Die Forderung Vattenfalls nach Einspeisung von Steinkohlewärme ins Fernwärmenetz auf der Aufsichtsratssitzung von Vattenfall Wärme Hamburg (VWH) zeigt: Vattenfall sieht große Chancen, einen Bruch des Volksentscheids vom 22.9.13 durchzusetzen. Ein Neuanschluss eines Kohlekraftwerks wäre nicht legal.
Zwar verweigert sich Senator Kerstan (Behörde für Umwelt und Energie, BUE) in der Öffentlichkeit dieser Forderung. Mit den Plänen seiner Behörde für den Ersatz des alten Heizkraftwerks Wedel wird er aber die Interessen des Konzerns schon bedienen: Er will eine teure Fernwärmetrasse unter der Elbe zum Fernwärmenetz bauen lassen (die Moorburgtrasse), die notwendige Voraussetzung für eine Wärmeeinspeisung durch das Steinkohlekraftwerk.
Kerstans Behörde gibt an, sie wolle aus dem Süderelberaum erneuerbare Wärme durch die Trasse schicken. Dazu gehört die in der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) entstehende Wärme. Diese versorgt bisher einen Industriebetrieb mit Heißdampf – Ersatz liefern soll das HKW Moorburg. Das würde zu steigenden Emissionen an CO2, Schwermetallen und Feinstaub führen. Auch das würde dem Volksentscheid widersprechen.
Auch die zweite große Komponente für die „erneuerbare“ Wärme aus dem Süderelberaum – eine Großwärmepumpe am Klärwerk Dradenau – ist fragwürdig: Um auf die erforderliche Einspeisetemperatur von bis zu 130 Grad zu kommen, muss viel Erdgas für das Nachheizen eingesetzt werden. Erdgas ist teuer. Deshalb gibt es anders als öffentlich verlautbart – in der BUE Überlegungen, dafür Wärme aus Moorburg einzusetzen.
Gilbert Siegler, Sprecher des Hamburger Energietischs, stellt dazu fest: „Die BUE hat sich selber in diese Lage manövriert. Sie hat sich geweigert, sich ernsthaft mit einer besseren Lösung für den Ersatz des HKW Wedel auseinanderzusetzen.“ Der HET und andere Nichtregierungsorganisationen haben haben ein eigenes Nordszenario erstellen lassen (Details siehe: www.hamburger-energietisch.de/). Im Stellinger Moor, auf einem Gelände der Stadtreinigung Hamburg und von Hamburg Wasser, können Anlagen errichtet werden. Diese Lösung ist billiger und schneller zu realisieren (keine Moorburgtrasse) und sie ist klimaverträglicher.
Das Nordszenario hat einen entscheidenden „Nachteil“: Es bedient nicht die Renditewünsche von Vattenfall. Gilbert Siegler: „Senator Kerstan muss sich jetzt entscheiden, ob er den Volksentscheid einhalten und sich an den Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger orientieren will – auch gegen den Widerstand des Bürgermeisters – oder ob er die Profitinteressen Vattenfalls bedienen will. Beides gleichzeitig geht nicht.“
Text des Volksentscheids vom 22.9.2013:
„Senat und Bürgerschaft unternehmen fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien.“
Mehr Infos: www.hamburger-energietisch.de
Pressemitteilung Hamburger Energietisch
Kommentar zur heutigen Gesellschafterversammlung Vattenfall Wärme GmbH
Die heutigen Entscheidungen der Gesellschafterversammlung der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH kommentiert BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch wie folgt:
„Vattenfalls Absichten sind klar: Das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg soll wirtschaftlich durch eine weitere Fernwärmeauskopplung abgesichert, dreckige Kohlewärme in das Hamburger Fernwärmenetz eingespeist werden. Senat und Bürgerschaft dürfen sich jetzt nicht erpressen lassen: Der Volksentscheid zum Rückkauf der Netze ist 1 : 1 umzusetzen und die Energieversorgung Hamburgs deutlich stärker auf erneuerbare Energien umzustellen. In diesem klimapolitisch notwendigen Entwicklungspfad ist kein Platz für das Kohlekraftwerk Moorburg. Und Umweltsenator Kerstan steht im Wort, sein Konzept ohne Moorburg umzusetzen. Niemand darf jetzt noch in Kohle-Infrastruktur investieren, da spätestens 2030 das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz geht.“
Pressemitteilung BUND HH (15.12.)
