Wohnmodell Kritenbarg vor dem Aus

Seit 1982 probieren unterschiedliche Menschen in einem 100 Jahre alten Reetdachhaus am Beerbusch erfolgreich gemeinschaftliches Leben aus. Sie teilen ein Bad, eine Küche und führen eine gemeinsame Haushaltskasse. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Nach vielen Jahren der Unsicherheit, ist dem Wohnmodell Kritenbarg jetzt der Mietvertrag gekündigt worden.

Gegründet wurde der Verein „Wohnmodell Kritenbarg“ in den 70er- Jahren mit dem Ziel neue Lebensformen zu erproben und zu erleben. Die damals 24 großen und 22 kleinen Menschen  wohnten gemeinsam in alten Villen auf dem Gelände des heutigen AEZ. Dort wurden sie 1982 aufgrund von Bauvergrößerungen des Einkaufszentrums vertrieben und die Häuser abgerissen. Nach einigem Ringen bot die Stadt das alte Landhaus am Beerbusch in Bergstedt als alternativer Wohnort an. Ein Teil der Gruppe zog dort ein und organisierte sich neu.
Zehn Jahre wohnten hier Paare, Familien, Alleinerziehende und Singles mit einem Instandsetzungsmietvertrag der Saga, die das Haus für die Stadt Hamburg verwaltete. Zurzeit leben acht Erwachsene und zwei Kinder in dem 1912/13 vom Architekturbüro Distel & Grubitz erbauten und seit 1989 unter Denkmalschutz stehenden Reetdachhaus. Als der Vertrag 1992 auslief, versuchte der Verein das Haus zu kaufen, was jedoch misslang. 2005 wurde das benachbarte Grundstück mit den Kleingärten von der Haspa verkauft mit dem Ziel hier  Häuser zu bauen. Auch vor sechs Jahren gelang es dem Verein nicht, das Haus zu erwerben. Stattdessen verkaufte die Stadt Hamburg Haus und Grundstück an Berthold Brinkmann. An der neuen Straße Hohenbergstedt entstanden 32 Einzel- und Doppelhäuser auf ehemaligen Kleingartenparzellen und im parkähnlichen Garten des Reetdachhauses. Die Bebauung der Fläche ist seitdem immer noch umstritten, vor allem weil einige Häuser direkt am Alsterhang stehen und weil an die 300 Bäume fallen mussten. Eine Nachpflanzung/Ersatzpflanzung ist bis heute nur in Teilen verwirklicht.

Seit dem BesitzLandhaus Mahrerwechsel ist die Zukunft des gemeinsamen Wohnens ungewiss. Während der Verein bis 2005 für die Renovierung und Instandsetzung des Hauses zuständig war, kümmert sich seit 2005 eine Verwaltungsfirma um das Anwesen mit dem Ergebnis, dass dringende Renovierungsarbeiten nur schleppend umgesetzt werden. Im Spätsommer 2010 beschwerten sich die Bewohner, dass es in ein Zimmer aufgrund des schlechten Zustands des Daches rein regnet. Eine Woche später wurde der Mietvertrag ohne Grund gekündigt. Aufgrund der unsicheren Wohnsituation haben einige der Bewohner die Wohngemeinschaft verlassen.
Doch die übrig gebliebenen wollen das Haus nicht aufgeben. Sie fürchten auch um den Fortbestand der letzten Insel alter Bausubstanz im Neubaugebiet mit ökologisch wertvollem Altbaumbestand.

Bisher wurden Haus und Garten mit zeitweise über 20 Personen optimal genutzt. Die gemeinsame Organisation von Einkaufen, Kochen, Putzen oder Aufräum- und Gartenarbeiten und die Betreuung der Kinder prägen das Zusammenleben. Das Teilen der anfallenden Arbeiten im Alltag ist ein Versuch die klassischen Rollenverteilungen aufzubrechen. Kinder sind ein wesentlicher Drehpunkt für das gemeinsame Leben.Die Ideen der 70er-Jahre sind heute so aktuell wie damals, denn inzwischen leben auch Alt und Jung unter einem Dach.
Die Zeiten in denen das großzügig geschnittenen Haus von vielen Menschen belebt und somit ideal genutzt wurde sollen in diesem Sommer zu Ende gehen. Den zehn Bewohnern steht eine ungewisse Zukunft bevor, denn für eine solch große Gruppe lässt sich schwer geeigneter Wohnraum finden. (du)
Artikel aus der WUZ 56 vom März 2011

Foto: Ungewisse Zukunft für das denkmalgeschützte Landhaus am Beerbusch (c) Verein Kritenbarg

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