Von der Senke zur Quelle

Wir brauchen ein radikales Gesundheitsprogramm für den Wald
Heute veröffentlichen das Bundeslandwirtschaftsministerium und das Thünen-Institut die Ergebnisse der Bundeswaldinventur. Diese erfasst die Größe und den Zustand des Baumbestands sowie einzelner Baumarten. Dazu kommentiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:

„Wir alle kennen die Bilder vom Waldsterben im Harz und den Flächenbränden in Brandenburgs Kiefermonokulturen. Auch die bundesweiten Messdaten zeigen nun schwarz auf weiß: Wir erleben ein neues Waldsterben. Unsere Wälder sind nicht länger eine Senke, sondern eine Quelle von Treibhausgasen. Die Erzählung vom deutschen Wald als Kohlenstoffspeicher ist damit passé. So bitter diese Wahrheit ist, so klarer die Handlungsaufforderung: Wir brauchen ein radikales Gesundheitsprogramm für unsere Wälder. Das erfordert den Einsatz der gesamten Gesellschaft. Konkret braucht es mehr Schutz, ein Umdenken bei der Bewirtschaftung unserer Wälder sowie klare bundeseinheitliche Leitplanken durch die Politik. Nur so können wir den Wald wieder zum Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise machen.”

Um den Wald als Ökosystem und Wirtschaftsstandort zu sichern, braucht es neben dem konsequenten Waldumbau auch eine neue Form der naturverträglichen Bewirtschaftung, so Krüger: “Was wir hier sehen, ist wohl der Anfang vom Ende der Intensivforstwirtschaft. Es zeigt sich, dass naturnahe und vielfältige Laubmischwälder besser durch die Klimakrise kommen. Ahorn, Buche und Eiche fangen bereits heute in Teilen die Schwächen der Monokulturen auf. Viele Forstleute haben das längst verstanden. Viele weitere sind aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen.”

Pressemitteilung NABU


Greenpeace-Stellungnahme zur Bundeswaldinventur

Die Ergebnisse der heute von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) veröffentlichten Bundeswaldinventur zeigen, dass Wälder in Deutschland zum ersten Mal seit Beginn der Erhebung ihre CO2-Senkenfunktion verloren haben. Statt Kohlenstoff zu speichern, sind sie inzwischen sogar zu einer Treibhausgas-Quelle geworden. Grund dafür ist der hohe Verlust an Fichten- und Kiefernmonokulturen, die in den vergangenen Jahren verstärkt Dürren, Borkenkäfern und Waldbränden zum Opfer gefallen sind. Im Gegensatz zu Laubmischwäldern sind diese von der Forstwirtschaft künstlich angelegten Nadelwälder Extremwetter und Schädlingsbefall nicht gewachsen. Zu den wenigen vermerkten positiven Entwicklungen gehört beispielsweise der gestiegene Anteil an Buchen, Eichen und dem für die Artenvielfalt wichtigen Totholz in den Wäldern. Dies ist die insgesamt vierte Bundeswaldinventur. Die Daten werden alle zehn Jahre in bundesweiten Stichproben erhoben und ermöglichen einen Überblick über Zustand, Nutzung und Entwicklung der Wälder in Deutschland. Greenpeace-Waldexpertin Dorothea Epperlein sieht das Bundeslandwirtschaftsministerium in der Verantwortung, die wirtschaftliche Nutzung des Waldes gesetzlich naturnäher zu regeln und die Wälder durch ein starkes Bundeswaldgesetz effektiv zu schützen.

“Vor unseren Augen schreitet das Waldsterben ungebremst voran, daran kann auch die positive Entwicklung beim Anteil der Laubbaumarten und des Totholzes nicht hinwegtäuschen. Das Waldsterben liegt vor allem an der intensiven Forstwirtschaft. Sie hat unsere Wälder dermaßen geschwächt, dass diese der Klimakrise und allen damit verbundenen Herausforderungen wie Dürren, Feuer und Käferbefall schutzlos ausgeliefert sind.

Dass die Wälder in Deutschland mehr CO2 ausstoßen als speichern, ist fatal. Geht das so weiter, kriegen wir die Klima- und Artenkrise nicht in den Griff. Die Bundesregierung kann der Forstwirtschaft in einer derart drastischen Lage nicht einfach weiter freie Hand lassen. Cem Özdemir muss Konsequenzen aus seiner eigenen Veröffentlichung ziehen und ein starkes Bundeswaldgesetz schaffen, das den Schutz des Waldes über seine wirtschaftliche Nutzung stellt. Das heißt: Keine Kahlschläge, keine Monokulturen, kein Einschlag in Schutzgebieten.”

Pressemitteilung Greenpeace

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