitsicht“ (=„Nachhaltigkeit“) – zuweilen ein Widerspruch in sich selbst. Die HafenCity wurde als Modellstadt der Nachhaltigkeit vermarktet. Als Europäische Umwelthauptstadt strengte sich Hamburg bzw. die Projektgruppe der zuständigen Behörde an, mit Nachhaltigkeitsprojekten über eine reine Image-Kampagne hinaus zu kommen. Die IBA und die Internationale Gartenschau orientieren ihre Projekte in Unmengen von Präsentationen ausdrücklich an den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung. Eine offizielle Nachhaltigkeitsstrategie, wie sie die Bundesregierung und die meisten Bundesländer seit langem verfolgen, stand – endlich – unmittelbar vor der Senats-Entscheidung.
Dann kam die SPD und mit ihr der Wohnungsbau. Alles andere wurde Schnee von gestern.
Es kamen aber auch Bürgerproteste und erfolgreiche Bürgerentscheide. Und die Piratenpartei bedroht für die nächste Bürgerschaftswahl bewährte Koalitionsoptionen der SPD. Die Stadtwerkstatt als Instrumentenkasten für eine partizipative Stadtentwicklung wird da nicht reichen – für Hamburg 2030. Sie ist Form, nicht Inhalt. Sie kann langfristige Zielsetzungen der Politik nicht ersetzen. Aber das Kursbuch Umwelt von 2001 schlummert in der Schublade. Und das Räumliche Leitbild von 2007 und der Masterplan Klimaschutz? Werden sie so lange weiterbearbeitet, bis eine klare SPD-Urheberschaft glaubwürdig wird oder sie – wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Vorgängerregierung – leider, leider in der gegenwärtigen Legislaturperiode nicht mehr zu schaffen sind?
Was will die Welthandelsmetropole Hamburg inhaltlich beitragen zu einer fairen, generationengerechten, ressourcen- und klimaschonenden Entwicklung? In New York sollen alle Einwohner in 10 Minuten einen Stadtpark erreichen können, in Sydney innerhalb von nur 3 Minuten einen Grünzug. London will bis 2015 zur fußgängerfreundlichsten Stadt Europas werden. Paris wandelt in den Sommerferien (Schnell-)Straßen und Plätze für Wochen in einen Stadtstrand um und sperrt an Wochenenden ganze Stadtteile für den Autoverkehr. Die Fahrradstadt Kopenhagen will bis 2025 komplett CO2-neutral sein und Hamburgs Nachbar Norderstedt wenigstens bis 2040.
Wie sieht Hamburg 2030 aus? Wie wollen wir leben, arbeiten und wohnen? Noch gibt es in der Stadtentwicklungsbehörde eine „Abteilung Nachhaltigkeit“.
Pressemitteilung Zukunftsrat Hamburg: www.zukunftsrat.de