Herdenschutz bleibt Voraussetzung für Entnahme einzelner Wölfe
Die Bundesumweltministerinnen und -minister haben heute die Vorschläge von Bundesumweltministerin Steffi Lemke über Regelungen der Wolfentnahme einstimmig angenommen.
Dazu NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:„Die Vorschläge von Bundesumweltministerin Lemke können dabei helfen, schnellere Entscheidungen zu Wölfen mit wirklich problematischem Verhalten zu treffen. Es geht dabei aber nur um Wölfe, die den zumutbaren Herdenschutz überwunden haben. Pauschalen Abschüssen wurde von Bund und Ländern gemeinsam eine Abfuhr erteilt. Die meisten Wölfe werden von einem guten Herdenschutz abgehalten. Streitpunkt wird sicher die Bewertung der Zumutbarkeit von Herdenschutz sein – hier gehen die Auslegungen der Bundesländer jetzt schon auseinander. Trotzdem bleibt Herdenschutz das A und O. Die Weidetierhaltung muss hierbei und in ihrer generellen Arbeit unterstützt werden.“
Der NABU fordert Bund und Länder weiterhin dazu auf, ihre Rissstatistiken zu vereinheitlichen und um die Angabe zu ergänzen, ob und welcher Herdenschutz überwunden wurde. Nur so können sich alle Beteiligten und Interessierten ein Bild zur tatsächlichen Risslage und zum Wolfsverhalten machen.
Der NABU hat 2019 mit der Verbändeplattform „Weidetiere und Wolf“ ein Papier zu Herdenschutzstandards verfasst.Download: https://www.nabu.de/news/2019/06/26516.html
Pressemitteilung NABU (1.12.)
Weniger Parolen, mehr konstruktive Lösungen
Herdenschutz muss bei Diskussion um Wolf im Vordergrund stehen / Mehr Naturschutz beim Ausbau von Offshore gefordert
Anlässlich der Umweltministerkonferenz (UMK) in Münster fordert der NABU beim Thema Wolf den Bund als auch die Länder zu konstruktiven, lösungsorientierten Diskussionen auf, bei denen der Herdenschutz im Vordergrund stehen sollte. Beim Thema Windenergie auf See fordert der NABU mehr Engagement zum Schutz von Nord- und Ostsee.
„Die allermeisten Wölfe respektieren Herdenschutzmaßnahmen. Für die wenigen Fälle, in denen trotz Herdenschutz Weidetiere gerissen werden, hat Bundesministerin Lemke bereits sinnvolle Vorschläge gemacht. Nun kommt es auf die Umsetzung in den Ländern an. Klar ist: Vereinfachte Abschüsse nach den neuen Vorschlägen sind keine pauschale Bejagung. Es geht um berechtigte Einzelfälle, in denen kein milderes Mittel vorhanden ist. Es ist eine Sache der Fairness, dass Weidetierhalter, die guten Herdenschutz einsetzen und trotzdem Risse zu beklagen haben, nicht zu noch mehr Schutzmaßnahmen verdonnert werden. In diesen Fällen greift die Ausnahmeregelung – und nur dann“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Eine erneute Änderung des Bundesnaturschutzgesetz ist daher nach Ansicht des NABU unnötig. Die UMK sollte genutzt werden, um mehr Klarheit über die praxisnahe Auslegung des hier relevanten Paragraf 45a zu schaffen. Die Bundesländer müssen ihre Rissstatistiken vereinheitlichen und um die Angabe des vorhandenen Herdenschutzes im Schadensfall ergänzen. Krüger: „Die meisten Risse geschehen an ungeschützten Weiden. In der öffentlichen Wahrnehmung geht das jedoch oft unter, und es wird ausschließlich über die Anzahl der Risse gesprochen.“ Der NABU fordert mehr Unterstützung für die Weidetierhaltung in der Agrarpolitik und verlangt von den Ländern, alle zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten für Herdenschutz zu nutzen, und neben den Materialkosten auch die zusätzliche Arbeitsleistung zu honorieren.