Der nächste Schritt in Richtung Kohleausstieg
Wärmegesellschaft stellt Weichen für Südvariante – Uneinigkeit über Bausteine
Die Gesellschafterversammlung der Fernwärme Hamburg GmbH (VWH) hat heute den nächsten Schritt für die Wärmewende, den Kohleausstieg und den Ersatz des alten Kohlekraftwerks in Wedel beschlossen. Zunächst werden 6,8 Mio. Euro an Planungsmitteln bereitgestellt, um die Vorbereitungen für die Elbquerung fortzusetzen. Die Leitung soll den Anschluss Erneuerbarer Wärmequellen südlich der Elbe ermöglichen. Ein Wedel-Ersatz mit Anlagen nur nördlich der Elbe – die sogenannte Nordvariante – wird nicht weiter verfolgt.
Uneinigkeit besteht bei den Gesellschaftern über die Frage einer Anbindung des Kraftwerks Moorburg für die Fernwärmeversorgung. Die Umweltbehörde hat ein belastbares Szenario erarbeitet, wie der Hamburger Westen ab 2022 aus industrieller Abwärme, Müllverwertung, einer Wärmepumpe und Gasmotoren für die Spitzenlast stabil und bezahlbar versorgt werden kann. Der VWH-Mehrheitsgesellschafter Vattenfall (74,9 % der Anteile) verfolgt weiterhin den Plan, Wärme aus dem Vattenfall-Kraftwerk Moorburg über eine Verteilstation in das Wärmenetz zu liefern und gibt damit der fossilen Wärme den Vorzug vor der innovativen Wärmepumpe an der Dradenau, einem angeschlossenen Aquifer-Tiefenspeicher und der Nutzung industrieller Abwärme. Diese Planung widerspräche dem Ziel eines Kohleausstiegs in der Fernwärme bis Mitte der 2020er Jahre.
Jens Kerstan, Senator für Umwelt und Energie, erklärt dazu: „Eine abschließende Einigung auf ein Gesamtkonzept zum Wedel-Ersatz kann nicht losgelöst von der Frage des Rückkaufs getroffen werden. Dazu wird es jetzt weitere Verhandlungen geben. Klarheit brauchen wir im ersten Halbjahr 2018. Da wir jetzt weiteres Geld für die Planung der Elbleitung freigeben, entsteht bei der Umsetzung kein Zeitverzug. Es bleibt dabei, dass wir das Kraftwerk Wedel schnellstmöglich abschalten wollen.“
Einigkeit besteht dagegen in anderen wesentlichen Punkten: Beide Partner planen eine vorzeitige Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack auf Gas im Jahr 2025. Unstrittig ist auch die Einbindung des geplanten Energiezentrums der Stadtreinigung in Stellingen und die Nutzung von Wärme aus der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm (MVR).
Im September 2013 hatte eine Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger für einen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt gestimmt. Das Strom- und das Gasnetz sind bereits zu 100 Prozent im Besitz der Stadt, die Wärme bislang nur zu 25,1 Prozent. 2014 wurde der Rückkauf der restlichen Anteile der Fernwärme für das Jahr 2019 vereinbart – zu einem Mindestpreis von 950 Mio €. Der nächste Schritt ist eine aktuelle Bewertung des Unternehmenswertes, der ab Januar stattfinden wird.
Pressemitteilung Behörde für Umwelt und Energie (15.12.)