Wenn das Netz reißt

BUND Hamburg warnt am Tag der Artenvielfalt vor dem gefährlichen Insektensterben
Für unser Obst und Gemüse brauchen wir gesunde Böden, gesundes Wasser – und Bienen und andere Insekten, die die Pflanzen bestäuben. Doch in Deutschland sind im Laufe der letzten 35 Jahre bereits 70 bis 80 Prozent aller Fluginsekten verschwunden. Und das betrifft nicht nur seltene Arten, sondern auch solche, die früher überall zu finden waren.

 

„Der Kleine Fuchs ist ein orangefarbener Schmetterling, den früher jedes Kind kannte, den wir aber in den letzten Jahren immer seltener sehen. In einigen Jahren könnte er womöglich ganz verschwunden sein“, so Wolfram Hammer, der für den BUND u.a. an den Volksdorfer Teichwiesen aktiv ist.

Hamburg muss mehr für den Artenschutz tun

Der kleine Fuchs ernährt sich unter anderem von Apfelbaumblüten, ohne Bestäuber wie ihn würden die Früchte gar nicht wachsen. Außerdem wirkt sich sein Verschwinden auf das gesamte Nahrungsnetz aus: Viele Singvögel ernähren ihre Küken mit Raupen von Schmetterlingen und anderen Insekten. Gibt es von diesen weniger, haben es die Vögel immer schwerer, ihren Nachwuchs aufzuziehen. Und weniger Singvögel bedeuten wiederum weniger Nahrung für Greifvögel.

„Es ist wie ein Kartenhaus: Zieht man unten eine Karte heraus, so wird das ganze Gebilde instabil,“ erklärt Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND. „In der Natur sind die verschiedenen Arten durch ein komplexes Netz miteinander verbunden. Je mehr Arten verschwinden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze Ökosystem zusammenbricht. “

Hamburg muss mehr für den Artenschutz tun

Um dieses Problem zu lösen, braucht es laut BUND mehr Flächen, auf denen die Natur sich ungestört entwickeln kann. „Die meisten Naturschutzgebiete in Hamburg sind für funktionierende Lebensgemeinschaften deutlich zu klein und werden zu stark von außen gestört – etwa durch nahegelegene Wohngebiete oder Straßen“, so Sommer. Besonders kritisch sieht der BUND aktuelle Bauprojekte wie Oberbillwerder oder die Fischbeker Reethen. Diese liegen nah an bestehenden Schutzgebieten wie den Boberger Dünen oder dem Moorgürtel. „Mit solchen Planungen gefährdet Hamburg bewusst die Artenvielfalt“, kritisiert Sommer. „Wir müssen Lebensräume auch in einer Großstadt wie Hamburg so schützen und gestalten, dass sich die Natur ungestört entwickeln kann.“

Was jeder tun kann

Der BUND betreut in Hamburg acht Streuobstwiesen – kleine Paradiese für die Artenvielfalt. Auf einer solchen Wiese können bis zu 5.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten leben: Insekten, Vögel, Kleinsäuger, Fledermäuse, Eidechsen, Amphibien und seltene Pflanzen. Für deren Erhalt ist der BUND das ganze Jahr über mit vielen Ehrenamtlichen im Einsatz. Wer etwas gegen den Artenschwund tun möchte, kann hier aktiv werden.

Und auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon kann jeder etwas für die Artenvielfalt tun:

Heimische Kräuter und Blühpflanzen wie Klee oder Flockenblumen anpflanzen
Wilde Ecken mit aufgeschichteten Ästen und Zweigen belassen
Auf Pestizide und übermäßiges Düngen verzichten
Dem Kleinen Fuchs zuliebe auch Brennnesseln wachsen lassen – die Lieblingsspeise seiner Raupen

Pressemitteilung BUND Hamburg


Tag der biologischen Vielfalt: Mehr Klimaschutz für gesunde Ökosysteme
BUND fordert angesichts der Trockenheit größere Anstrengungen der Bundesregierung

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) blickt am Tag der biologischen Vielfalt mit großer Besorgnis auf die Auswirkungen von Hitze und Trockenheit auf Menschen, Tiere und Pflanzen und fordert die Bundesregierung auf, wirksame Anstrengungen im Kampf gegen Artensterben und Klimakrise zu unternehmen.

Verena Graichen, BUND-Geschäftsführerin Politik: „Die Klimakrise fordert bereits jetzt ihren Tribut. Viele Arten und Lebensräume sind bedroht. Die jetzige Trockenheit ist mehr als eine reine Wetterlage. Zunehmende Extremwetterereignisse sind eine Auswirkung der Klimakrise. Die Regierung Merz muss jetzt zum Schutz von Menschen, Tieren und Vegetation den Klimaschutzturbo einlegen. Wir brauchen dringend mehr gesunde Ökosysteme. Von Umweltminister Carsten Schneider erwarten wir schnell ein umfassendes Klimaschutzprogramm, um die Klimaziele einzuhalten.“

Klimaanpassung bedeutet nicht nur Schutz vor Trockenheit

Der Umbau unserer Landwirtschaft, die Wiederherstellung lebendiger Ökosysteme, der Schutz unserer Ressourcen – Wasser, Luft, Böden – und die Verringerung des Flächenverbrauchs, sind zentral, um die biologische Vielfalt und damit unsere eigenen Lebensgrundlagen zu bewahren.

