EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur: Machtkampf in CDU/CSU bringt Green Deal in Gefahr
Anlässlich der Patt-Situation im EU-Umweltausschuss für den Vorschlag eines EU-Renaturierungsgesetzes kritisiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Es ist ein großer Erfolg, dass der EU-Umweltausschuss das EU-Renaturierungsgesetz heute nicht vorzeitig beerdigt hat. Nach einer beispiellosen Desinformationskampagne der EVP-Gruppe, angeführt von der deutschen CDU/CSU und massivem politischen Druck auf mögliche Abweichungen in den eigenen Reihen, ist das ein Lichtblick. Die Fundamentalopposition der EVP und der deutschen Christdemokraten war jedoch am Ende mitverantwortlich dafür, dass der Ausschuss zu keiner inhaltlichen Position kommen konnte. Wir fordern deshalb alle Kräfte im Europäischen Parlament dazu auf, sich für den Schutz der Natur an Land und in den Meeren einzusetzen. Diese katastrophale Blockade muss beendet werden und das EU-Renaturierungsgesetz muss kommen.“
Hintergrund: Das EU-Renaturierungsgesetz ist eine der großen Säulen des „European Green Deals“ von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es stellt die größte Initiative im europäischen Naturschutz seit mehr als 30 Jahren dar. Der Abstimmung im EU-Umweltausschuss war eine beispiellose Kampagne der EVP-Fraktion vorausgegangen, um eine Ablehnung des Vorschlages der EU-Kommission zu erreichen. Diese war gestützt auf höchst fragwürdigen Behauptungen rund um den Gesetzesvorschlag, die wissenschaftlich nicht haltbar sind.
Pressemitteilung BUND
EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur
Angriff auf Nature Restoration Law vorerst gescheitert
Kreiser: EVP-Antrag, das Gesetz zurückzuweisen, wurde im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments abgelehnt
Nach mehrstündigem Abstimmungsprozess im Umweltausschuss wurde die Positionierung des Europäischen Parlaments zum EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) unerwartet auf den 27. Juni vertagt. Der Versuch der konservativen Abgeordneten, das Gesetz ganz zu stoppen, scheiterte. Das Gesetz soll die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten, einen Teil ihrer geschädigten oder zerstörten Ökosysteme wiederherzustellen. Dazu kommentieren Konstantin Kreiser, NABU-Fachbereichsleiter für Naturschutzpolitik:
“Trotz Vertagung hat der Naturschutz einen ersten kleinen Zwischensieg erlangt: Der Antrag der Europäischen Volkspartei (EVP), dieses wichtige EU-Gesetz komplett zurückzuweisen, hat keine Mehrheit gefunden. Mehrheiten für den ohnehin bereits verwässerten Kompromisstext fanden sich jedoch ebenfalls kaum, auch, weil die EVP in den vergangenen Wochen mit Falschbehauptungen Stimmung gegen dieses wichtige Gesetz gemacht hat. Mehr als 800.000 Bürgerinnen und Bürger, tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zahlreiche Unternehmen und Verbände haben sich in den vergangenen Wochen für das Nature Restoration Law stark gemacht. Diesem Ruf müssen nun auch die Abgeordneten folgen, wenn die Abstimmung in zwei Wochen fortgesetzt wird. Das EU-Gesetz kann der Schlüssel dafür sein, die bevorstehenden Krisen zu bewältigen. Schon heute fegen Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände über Europa hinweg. Resiliente Ökosysteme helfen uns gegen genau solche Katastrophen.”
Am 20. Juni stimmen auch die Umweltminister*innen der Mitgliedstaaten über die Ratsposition zu diesem Gesetz ab, es wird eine Zustimmung der Bundesregierung erwartet.
Pressemitteilung NABU
Keine Landwirtschaft ohne intakte Natur
+++ Umweltausschuss vertagt Entscheidung über Gesetz zur Wiederherstellung der Natur nach über drei Stunden Abstimmungsmarathon +++
In einer Sondersitzung in Straßburg sollte der Umweltausschuss seine Position für das EU-Gesetz zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme abstimmen (Nature Restoration Law, NRL). Da die Abstimmungen aber länger dauerten als geplant, mussten sie vorzeitig abgebrochen und am Dienstag, 27. Juni 2023 im Umweltausschuss in Brüssel fortgesetzt werden.
Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten:
“Die Konservativen sind daran gescheitert, eine Mehrheit zustande zu bringen, die das Gesetz komplett ablehnt. Eine Mehrheit aus Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken konnte das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur in seinen Grundzügen retten. Das ist eine gute Nachricht. Allerdings konnten die Konservativen einige Änderungsanträge durchbringen, die das Gesetz durchlöchern und schwächen.
Das Gesetz würde trotzdem weiterhin zu einer Verbesserung des Zustands unserer Natur führen. Ich hoffe, dass sich einige in der konservativen Fraktion bis zur Fortführung der Abstimmungen besinnen und das Gesetz unterstützen. Selbst den Konservativen muss klar sein, dass es ohne intakte Natur keine Landwirtschaft geben kann.”
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament
bereits gestern:
Grünen/EFA-Fraktion fordert EVP auf, Blockadehaltung aufzugeben
Rettung der Natur/Abstimmung im Umweltausschuss
Vor der morgigen (Donnerstag, 15. Juni, Ausschusssitzung von 8:30 bis 10:00 Uhr) Abstimmung im Umweltausschuss fordern die Grünen/EFA die Christdemokraten im Europäischen Parlament auf, ihre Blockadehaltung gegenüber dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) aufzugeben und für den bereits gefundenen Kompromiss der progressiven Fraktionen zum Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat und der Europäischen Kommission zu stimmen.
Jutta Paulus, Grünen/EFA-Schattenberichterstatterin im federführenden Umweltausschuss, kommentiert:
„Wir Grünen/EFA fordern die Christdemokraten auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben und die vergangene Woche erzielte Einigung zu unterstützen. Wir haben viele der Forderungen der Europäischen Volkspartei übernommen und haben sie trotz des Rückzugs der EVP beibehalten, um unsere Kompromissbereitschaft zu zeigen.
Ein Rückzieher beim Gesetz zur Rettung der Natur könnte uns beim Erhalt der Artenvielfalt um Jahre zurückwerfen, und uns läuft die Zeit davon. Inzwischen schlagen selbst große Wirtschaftsunternehmen Alarm und fordern ein ambitioniertes Renaturierungsgesetz. Die Blockade der Unionsparteien ist daher nicht nur eine Absage an Klima- und Naturschutz, sie widerspricht auch den Interessen der Wirtschaft und gefährdet unsere langfristige Ernährungssicherheit.
Die Anbiederung der Christdemokraten an Rechtspopulisten und Rechtsextreme ist völlig inakzeptabel. Wir Grünen/EFA fordern die Christdemokraten auf, ihren anti-europäischen Kurs aufzugeben und sich auf die Seite der Natur, des Klimas, der Landwirtinnen und Landwirte, der Wissenschaft und der Wirtschaft zu stellen. Ohne Natur keine Nahrung, ohne Natur keine Wirtschaft.”
Hintergrund:
Vertreterinnen und Vertreter führender Unternehmen, darunter Nestlé und Coca-Cola, fordern in einem offenen Brief, das Renaturierungsgesetz so schnell wie möglich zu verabschieden.
Über 3000 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fordern in einem offenen Brief ein ambitioniertes Renaturierungsgesetz.
Der Wissenschaftliche Beirat der Vereinten Nationen fordert in einem Statement ebenfalls eine rasche Verabschiedung.
Pressemitteilung GRÜNE im EU-Parlament