Greenpeace Kommentar zum Bericht der Bundesstelle für Seefalluntersuchung zum Containerunglück der MSC-Zoe
Eineinhalb Jahre nach dem Containerunglück der MSC Zoe auf der Nordsee hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung heute in Hamburg ihren Abschlussbericht vorgestellt. Das Frachtschiff hatte 342 Container im Januar 2019 auf See verloren. Deren Inhalt wurde anschließend an der niederländischen und deutschen Nordseeküste angespült. Laut Bericht ist es bei der MSC-Zoe aufgrund ihrer Übergröße in Kombination mit den besonderen Strömungs- und Wellenbedingungen des südlichen Wattenmeeres zu außergewöhnlich starken Belastungen auf das Schiff gekommen. Hierfür war die Befestigung der Container nicht ausgelegt.
Es kommentiert Viola Wohlgemuth, Chemie-Expertin von Greenpeace.
“Die südliche Route durch das Wattenmeer ist für übergroße Containerschiffe unsicher. Um dort Unfälle mit diesen Schiffen zu vermeiden, muss diese Route für derartige Container-Riesen von der zuständigen Behörde gesperrt und stattdessen die nördlich verlaufende Route vorgeschrieben werden. Zudem müssen die Befestigungen für die Ladung nachgebessert und ein Ortungssystem für jeden Gefahrgut-Container vorgeschrieben werden. Mit diesen Systemen lassen sich havarierte Container zuverlässiger auffinden und bergen.
Behörden und Öffentlichkeit brauchen künftig klare Informationen über die Inhalte havarierter Container. Nur wenn Inhaltslisten veröffentlicht werden, lassen sich die Gesundheits- und Umweltrisiken solcher Unfälle abschätzen.”
Anmerkungen:
- Die südlich verlaufende Terschelling-Route ist für übergroße Containerschiffe unsicher. Sicher ist die nördliche `German Bight West Approach`-Route.
- Die unter der Flagge von Panama fahrende, knapp 400 Meter lange und 59 Meter breite MSC Zoe mit 8000 Containern an Bord hatte in der Nacht zum 2. Januar 2019 auf der Fahrt nach Bremerhaven 342 Container in der stürmischen Nordsee verloren. Dabei waren 297 Container in niederländischen Gewässern bei der Insel Ameland und 45 in deutschen Gewässern vor der Insel Borkum versunken. Die meisten Container zerbarsten, In der Folge trieb tonnenweise Müll an die Strände. Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace halfen vor Ort, die Strände und Vogelschutzgebiete auf Borkum von dem angeschwemmten Plastikmüll zu reinigen.
Pressemitteilung Greenpeace
Sehr schwerer Seeunfall – Überbordgegangene Container MSC ZOE
In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 2019 verlor das mit 8062 Containern beladene, unter Panamaflagge fahrende Großcontainerschiff MSC ZOE im Verkehrstrennungsgebiet Terschelling – German Bight bei stürmischer See 342 Container in der Nordsee. 297 Container gingen in niederländischen und 45 in deutschen Gewässern über Bord. Die Container wurden dabei größtenteils im Seegang zerstört und versanken im Küstenmeer. Personen an Bord kamen nicht zu Schaden. Ladungsreste wurden auf den friesischen Inseln angespült und mussten zusammen mit den Trümmern der Container aufwändig aus dem Meer bzw. vom Meeresboden geborgen werden. Betriebs- und Treibstoffe des Schiffes traten nicht aus.
Der Flaggenstaat Panama verständigte sich unmittelbar nach dem Seeunfall mit den Untersuchungsstellen der betroffenen Küstenstaaten Niederlande und Deutschland auf eine gemeinsame Seeunfalluntersuchung. In deren Mittelpunkt standen die Fragen, wie es zu dem massiven Ladungsverlust kommen konnte und ob bzw. welchen Einfluss die Entscheidung der Schiffsführung hatte, beim Passieren der friesischen Inseln das küstennahe Verkehrstrennungsgebiet und nicht den weiter nördlich verlaufenden Tiefwasserweg zu nutzen. Die Untersuchungsstellen werteten diverse Unfalldaten und technische Aufzeichnungen aus, gaben mehrere Gutachten in Auftrag und diskutierten gemeinsam intensiv und in engem Austausch mit den hinzugezogenen externen Sachverständigen die Untersuchungszwischenergebnisse.
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass primär unfallursächlich die bauart- bzw. konstruktionsbedingte, d. h. für sehr große Containerschiffe typische hohe Stabilität der MSC ZOE war. Die Decksladung und deren Laschsystem waren dadurch im Seegang enormen Beschleunigungen und Krafteinwirkungen ausgesetzt. Das ordnungsgemäß zertifizierte und in jeder Hinsicht den geltenden Regeln entsprechend dimensionierte Laschsystem hielt den außerordentlichen Belastungen schließlich nicht mehr stand. Einzelne Komponenten des Systems an verschiedenen Positionen des Schiffes brachen. Dies führte zum Um- bzw. Einstürzen von Containerstapeln an Deck bzw. nach außenbords. Für eine zwischenzeitlich als Unfallursache diskutierte Grundberührung des Schiffes, die bei maßstabsgerechten Modellversuchen sporadisch beobachtet worden war, konnten am Schiffsrumpf keinerlei Anhaltspunkte gefunden werden.
Als Konsequenz aus dem Unfallgeschehen empfehlen die Untersuchungsstellen den zuständigen Stellen in ihren Ländern, sich an die IMO zu wenden. Die dortigen Gremien und Arbeitsgruppen sollen aufgefordert werden, die international geltenden, den Bau, den Betrieb und insbesondere die Ladungssicherung großer Containerschiffe betreffenden Regularien den aus dem Größenwachstum der Schiffe resultierenden praktischen Erfordernissen zügig anzupassen.
Bezüglich etwaiger Kriterien für die Routenwahl im Bereich der friesischen Inseln haben sich die Untersuchungsstellen in ihrem gemeinsamen Bericht darauf verständigt, den zuständigen niederländischen und deutschen Stellen zu empfehlen, die bereits begonnene Risikobewertung fortzuführen. Sollte dabei ein regulatorischer Handlungsbedarf identifiziert werden, wird den genannten Stellen empfohlen, die diesbezüglich erforderlichen internationalen Verhandlungen bei der IMO zu initiieren.
Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) teilt mit, dass am 25. Juni 2020 der unter Federführung des Flaggenstaates Panama und mit intensiver Beteiligung der Untersuchungsstellen der betroffenen Küstenstaaten Niederlande und Deutschland gefertigte gemeinsame Untersuchungsbericht über den Containerverlust der MSC ZOE, der sich am 1. und 2. Januar 2019 im Verkehrstrennungsgebiet Terschelling – German Bight ereignet hatte, veröffentlicht wurde. Es besteht die Möglichkeit, diesen im Internet unter https://www.bsu-bund.de/DE/Aktuelles/neueVeroeffentlichungen einzusehen und herunterzuladen.
Pressemitteilung der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, Hamburg