Der Ausbau der Offshore-Windenergie ist ein weiteres wichtiges Thema der UMK. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Nord- und Ostsee leiden doppelt unter den Klimakrise, da sie neben den Folgen der Meereserhitzung auch die Last für einen massiven Zubau von Offshore-Windenergie tragen sollen – zu viel für die ohnehin schon übernutzen Meere vor unserer Haustür.“
Durch das Windenergie-auf-See-Gesetzes stehen erhebliche Mittel zur Verfügung, um die negativen Auswirkungen des Offshore-Ausbaus abzufedern. Doch bevor erste Meeresschutzmaßnahmen anlaufen, fordern Haushaltpolitiker*innen die Kürzung von Naturschutzmitteln an anderer Stelle und die Refinanzierung bestehender und zugesagter Programme, wie zum Beispiel zur Bergung von Altmunition. Krüger: „Angesichts des schlechten Zustands brauchen die Meere mehr Aufmerksamkeit und zusätzliche Mittel. Die Zweckbindung der Gelder für den Schutz der Meeresnatur und die nachhaltige Transformation des Fischereisektors, die im Windenergie-auf-See-Gesetzes festgeschrieben ist, darf nicht unterlaufen werden. Neben dringend notwendigen Sofortmaßnahmen für Schweinswale, Seevögel und Wiederherstellungsmaßnahmen von Riffen und Seegraswiesen, brauchen wir eine nationale Meeresschutz-Stiftung, ganz nach dem erfolgreichen Beispiel der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Der naturverträgliche Ausbau der Windenergie auf See ist ein Marathon, für den es einen langen finanziellen Atem und gesicherte Flächen für den Schutz und die Wiederherstellung der Meeresnatur braucht. Wir wünschen uns aus Münster ein klares Bekenntnis für gesunde Meere als wichtige Verbündete in der Klimakrise.“
Pressemitteilung NABU (29.11.)
Jagd auf den Wolf ist keine Lösung
BUND fordert „Bundesstandard Herdenschutz“
Anlässlich der Beratung der Umweltministerkonferenz zum weiteren Umgang mit dem Wolf fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) einen bundeseinheitlichen Herdenschutz. Dieser „Bundesstandard Herdenschutz“ als Mindeststandard in ganz Deutschland soll die Akzeptanz erhöhen, die Verwaltungsvorgänge vereinfachen und Konditionierung junger, wandernder Wölfe auf Nutztiere verringern.
Neben einem bundeseinheitlichen Schutz müssen die Nutztierrisse ebenfalls bundesweit einheitlich erfasst und ausgewertet werden. Auf dieser Grundlage können dann Herdenschutzmaßnahmen weiterentwickelt werden. Verbesserungsbedürftig sind vor allem die Beratung zur Wirksamkeit des Herdenschutzes und die Erstattung der Schutzkosten.
Thomas Norgall, BUND-Wolf-Experte: „Jagd ist keine Lösung. Da in den Bundesländern aber bis zu drei Viertel aller Nutztierrisse an ungeschützten Weidetieren erfolgen, muss es dringend Verbesserungen im Herdenschutz geben.“
Risse an ungeschützten Weidetieren sind besonders problematisch, weil Wölfe dabei lernen, wie leicht ein Schaf oder eine Ziege auf einer Weide zu erbeuten sind. Im Alter von etwa 22 Monaten verlassen junge Wölfe ihr Elternrudel, um sich ein eigenes Revier zu suchen. Auf der Wanderung, die oft über hunderte von Kilometern quer durch Europa führt, sind sie ständig in einer neuen Umgebung und müssen erstmals alleine jagen. Die Erfahrung, wie einfach ein Schaf in einer ungeschützten Koppel zu erlegen ist, ist in dieser Lebensphase prägend. Ebenso prägend ist aber auch die schmerzhafte Erfahrung mit einem Stromschlag am Herdenschutzzaun oder die Begegnung mit einem Herdenschutzhund. Nach solchen Erlebnissen halte sich Wölfe üblicherweise ihr Leben lang von Nutztieren fern.
Norgall: „Für die Zahl der Nutztierrisse ist nicht die Zahl der Wölfe entscheidend, sondern die Qualität des Herdenschutzes. Ohne konsequenten, flächendeckenden Herdenschutz an Schafen und Ziegen schaffen wir uns ständig wachsende Probleme mit dem Wolf.“
Dass Jagd keine Lösung ist, zeigt das Beispiel Slowenien Slowakei. Zwischen 2014 und 2019 wurden Wölfe nach festgelegten Quoten bejagt. Das jüngst veröffentliche Ergebnis: Die Bejagung der Wölfe führte nicht zu einer messbaren Verringerung der Nutztierrisse. 2021 wurde die Bejagung zur Regulation des Wolfsbestandes deshalb wieder eingestellt.
Pressemitteilung BUND (29.11.)