Änderung am Gesetz für CO₂-Grenzwerte bei Pkw
Das Europäische Parlament hat soeben in Straßburg mit breiter Mehrheit der von der Kommission vorgeschlagenen begrenzten Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw zugestimmt. Damit wird den Herstellern in der EU die Möglichkeit eingeräumt, mögliche Zielverfehlungen im Jahr 2025 durch Übererfüllung in den Folgejahren 2026 und 2027 auszugleichen.
Die Abstimmung bezog sich auf eine Änderung an der bestehenden Gesetzgebung über die Einsparziele für CO₂-Emissionen, die in Europa zugelassene Neuwagen respektive bis 2025, 2030 und 2035 erreichen mussten.
Tiemo Wölken, umweltpolitischer Sprecher der S&D-Fraktion:
„Mit dieser Entscheidung geben wir der europäischen Automobilindustrie in einer schwierigen Phase kurzfristig mehr Flexibilität – ohne dabei vom langfristigen Ziel der klimaneutralen Mobilität abzuweichen.
Unter der bestehenden Gesetzeslage hätten europäische Anbieter in den nächsten Jahren entweder Strafzahlungen an die EU entrichten müssen, oder wären gezwungen gewesen, kostspielige Gutschriften etwa bei chinesischen Konkurrenten oder bei Tesla einzukaufen. Beide Optionen wären in der aktuellen Lage kontraproduktiv gewesen und hätten dem Sektor das für die Transformation notwendige Kapital entzogen. Die jetzt angenommene Lösung ist daher ein pragmatischer Kompromiss, der Beschäftigung sichert, Planungssicherheit schafft und trotzdem an den Zielen zur Emissionsreduktionen festhält. Die Durchschnittsregelung über die nächsten drei Jahre sorgt dafür, dass die Hersteller weiterhin preislich attraktive E-Modelle auch im Massenmarkt anbieten müssen.
Darüber hinaus braucht es konkrete Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger, um den Wandel zur Elektromobilität sozial abzusichern. Dazu gehören Instrumente wie ein umfangreiches Social Leasing Programm mit Mitteln aus dem Klimasozialfonds und bessere Preise für Ladestrom. Die neue Bundesregierung hat sich hier einiges auf die To-Do-List gesetzt – jetzt gilt es, diese Vorhaben zügig umzusetzen. Absolutes Gift für die Branche wäre jetzt jedoch die Grundsatzdebatte um den Verbrennerausstieg 2035 wieder loszutreten. Die bereits getätigten Investitionen der Betriebe würden in Frage gestellt und weitere Arbeitsplätze fahrlässig gefährdet.“
Die Änderung kann nach der formellen Zustimmung des Ministerrats und der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU bereits in wenigen Wochen in Kraft treten. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission zudem eine Zwischenbilanz über die Umsetzung Flottengrenzwerte allgemein ziehen, und mögliche Anpassungen im Detail vorschlagen.
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament
Greenpeace zur Entscheidung des EU-Parlaments, die CO2-Flottengrenzwerte abzuschwächen
Das Europäische Parlament hat heute dafür gestimmt, die bereits 2019 beschlossenen Flottengrenzwerte für neue Pkw abzuschwächen. Statt den CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte bis zu diesem Jahr um 15 Prozent gegenüber dem Wert von 2021 zu senken, hätten Autohersteller nun bis 2027 Zeit, um dieses Ziel im Durchschnitt der drei Jahre zu erfüllen. Die Zulassungszahlen für Elektroautos sind im vergangenen Jahr nicht so stark gestiegen wie für das Erreichen der CO2-Ziele nötig. Verfehlen Hersteller die Ziele, drohen bislang Strafzahlungen. Seit Beginn des Jahres sind die Zulassungen für E-Autos auch in Deutschland deutlich gestiegen, nach Einschätzung von Expert:innen nicht zuletzt, weil Hersteller mit Rabatten auf E-Autos drohende Strafen abzuwenden versuchen. Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat sieht im Beschluss des EU-Parlaments einen Schlag gegen den Klimaschutz und Wettbewerbsnachteile für die europäische Autoindustrie:
„Du liegst im 1000-Meter-Lauf eine halbe Runde zurück und der Trainer schlägt ein Päuschen vor, statt dich anzufeuern. Eine schlechtere Ansage kann das EU-Parlament der strauchelnden europäischen Autobranche nicht geben. Dieser Beschluss wird den Rückstand der europäischen Autohersteller auf dem Zukunftsmarkt E-Mobilität weiter vergrößern.
Die zuletzt deutlich gestiegenen Zulassungszahlen für E-Autos zeigen, wie wirksam die EU-Flottengrenzwerte sind. Wer sie jetzt abschwächt, nimmt den Druck von den Herstellern, kleine und bezahlbare Stromer zu entwickeln. Das lenkt mitten im Wandel der Autoindustrie Geld in eine sterbende klimaschädliche Technik. Den Klimaschutz wird das spürbar bremsen, das Angebot attraktiver E-Autos aus Europa zurückwerfen.“
Hintergrund: Die bestehende EU-Regelung zu CO2-Flottengrenzwerten aufzuweichen, würde den Absatz von E-Autos spürbar bremsen. Laut einer Berechnung von Transport & Environment, einem Dachverbands verschiedener europäischer Verkehrs-NGOs, würden in der EU bis zu 880.000 E-Autos weniger verkauft werden, wenn die Konzernen bis 2027 Zeit bekommen, um die ursprünglich für 2025 geforderte CO2-Reduktion um 15 Prozent erst im drei-Jahres-Durchschnitt zu erreichen.
Pressemitteilung Greenpeace