Graichen: „Der BUND fordert von der Regierung einen umfassenden Schutz der biologischen Vielfalt. Das eine intakte Natur bei der neuen Regierung bestenfalls als Nebenschauplatz mitläuft, ist ein fatales Versäumnis, das uns teuer zu stehen kommt. Im Interesse von Natur, Landwirtschaft und Menschen ist jetzt die Zeit, Landschaften widerstandsfähiger gegen die Klimakrise zu machen.“

Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass bisherige Strategien, Aktionspläne und Gesetze nicht ausreichen, um die Ursachen von Artensterben und Zerstörung von Lebensräumen zu beseitigen, naturfreundliche Rahmenbedingungen zu setzen und den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Deshalb hat der BUND im letzten Herbst eine „Naturschutzklage“ beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Gesetzgeber soll so verpflichtet werden, ein umfassendes Biodiversitäts-Schutzkonzept zu erlassen.

Graichen: „Gesunde, artenreiche Ökosysteme schützen uns besser vor den zunehmenden Extremen wie Dürre, Starkniederschlägen oder Überschwemmungen. Humusreiche Böden, naturnahe Wälder und Gewässer sind ebenso wie strukturreiche Auen und nasse Moore wertvolle natürliche Wasserspeicher. Werden sie durch Trockenstress geschwächt oder sterben sie in Folge von Dürre und Hitze ab, verschwindet ihre Kapazität, Kohlenstoff zu binden und Wasser zu halten. Ein Teufelskreis, der die Auswirkungen der Klimakrise verschärft. Die Wiederherstellung von Ökosystemen zum Wasserrückhalt ist in Zeiten von Trockenheit und auch bei Starkregen oder Überschwemmungen zentral.“

Waldschutz ist Klimaschutz

Wälder sind die Lunge unseres Planeten und ursprünglich einer der wichtigsten Kohlenstoffspeicher, die das Klima stabilisieren. Doch sind die Wälder in Deutschland ebenso wie in vielen anderen Ländern inzwischen vom Klimaschützer selbst zur Quelle von Treibhausgasen geworden. Mit Blick auf das Gutachten des Expertenrats für Klimafragen und den Zustand unserer Wälder ergänzt die BUND-Geschäftsführerin Graichen:

„Klimaschutz ist Waldschutz, Waldschutz ist Klimaschutz. Für die Bundesregierung heißt das, den Klimaschutz voran zu treiben. Wir brauchen Maßnahmen zur Energieeinsparung, einen schnellen Ausstieg aus fossilen Energien und schnellstmöglich hundert Prozent erneuerbare Energien. Eine Waldwende ist längst überfällig. Dazu gehören gesetzliche Vorgaben und finanzielle Anreize für einen behutsamen Umgang mit den Wäldern, eine schonende Holzernte und mehr Naturwälder durch einen zügigen Waldumbau weg von naturfernen und instabilen Nadelforsten, hin zu naturnahen, stabileren Laubmischwäldern.“

Tiere, Pflanzen und Lebensräume leiden unter Dürre und Hitze

Die Natur ist der Jahreszeit voraus. Pflanzen blühen wegen der Klimakrise in Deutschland im Durchschnitt etwa 10 bis 20 Tage früher als noch vor einigen Jahrzehnten. Dies hat teils gravierende Auswirkungen: Tiere, wie Zugvögel oder Insektenfresser, orientieren sich an festen Zeitplänen für Migration und Fortpflanzung. Wenn Pflanzen früher blühen und Insekten früher aktiv sind, kann es zu Nahrungsengpässen und Störungen in den Lebenszyklen der Tiere kommen. Einige Arten, zum Beispiel Zugvögel wie die Nachtigall und der Mauersegler, können damit nicht Schritt halten und verpassen den optimalen Zeitpunkt für Nahrung oder Brutpflege.

Graichen: „Anhaltende Trockenheit setzt zahlreichen Tierarten stark zu. Besonders betroffen sind auch Gewässerbewohner wie Fische und Amphibien. So fehlt Fischen der Sauerstoff im Wasser und Amphibien verlieren sogar ihre Lebensräume, Laichgründe trocknen aus. Insekten finden bei Trockenheit nicht ausreichend blühende Pflanzen als Nahrungsquelle. Auch Vögel und Fledermäuse, die Insekten fressen oder Feuchtgebiete zum Brüten benötigen, sowie Kleinsäuger wie Gartenschläfer und Maulwurf leiden unter Wassermangel und Nahrungsknappheit. Die Dürre wirkt sich damit auf ganze Nahrungsketten aus, gefährdet durch drohende Ernteausfälle nicht zuletzt unsere eigenen Lebensgrundlagen.“

Pressemitteilung BUND

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